Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.Franz Stücks Malereien für das deutsche Reichstagsgebäude und daneben noch den Bildhauer Hildebrand streifte, der ein verfehltes, durch¬ In dem skeptischen Berlin hat dagegen der Autoritätsglaube einen schlechten Franz Stücks Malereien für das deutsche Reichstagsgebäude und daneben noch den Bildhauer Hildebrand streifte, der ein verfehltes, durch¬ In dem skeptischen Berlin hat dagegen der Autoritätsglaube einen schlechten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0654" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231086"/> <fw type="header" place="top"> Franz Stücks Malereien für das deutsche Reichstagsgebäude</fw><lb/> <p xml:id="ID_2208" prev="#ID_2207"> und daneben noch den Bildhauer Hildebrand streifte, der ein verfehltes, durch¬<lb/> aus unzweckmäßiges Modell für eine Stimmurne eingereicht hatte, fühlte doch<lb/> die entrüstete Künstlerschaft mit richtigem Instinkt aus den Schlußwendungen<lb/> seiner Rede heraus, daß er zwar auf den Sack geschlagen, aber den Esel ge¬<lb/> meint hatte. Die Unzufriedenheit der Reichstagsmehrheit richtete sich in der<lb/> That gegen Wallot, der mit der ihm übertragnen Ausschmückung der innern<lb/> Räume eine von Jahr zu Jahr steigende Mißstimmung hervorgerufen hatte,<lb/> die sich einmal in einem entschiednen Vorstoß Luft machte. Darum wandte sich<lb/> unes die Entrüstung der Künstlerschaft, zunächst der Münchner, die sich schon<lb/> Stücks wegen zur ersten Äußerung berufen glaubte, an die Adresse Wallots,<lb/> und Wallot war auch das Ziel der spätern Kundgebungen der Dresdner<lb/> Künstler, des Berliner Architektenvereins, der Vereinigung Berliner Architekten<lb/> und der neu begründeten Berliner Sezession, die flugs die Gelegenheit benutzte,<lb/> von sich reden zu machen. Mußte es schon bedenklich stimmen, daß bei diesen<lb/> Kundgebungen die Malereien Stücks völlig aus dem Spiele gelassen wurden,<lb/> so war die Thatsache noch auffälliger, daß sich andre große künstlerische Körper¬<lb/> schaften, wie der Verein Berliner Künstler, die Düsseldorfer Vereine, die deutsche<lb/> Kunstgenossenschaft u. a. in. von der Demonstration zu Gunsten Wallots, die<lb/> doch zugleich eine für Stuck gewesen wäre, sern hielten. Man hatte offenbar<lb/> in den Kreisen der Maler das Gefühl, daß man die Malereien Stücks zunächst<lb/> sehen müßte, bevor man sich zu ihren Gunsten erklären könnte, da außerhalb<lb/> Münchens der Glaube an die unbedingte künstlerische Unfehlbarkeit Stücks noch<lb/> nicht allgemein verbreitet ist. In München ist man freilich seit vielen Jahr¬<lb/> zehnten gewöhnt, von Zeit zu Zeit einen Kunstmonarchen auf den Thron zu<lb/> erheben, dem jedermann uneingeschränkte Bewunderung zu zollen verpflichtet<lb/> ist. Wir haben nacheinander Cornelius, Kaulbach und Piloty auf diesem Thron<lb/> gesehen. Ihnen sind W. Diez und L. Löfftz als Führer einer neuen Schule<lb/> gefolgt. Aber sie sind bald von Fritz von Abbe, Albert Keller und Ludwig<lb/> Dill entthront worden, und jetzt sitzt Stuck auf dem Throne, der freilich<lb/> schon von neuen Bewerbern wie Max Slevogt und Louis Corinth arg um¬<lb/> drängt wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_2209" next="#ID_2210"> In dem skeptischen Berlin hat dagegen der Autoritätsglaube einen schlechten<lb/> Boden. Man wollte nach der bekannten Berliner Redensart erst abwarten<lb/> und dann Thee kochen, und dabei hat sich einmal wieder gezeigt, daß<lb/> abwartende Vorsicht besser als blindwütige Tapferkeit ist. Schon in der Ver¬<lb/> einigung der Berliner Architekten war, als über eine an Wallot zu richtende<lb/> Adresse beraten wurde, von einigen Mitgliedern, die den im Reichstagsgebüude<lb/> angebrachten Teil der Stuckschen Malereien gesehen hatten, davor gewarnt<lb/> worden, in der Kundgebung an Wallot zu diesen Malereien irgendwie Stellung<lb/> zu nehmen. Einem besonnenen Urteil müßten sie in der That anfechtbar er¬<lb/> scheinen. Dabei blieb es zunächst. Zu einer eingehenden, ruhigen Kritik</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0654]
Franz Stücks Malereien für das deutsche Reichstagsgebäude
und daneben noch den Bildhauer Hildebrand streifte, der ein verfehltes, durch¬
aus unzweckmäßiges Modell für eine Stimmurne eingereicht hatte, fühlte doch
die entrüstete Künstlerschaft mit richtigem Instinkt aus den Schlußwendungen
seiner Rede heraus, daß er zwar auf den Sack geschlagen, aber den Esel ge¬
meint hatte. Die Unzufriedenheit der Reichstagsmehrheit richtete sich in der
That gegen Wallot, der mit der ihm übertragnen Ausschmückung der innern
Räume eine von Jahr zu Jahr steigende Mißstimmung hervorgerufen hatte,
die sich einmal in einem entschiednen Vorstoß Luft machte. Darum wandte sich
unes die Entrüstung der Künstlerschaft, zunächst der Münchner, die sich schon
Stücks wegen zur ersten Äußerung berufen glaubte, an die Adresse Wallots,
und Wallot war auch das Ziel der spätern Kundgebungen der Dresdner
Künstler, des Berliner Architektenvereins, der Vereinigung Berliner Architekten
und der neu begründeten Berliner Sezession, die flugs die Gelegenheit benutzte,
von sich reden zu machen. Mußte es schon bedenklich stimmen, daß bei diesen
Kundgebungen die Malereien Stücks völlig aus dem Spiele gelassen wurden,
so war die Thatsache noch auffälliger, daß sich andre große künstlerische Körper¬
schaften, wie der Verein Berliner Künstler, die Düsseldorfer Vereine, die deutsche
Kunstgenossenschaft u. a. in. von der Demonstration zu Gunsten Wallots, die
doch zugleich eine für Stuck gewesen wäre, sern hielten. Man hatte offenbar
in den Kreisen der Maler das Gefühl, daß man die Malereien Stücks zunächst
sehen müßte, bevor man sich zu ihren Gunsten erklären könnte, da außerhalb
Münchens der Glaube an die unbedingte künstlerische Unfehlbarkeit Stücks noch
nicht allgemein verbreitet ist. In München ist man freilich seit vielen Jahr¬
zehnten gewöhnt, von Zeit zu Zeit einen Kunstmonarchen auf den Thron zu
erheben, dem jedermann uneingeschränkte Bewunderung zu zollen verpflichtet
ist. Wir haben nacheinander Cornelius, Kaulbach und Piloty auf diesem Thron
gesehen. Ihnen sind W. Diez und L. Löfftz als Führer einer neuen Schule
gefolgt. Aber sie sind bald von Fritz von Abbe, Albert Keller und Ludwig
Dill entthront worden, und jetzt sitzt Stuck auf dem Throne, der freilich
schon von neuen Bewerbern wie Max Slevogt und Louis Corinth arg um¬
drängt wird.
In dem skeptischen Berlin hat dagegen der Autoritätsglaube einen schlechten
Boden. Man wollte nach der bekannten Berliner Redensart erst abwarten
und dann Thee kochen, und dabei hat sich einmal wieder gezeigt, daß
abwartende Vorsicht besser als blindwütige Tapferkeit ist. Schon in der Ver¬
einigung der Berliner Architekten war, als über eine an Wallot zu richtende
Adresse beraten wurde, von einigen Mitgliedern, die den im Reichstagsgebüude
angebrachten Teil der Stuckschen Malereien gesehen hatten, davor gewarnt
worden, in der Kundgebung an Wallot zu diesen Malereien irgendwie Stellung
zu nehmen. Einem besonnenen Urteil müßten sie in der That anfechtbar er¬
scheinen. Dabei blieb es zunächst. Zu einer eingehenden, ruhigen Kritik
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |