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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Die Erfolge der Palästiuafahrt unsers Kaisers

Arbeitsfeld würden aber die gesegneten Fluren Babyloniens, die Euphrat- und
Tigrisebene, abgebe", die uns auch bald die anatolische Bahn erschließen wird.
Von ihrer fabelhaften Fruchtbarkeit berichtet schon Herodot staunend, daß dort
der Weizen gewöhnlich 200, in guten Jahren aber 300 Korn liefere. Jetzt
sind aber die Wasfcrgrüben der fleißigen Babylonier, die diesen Segen spen¬
deten, längst verstopft, sodaß statt der fruchtbaren Gefilde nur Steppe oder
Sumpf zu finden ist, durch die die Tiere der Wildnis streichen.

Das türkische Reich hat Platz genug für unsern Überschuß an Kaufleute",
Ärzten, Lehrern, Baumeistern, kurz, an studierten jungen Männern aller Art.
Gern werden die Deutschen nicht bloß in den maßgebenden amtlichen Kreisen,
sondern auch von dem gewöhnlichen Manne gesehen. In dem elendesten cma-
tolischen Dorfe, so erzählt Körte, wird der Deutsche mit beifälligem Nicken
begrüßt. "Ihr Deutschen, heißt es, baut unsre Eisenbahnen, ihr schickt uns
Generale, zu euch gehn unsre jungen Offiziere -- ihr seid unsre besten
Freunde."

Aber auch die im türkischen Reiche zerstreut wohnenden griechischen und
armenischen Christen werden den Deutschen nicht scheel ansehen, denn viele der
Armenier, der Ärzte, Lehrer und Geistlichen sind auf deutsche" Hochschulen
gebildet, und deutsche Bildung wird von ihnen hoch geschätzt. Dasselbe gilt
von den Griechen. Man lese nur die Unterredung Sodens mit dem Vorsteher
des griechischen Kreuzklosters zu Jerusalem, der Soden beim Abschied sagte:
"Das Licht kommt von Deutschland!"

Ein solches Licht, eine Pflegstätte deutschen Geistes, ist auch schon in
Konstantinopel vorhanden. Es ist die deutsch-schweizerische Realschule, die von
unserm Kaiser ihre Weihe dadurch erhalten hat, daß er ihr bei seinem Besuche
die Befugnis verlieh, die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst zu
erteilen. An diesem ersten Lichte werden sich hoffentlich bald "och mehr ent¬
zünden, die deutschen Geist und deutsche Bildung durch die türkischen Provinzen
tragen. Diese deutschen Schulen, die, wie jetzt auch schon die Konstantinopler,
allen zugänglich sind, werden künftig das geistige Band sein, das die ver-
schiednen Völker des Türkenreichs umschlingt/')

Wünschenswert wäre es auch insofern, daß sich die deutsche Auswanderung
hierher lenkte, als der Deutsche hier nicht der Gefahr ausgesetzt ist, wie es in
den uns so nahe verwandten, englisch sprechenden Ländern der Fall ist, nach
einiger Zeit unserm Volke verloren zu gehn. Wie bisher schon in den schwä¬
bischen Kolonien, so würden auch in Zukunft, selbst wenn der deutsche Ein¬
wanderer türkischer Unterthan werden müßte, die Völker ruhig nebeneinander
wohnen. So geben wir uns denn der freudigen Hoffnung hin, daß das
prophetische Wort, das Aleddin Pascha beim Einlaufen des ersten Bahnzugs



-) Die Schule wird jetzt von 500 Kindern besucht: davon sind 128 Deutsche, 21 Schweizer,
91 Österreicher, IK0 Türken, 27 Griechen, Is Italiener, Is Engländer, " Rumänen u, n,
Die Erfolge der Palästiuafahrt unsers Kaisers

Arbeitsfeld würden aber die gesegneten Fluren Babyloniens, die Euphrat- und
Tigrisebene, abgebe», die uns auch bald die anatolische Bahn erschließen wird.
Von ihrer fabelhaften Fruchtbarkeit berichtet schon Herodot staunend, daß dort
der Weizen gewöhnlich 200, in guten Jahren aber 300 Korn liefere. Jetzt
sind aber die Wasfcrgrüben der fleißigen Babylonier, die diesen Segen spen¬
deten, längst verstopft, sodaß statt der fruchtbaren Gefilde nur Steppe oder
Sumpf zu finden ist, durch die die Tiere der Wildnis streichen.

Das türkische Reich hat Platz genug für unsern Überschuß an Kaufleute»,
Ärzten, Lehrern, Baumeistern, kurz, an studierten jungen Männern aller Art.
Gern werden die Deutschen nicht bloß in den maßgebenden amtlichen Kreisen,
sondern auch von dem gewöhnlichen Manne gesehen. In dem elendesten cma-
tolischen Dorfe, so erzählt Körte, wird der Deutsche mit beifälligem Nicken
begrüßt. „Ihr Deutschen, heißt es, baut unsre Eisenbahnen, ihr schickt uns
Generale, zu euch gehn unsre jungen Offiziere — ihr seid unsre besten
Freunde."

Aber auch die im türkischen Reiche zerstreut wohnenden griechischen und
armenischen Christen werden den Deutschen nicht scheel ansehen, denn viele der
Armenier, der Ärzte, Lehrer und Geistlichen sind auf deutsche» Hochschulen
gebildet, und deutsche Bildung wird von ihnen hoch geschätzt. Dasselbe gilt
von den Griechen. Man lese nur die Unterredung Sodens mit dem Vorsteher
des griechischen Kreuzklosters zu Jerusalem, der Soden beim Abschied sagte:
„Das Licht kommt von Deutschland!"

Ein solches Licht, eine Pflegstätte deutschen Geistes, ist auch schon in
Konstantinopel vorhanden. Es ist die deutsch-schweizerische Realschule, die von
unserm Kaiser ihre Weihe dadurch erhalten hat, daß er ihr bei seinem Besuche
die Befugnis verlieh, die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst zu
erteilen. An diesem ersten Lichte werden sich hoffentlich bald »och mehr ent¬
zünden, die deutschen Geist und deutsche Bildung durch die türkischen Provinzen
tragen. Diese deutschen Schulen, die, wie jetzt auch schon die Konstantinopler,
allen zugänglich sind, werden künftig das geistige Band sein, das die ver-
schiednen Völker des Türkenreichs umschlingt/')

Wünschenswert wäre es auch insofern, daß sich die deutsche Auswanderung
hierher lenkte, als der Deutsche hier nicht der Gefahr ausgesetzt ist, wie es in
den uns so nahe verwandten, englisch sprechenden Ländern der Fall ist, nach
einiger Zeit unserm Volke verloren zu gehn. Wie bisher schon in den schwä¬
bischen Kolonien, so würden auch in Zukunft, selbst wenn der deutsche Ein¬
wanderer türkischer Unterthan werden müßte, die Völker ruhig nebeneinander
wohnen. So geben wir uns denn der freudigen Hoffnung hin, daß das
prophetische Wort, das Aleddin Pascha beim Einlaufen des ersten Bahnzugs



-) Die Schule wird jetzt von 500 Kindern besucht: davon sind 128 Deutsche, 21 Schweizer,
91 Österreicher, IK0 Türken, 27 Griechen, Is Italiener, Is Engländer, » Rumänen u, n,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/72>, abgerufen am 28.09.2024.