Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.Hein Wieck kameraden auf den großen Findlingen von Namlosbeck saß. Ihr hattet es gut, Hinter unserm Dorfteich stehn die vielgeprüften Weidenstümpfe, deren Schö߬ Die Weiden und den Teich habe ich immer vor Augen gehabt, wenn ich an Und die gewagten Jodler des großen Amerikaners Gorg höre ich noch heute. Ha . . . o . . . hol! Wie das klang! -- Feingestimmte dünne Regenlüfte trugen das unbekümmerte Ha ... o ... hol! Noch lag der Sonnenglanz auf dem Saum des Geheges, hinter dem Moor ging Holla! Hol! Vom Hofe Holm trieb man die Kühe zur Nacht in die Bruchwiesen, Haupt¬ Seit einigen Tagen bin ich ein froher Mensch. Holla! . . . Hol! triumphiert mein glückliches Herz. Der nie versiegende Und das Ergebnis dieses Aktenmonolvgs war ein großer Brief, der mich zum Was redst du da von Wagen und Post? schrieb ein mir lieber Freund, der Hein Wieck kameraden auf den großen Findlingen von Namlosbeck saß. Ihr hattet es gut, Hinter unserm Dorfteich stehn die vielgeprüften Weidenstümpfe, deren Schö߬ Die Weiden und den Teich habe ich immer vor Augen gehabt, wenn ich an Und die gewagten Jodler des großen Amerikaners Gorg höre ich noch heute. Ha . . . o . . . hol! Wie das klang! — Feingestimmte dünne Regenlüfte trugen das unbekümmerte Ha ... o ... hol! Noch lag der Sonnenglanz auf dem Saum des Geheges, hinter dem Moor ging Holla! Hol! Vom Hofe Holm trieb man die Kühe zur Nacht in die Bruchwiesen, Haupt¬ Seit einigen Tagen bin ich ein froher Mensch. Holla! . . . Hol! triumphiert mein glückliches Herz. Der nie versiegende Und das Ergebnis dieses Aktenmonolvgs war ein großer Brief, der mich zum Was redst du da von Wagen und Post? schrieb ein mir lieber Freund, der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0720" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231152"/> <fw type="header" place="top"> Hein Wieck</fw><lb/> <p xml:id="ID_2461" prev="#ID_2460"> kameraden auf den großen Findlingen von Namlosbeck saß. Ihr hattet es gut,<lb/> meine Freunde, ihr habt niemals gefühlt, wie weh es einem Bäumchen ist, das<lb/> der Gärtner aus dem Mutterboden verpflanzte, ihr wart Tag für Tag in der<lb/> Hut von Hausgöttern, die die Dämmerung in den Winkeln eurer Bauernstuben<lb/> schamvoll behütet. Ich aber war ein unsteter Gast der Fremde, ein Heimatloser,<lb/> der nicht die Fürsprache seiner Hausgeister fand, wenn er seine Jugend suchte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2462"> Hinter unserm Dorfteich stehn die vielgeprüften Weidenstümpfe, deren Schö߬<lb/> linge alle fünf Jahre die Schärfe des Reißmessers erfahren und immer noch einen<lb/> glatten, jungen Sproß, gut zu Flöten und Schalmeien, für Wünschelruten und Spiel¬<lb/> pferde passend, hergeben. Und der Teich selbst. Als Gorg Bünz noch auf dem<lb/> Holm diente, ritt er im Trab zur Schwemme hinein, die blanken Wasserfunken stoben<lb/> und glänzten in der Sonne.</p><lb/> <p xml:id="ID_2463"> Die Weiden und den Teich habe ich immer vor Augen gehabt, wenn ich an<lb/> die Tage dachte, wo mein Wesen im Werden war.</p><lb/> <p xml:id="ID_2464"> Und die gewagten Jodler des großen Amerikaners Gorg höre ich noch heute.</p><lb/> <p xml:id="ID_2465"> Ha . . . o . . . hol!</p><lb/> <p xml:id="ID_2466"> Wie das klang! — Feingestimmte dünne Regenlüfte trugen das unbekümmerte<lb/> Wohlbehagen des Sängers, dem niemals ein Zweifel an der Berechtigung seines<lb/> Daseins gekommen war, durch das Dorf.</p><lb/> <p xml:id="ID_2467"> Ha ... o ... hol!</p><lb/> <p xml:id="ID_2468"> Noch lag der Sonnenglanz auf dem Saum des Geheges, hinter dem Moor ging<lb/> der große Feuerball zur Rüste, sein rotes Licht verglühte auf dem breiten Scheunen-<lb/> dach unsers Nachbarn Voß und lohte an den Fenstern von Johann Edler auf.</p><lb/> <p xml:id="ID_2469"> Holla! 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Hein Wieck
kameraden auf den großen Findlingen von Namlosbeck saß. Ihr hattet es gut,
meine Freunde, ihr habt niemals gefühlt, wie weh es einem Bäumchen ist, das
der Gärtner aus dem Mutterboden verpflanzte, ihr wart Tag für Tag in der
Hut von Hausgöttern, die die Dämmerung in den Winkeln eurer Bauernstuben
schamvoll behütet. Ich aber war ein unsteter Gast der Fremde, ein Heimatloser,
der nicht die Fürsprache seiner Hausgeister fand, wenn er seine Jugend suchte.
Hinter unserm Dorfteich stehn die vielgeprüften Weidenstümpfe, deren Schö߬
linge alle fünf Jahre die Schärfe des Reißmessers erfahren und immer noch einen
glatten, jungen Sproß, gut zu Flöten und Schalmeien, für Wünschelruten und Spiel¬
pferde passend, hergeben. Und der Teich selbst. Als Gorg Bünz noch auf dem
Holm diente, ritt er im Trab zur Schwemme hinein, die blanken Wasserfunken stoben
und glänzten in der Sonne.
Die Weiden und den Teich habe ich immer vor Augen gehabt, wenn ich an
die Tage dachte, wo mein Wesen im Werden war.
Und die gewagten Jodler des großen Amerikaners Gorg höre ich noch heute.
Ha . . . o . . . hol!
Wie das klang! — Feingestimmte dünne Regenlüfte trugen das unbekümmerte
Wohlbehagen des Sängers, dem niemals ein Zweifel an der Berechtigung seines
Daseins gekommen war, durch das Dorf.
Ha ... o ... hol!
Noch lag der Sonnenglanz auf dem Saum des Geheges, hinter dem Moor ging
der große Feuerball zur Rüste, sein rotes Licht verglühte auf dem breiten Scheunen-
dach unsers Nachbarn Voß und lohte an den Fenstern von Johann Edler auf.
Holla! Hol!
Vom Hofe Holm trieb man die Kühe zur Nacht in die Bruchwiesen, Haupt¬
mann brüllte im Baß, Major im Tenor; man hörte den gleichmäßigen Lockruf
von Herr: Ka . . . komm! — Ka . . . komm! und ab und zu den runden Knall
seiner Peitsche.
Seit einigen Tagen bin ich ein froher Mensch.
Holla! . . . Hol! triumphiert mein glückliches Herz. Der nie versiegende
Strom meiner Gesuche hat die harten Herzen der Herren höchster Sphäre weich
gemacht. Der Minister, ein ungerechter gerechter Richter, ist laß und müde, und
sein Geheimrat mich. Dieser vermerkte in einer Anwandlung gutmütiger Satire in
meinen Personalakten: wir wollen das Muttersöhnchen dem Land der Knickhagen und
großen Klöße zurückgebe».
Und das Ergebnis dieses Aktenmonolvgs war ein großer Brief, der mich zum
Richtertyrannen desselben Orts ernannte, dessen lustige Windmühlenflügel einstmals
den Hein, die Rieke und die Lisch zu sich hinaufgezogen hatten.
Was redst du da von Wagen und Post? schrieb ein mir lieber Freund, der
es sich seit einem Jnhrzehut angelegen sein läßt, die baufälligen Leiber meiner
Landsleute an eben demselben Orte auszuflicken. Seit einem Monat ist ja unsre
Bahn eröffnet, und ebenso lange bilden wir uns ein, Bürger der großen Welt zu
sein. Wenn wir unter den Linden vor den Hausthüren nach der Tagesarbeit
unsre Pfeife rauche», so träumen wir von einer Zukunft, in der wir eine wirkliche
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