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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Deutschlands Lxportbedürfnis

reguliert uns gleichfalls mit einem neuen "ökonomischen Gesetze" in dieser Frage,
das folgendermaßen lautet: "Die Übersättigung wirtschaftlich hoch entwickelter
Länder mit Kapitalien, welche diese in steigendem Maße dazu führt, Kapital¬
anlagen im Auslande zu machen, hat zur Folge, daß diese Länder den rela¬
tiven Umfang ihrer Warenexporte im Verhältnis zur Gesamtproduktion und
nach Erreichung eines gewissen Sättigungszustands sogar die absolute Höhe
der Exporte einschränken können, ohne dadurch auf zunehmende Zufuhr von
Bedarfsgegenständen für ihre Volkswirtschaft verzichten zu müssen." Das kann
natürlich ganz ebenso wie das Sombartsche Gesetz von der sinkenden Export¬
quote im Sinne der Erklärung unsers Exports für eine quMtitö neAli^öiMs
ausgebeutet werden, obgleich wir überzeugt sind, daß Herr von Halle ebenso
energisch wie Sombart dagegen protestieren würde, es so gemeint zu haben.
Wir wollen den Schulwert des Halleschen Gesetzes gar nicht untersuchen, in
Bezug auf die praktische Entwicklung des deutscheu Wirtschaftslebens bisher
und in der nächsten Zukunft angewandt ist auch ihm keine Giltigkeit, keine
Berechtigung zuzusprechen.

Herr von Halle ist zu seinem Gesetz angesichts des verkümmerten Exports
bei zunehmender Produktion in Deutschland durch folgende dem Gebiet der
Handelsbilanz angehörende Betrachtungen gelangt: Wir wüßten hente, daß die
internationale Zahlungsbilanz neben den Warenumsätzen auch noch eine Reihe
andrer Konter aufweise, als da sind Einnahmen und Ausgaben des Fracht-
Verkehrs und des internationalen Versicherungsgeschäfts, Erträgnisse im Aus¬
lande angelegter Kapitalien, d. h. Staatsanleihen, Aktien und Obligationen
von gewerblichen Unternehmungen, Kredite und Bankkapitalien, anderweitige
Kapitalien in kaufmännischen und gewerblichen Unternehmungen, Erträge von
Pflanzungen, Faktoreien und Grundbesitz, schließlich durch den Reiseverkehr be¬
wegte Summen. Wie sich diese Auslandskonten von Jahr zu Jahr gestalteten,
sei heute überaus schwierig oder auch unmöglich festzustellen, doch lasse sich
im allgemeinen sagen, daß, wenn auch die Warenbilanz, das ist die Handels¬
bilanz im engern Sinne, ungünstig sei, dennoch die gesamte Zahlungsbilanz
für die betreffenden Länder im letzten Menschenalter "günstig gewesen sein
muß" und so ihren wirtschaftlichen Aufschwung gefördert habe. Wenn das
soeben mitgeteilte "ökonomische Gesetz" nicht gelte, wäre es unerklärlich, daß
die übereinstimmenden Berichte aus England einerseits eine vielleicht schon eher
zurückgehende als auch nur stagnierende Tendenz der Exporte meldeten, und
andrerseits sowohl zunehmende Importe, wie eine in den meisten Zweigen
überaus blühende Industrie verzeichneten. Deutschland sei mit seinen aus¬
ländischen Kapitalanlagen "noch nicht so weit fortgeschritten wie England,"
aber man könne doch wohl jährlich 700 Millionen Mark als Einnahmen aus
fremden Effekten rechnen. Die Einnahmen aus den Frachten der Seeschiffahrt
deutscher Reeber habe Wörmann 1897 auf 200 Millionen geschätzt. An
deutschen Kapitalien arbeiteten außer den gedachten Effekten außerhalb Europas


Deutschlands Lxportbedürfnis

reguliert uns gleichfalls mit einem neuen „ökonomischen Gesetze" in dieser Frage,
das folgendermaßen lautet: „Die Übersättigung wirtschaftlich hoch entwickelter
Länder mit Kapitalien, welche diese in steigendem Maße dazu führt, Kapital¬
anlagen im Auslande zu machen, hat zur Folge, daß diese Länder den rela¬
tiven Umfang ihrer Warenexporte im Verhältnis zur Gesamtproduktion und
nach Erreichung eines gewissen Sättigungszustands sogar die absolute Höhe
der Exporte einschränken können, ohne dadurch auf zunehmende Zufuhr von
Bedarfsgegenständen für ihre Volkswirtschaft verzichten zu müssen." Das kann
natürlich ganz ebenso wie das Sombartsche Gesetz von der sinkenden Export¬
quote im Sinne der Erklärung unsers Exports für eine quMtitö neAli^öiMs
ausgebeutet werden, obgleich wir überzeugt sind, daß Herr von Halle ebenso
energisch wie Sombart dagegen protestieren würde, es so gemeint zu haben.
Wir wollen den Schulwert des Halleschen Gesetzes gar nicht untersuchen, in
Bezug auf die praktische Entwicklung des deutscheu Wirtschaftslebens bisher
und in der nächsten Zukunft angewandt ist auch ihm keine Giltigkeit, keine
Berechtigung zuzusprechen.

Herr von Halle ist zu seinem Gesetz angesichts des verkümmerten Exports
bei zunehmender Produktion in Deutschland durch folgende dem Gebiet der
Handelsbilanz angehörende Betrachtungen gelangt: Wir wüßten hente, daß die
internationale Zahlungsbilanz neben den Warenumsätzen auch noch eine Reihe
andrer Konter aufweise, als da sind Einnahmen und Ausgaben des Fracht-
Verkehrs und des internationalen Versicherungsgeschäfts, Erträgnisse im Aus¬
lande angelegter Kapitalien, d. h. Staatsanleihen, Aktien und Obligationen
von gewerblichen Unternehmungen, Kredite und Bankkapitalien, anderweitige
Kapitalien in kaufmännischen und gewerblichen Unternehmungen, Erträge von
Pflanzungen, Faktoreien und Grundbesitz, schließlich durch den Reiseverkehr be¬
wegte Summen. Wie sich diese Auslandskonten von Jahr zu Jahr gestalteten,
sei heute überaus schwierig oder auch unmöglich festzustellen, doch lasse sich
im allgemeinen sagen, daß, wenn auch die Warenbilanz, das ist die Handels¬
bilanz im engern Sinne, ungünstig sei, dennoch die gesamte Zahlungsbilanz
für die betreffenden Länder im letzten Menschenalter „günstig gewesen sein
muß" und so ihren wirtschaftlichen Aufschwung gefördert habe. Wenn das
soeben mitgeteilte „ökonomische Gesetz" nicht gelte, wäre es unerklärlich, daß
die übereinstimmenden Berichte aus England einerseits eine vielleicht schon eher
zurückgehende als auch nur stagnierende Tendenz der Exporte meldeten, und
andrerseits sowohl zunehmende Importe, wie eine in den meisten Zweigen
überaus blühende Industrie verzeichneten. Deutschland sei mit seinen aus¬
ländischen Kapitalanlagen „noch nicht so weit fortgeschritten wie England,"
aber man könne doch wohl jährlich 700 Millionen Mark als Einnahmen aus
fremden Effekten rechnen. Die Einnahmen aus den Frachten der Seeschiffahrt
deutscher Reeber habe Wörmann 1897 auf 200 Millionen geschätzt. An
deutschen Kapitalien arbeiteten außer den gedachten Effekten außerhalb Europas


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[0517] Deutschlands Lxportbedürfnis reguliert uns gleichfalls mit einem neuen „ökonomischen Gesetze" in dieser Frage, das folgendermaßen lautet: „Die Übersättigung wirtschaftlich hoch entwickelter Länder mit Kapitalien, welche diese in steigendem Maße dazu führt, Kapital¬ anlagen im Auslande zu machen, hat zur Folge, daß diese Länder den rela¬ tiven Umfang ihrer Warenexporte im Verhältnis zur Gesamtproduktion und nach Erreichung eines gewissen Sättigungszustands sogar die absolute Höhe der Exporte einschränken können, ohne dadurch auf zunehmende Zufuhr von Bedarfsgegenständen für ihre Volkswirtschaft verzichten zu müssen." Das kann natürlich ganz ebenso wie das Sombartsche Gesetz von der sinkenden Export¬ quote im Sinne der Erklärung unsers Exports für eine quMtitö neAli^öiMs ausgebeutet werden, obgleich wir überzeugt sind, daß Herr von Halle ebenso energisch wie Sombart dagegen protestieren würde, es so gemeint zu haben. Wir wollen den Schulwert des Halleschen Gesetzes gar nicht untersuchen, in Bezug auf die praktische Entwicklung des deutscheu Wirtschaftslebens bisher und in der nächsten Zukunft angewandt ist auch ihm keine Giltigkeit, keine Berechtigung zuzusprechen. Herr von Halle ist zu seinem Gesetz angesichts des verkümmerten Exports bei zunehmender Produktion in Deutschland durch folgende dem Gebiet der Handelsbilanz angehörende Betrachtungen gelangt: Wir wüßten hente, daß die internationale Zahlungsbilanz neben den Warenumsätzen auch noch eine Reihe andrer Konter aufweise, als da sind Einnahmen und Ausgaben des Fracht- Verkehrs und des internationalen Versicherungsgeschäfts, Erträgnisse im Aus¬ lande angelegter Kapitalien, d. h. Staatsanleihen, Aktien und Obligationen von gewerblichen Unternehmungen, Kredite und Bankkapitalien, anderweitige Kapitalien in kaufmännischen und gewerblichen Unternehmungen, Erträge von Pflanzungen, Faktoreien und Grundbesitz, schließlich durch den Reiseverkehr be¬ wegte Summen. Wie sich diese Auslandskonten von Jahr zu Jahr gestalteten, sei heute überaus schwierig oder auch unmöglich festzustellen, doch lasse sich im allgemeinen sagen, daß, wenn auch die Warenbilanz, das ist die Handels¬ bilanz im engern Sinne, ungünstig sei, dennoch die gesamte Zahlungsbilanz für die betreffenden Länder im letzten Menschenalter „günstig gewesen sein muß" und so ihren wirtschaftlichen Aufschwung gefördert habe. Wenn das soeben mitgeteilte „ökonomische Gesetz" nicht gelte, wäre es unerklärlich, daß die übereinstimmenden Berichte aus England einerseits eine vielleicht schon eher zurückgehende als auch nur stagnierende Tendenz der Exporte meldeten, und andrerseits sowohl zunehmende Importe, wie eine in den meisten Zweigen überaus blühende Industrie verzeichneten. Deutschland sei mit seinen aus¬ ländischen Kapitalanlagen „noch nicht so weit fortgeschritten wie England," aber man könne doch wohl jährlich 700 Millionen Mark als Einnahmen aus fremden Effekten rechnen. Die Einnahmen aus den Frachten der Seeschiffahrt deutscher Reeber habe Wörmann 1897 auf 200 Millionen geschätzt. An deutschen Kapitalien arbeiteten außer den gedachten Effekten außerhalb Europas

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/517>, abgerufen am 28.09.2024.