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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Dekorative Kunst

erlerntes, wenn sie es nicht ganz verschmähen, wie die Modernsten. Das
Hoffmannsche Werk ist so recht geeignet, uns zu lehren, was wir an den
Franzosen zu bewundern haben, und was nicht. Wir finden hier fast überall
bei völligem Leben die beherrschende Form, und die Übertreibungen ihrer ex¬
tremen Richtungen sind von dieser kleinen Gattung ganz ausgeschlossen. Der
Pan machte uns zuerst mit den französischen Medaillen und Plaquetten be¬
kannt, allmählich trifft man einzelne Stücke in unsern Museen, aber eine An¬
schauung, wie sie dieses Werk giebt, hat man bis jetzt nicht annähernd ge¬
winnen können. Man lernt unglaublich viel daraus. Über jede einzelne dieser
Tafeln ließe sich ein besondres kleines Kapitel schreiben. Vor allem sollten
sie unsern graphischen Kunstwerkstätten unentbehrlich sein. Möchten in¬
sonderheit die Plakatgeister, die von da in die Welt hinausschwärmen, etwas
von dieser heilsamen Medizin in sich aufnehmen! Was uns da geboten wird,
ist wirklich "Stil," und wir historisch gestimmten Leute sichern uns das Recht,
diesen Stil auch dekorativ zu nennen, weil wir ihn so empfinden.

Von der Förderung, die die zeichnende Studie und ihre verschiednen Ver¬
vielfältigungsarten durch die neuere Richtung der Malerei erfahren haben,
giebt der mehrfach angezogne vierte Jahrgang des Pan in seinen Illustrationen
schöne Beispiele. Namentlich ist aber in dieser Hinsicht die von der Wiener
"Gesellschaft für vervielfältigende Kunst" herausgegebne Zeitschrift: Die
Graphischen Künste mit Auszeichnung zu nennen. Von dem zweiund¬
zwanzigsten Jahrgang bringt das erste Heft vorzüglich hergestellte Proben aus
dem Werke eines ungemein vielseitigen Franzosen, Eugene Grassets, mit Text
von William Ritter, das zweite mit Text von H. W. Singer, ist einem her¬
vorragenden Graphiker romanischer Abstammung, dem in London lebenden
Alphonse Legros, und einigen allerdings weniger bedeutenden englischen Ra¬
dierern gewidmet. Der erste Teil der zu dieser Zeitschrift gehörenden "Jahres¬
mappe" enthält sechs gewichtige Blätter größten Formats, farbige und schwarz¬
weiße Lithographien und Radierungen, unter diesen eine feine Ansicht von
Mainz von Peter Halm. -- Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst hat
noch aus ihren reichen Beständen an Stichen und Radierungen einen "Haus¬
schatz moderner Kunst" in zwanzig Lieferungen zu fünf Blättern zusammen¬
gestellt. Die bis jetzt erschienenen siebzehn Lieferungen enthalten neben den
Bildern der guten ältern Maler auch sehr viele von denen, die jetzt im
Vordergrunde des Interesses stehn: Menzel, Böcklin, Abbe, Liebermann usw.,
die technische Herstellung der Blätter ist, was sich bei der Leitung des Unter¬
nehmens eigentlich von selbst versteht, vortrefflich.

Und nun reihe sich hier noch zum Schluß eine neue Wiener "Sezession,"
das Ver Sacrum mit seiner "Zeitschrift der Vereinigung bildender Künstler
Österreichs" an, die seit dem laufenden zweiten Jahrgang bei E. A. Seemann
in Leipzig erscheint. Umschlag, Format und Ausstattung sind originell, modern,


Dekorative Kunst

erlerntes, wenn sie es nicht ganz verschmähen, wie die Modernsten. Das
Hoffmannsche Werk ist so recht geeignet, uns zu lehren, was wir an den
Franzosen zu bewundern haben, und was nicht. Wir finden hier fast überall
bei völligem Leben die beherrschende Form, und die Übertreibungen ihrer ex¬
tremen Richtungen sind von dieser kleinen Gattung ganz ausgeschlossen. Der
Pan machte uns zuerst mit den französischen Medaillen und Plaquetten be¬
kannt, allmählich trifft man einzelne Stücke in unsern Museen, aber eine An¬
schauung, wie sie dieses Werk giebt, hat man bis jetzt nicht annähernd ge¬
winnen können. Man lernt unglaublich viel daraus. Über jede einzelne dieser
Tafeln ließe sich ein besondres kleines Kapitel schreiben. Vor allem sollten
sie unsern graphischen Kunstwerkstätten unentbehrlich sein. Möchten in¬
sonderheit die Plakatgeister, die von da in die Welt hinausschwärmen, etwas
von dieser heilsamen Medizin in sich aufnehmen! Was uns da geboten wird,
ist wirklich „Stil," und wir historisch gestimmten Leute sichern uns das Recht,
diesen Stil auch dekorativ zu nennen, weil wir ihn so empfinden.

Von der Förderung, die die zeichnende Studie und ihre verschiednen Ver¬
vielfältigungsarten durch die neuere Richtung der Malerei erfahren haben,
giebt der mehrfach angezogne vierte Jahrgang des Pan in seinen Illustrationen
schöne Beispiele. Namentlich ist aber in dieser Hinsicht die von der Wiener
„Gesellschaft für vervielfältigende Kunst" herausgegebne Zeitschrift: Die
Graphischen Künste mit Auszeichnung zu nennen. Von dem zweiund¬
zwanzigsten Jahrgang bringt das erste Heft vorzüglich hergestellte Proben aus
dem Werke eines ungemein vielseitigen Franzosen, Eugene Grassets, mit Text
von William Ritter, das zweite mit Text von H. W. Singer, ist einem her¬
vorragenden Graphiker romanischer Abstammung, dem in London lebenden
Alphonse Legros, und einigen allerdings weniger bedeutenden englischen Ra¬
dierern gewidmet. Der erste Teil der zu dieser Zeitschrift gehörenden „Jahres¬
mappe" enthält sechs gewichtige Blätter größten Formats, farbige und schwarz¬
weiße Lithographien und Radierungen, unter diesen eine feine Ansicht von
Mainz von Peter Halm. — Die Gesellschaft für vervielfältigende Kunst hat
noch aus ihren reichen Beständen an Stichen und Radierungen einen „Haus¬
schatz moderner Kunst" in zwanzig Lieferungen zu fünf Blättern zusammen¬
gestellt. Die bis jetzt erschienenen siebzehn Lieferungen enthalten neben den
Bildern der guten ältern Maler auch sehr viele von denen, die jetzt im
Vordergrunde des Interesses stehn: Menzel, Böcklin, Abbe, Liebermann usw.,
die technische Herstellung der Blätter ist, was sich bei der Leitung des Unter¬
nehmens eigentlich von selbst versteht, vortrefflich.

Und nun reihe sich hier noch zum Schluß eine neue Wiener „Sezession,"
das Ver Sacrum mit seiner „Zeitschrift der Vereinigung bildender Künstler
Österreichs" an, die seit dem laufenden zweiten Jahrgang bei E. A. Seemann
in Leipzig erscheint. Umschlag, Format und Ausstattung sind originell, modern,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/652>, abgerufen am 28.09.2024.