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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Hein Menk

Töchter der Natur und ihrer greif- und blumenreichen Wiesen! Ihr hättet die
leichtsinnigen Kinder des sterblichen Menschengeschlechts gern gewarnt, aber es war
gerade kein geeignetes Medium zur Hand. Es ist kein Heckeuzauu, was die Ir¬
dischen nud Überirdischen trennt. Die Mauerpforte dreht sich nur in einer Rich¬
tung, sie erlaubt nur ein Heraus, kein Hinein. Mit Entsetzen hattet ihr schon
längst den Wirt des Hofes, Harm Kühl, gesehen, wie er auf seiner beschwerlichen
Reise durch die Dachfirst des Kuhhnuses, die nur ein Kriechen gestattet, nahte.

Die geküßte Rieke hatte, nachdem sie ihre Lippen frei bekommen hatte, gemeint,
so was gelte nicht, das sei nicht abgemacht. Aber mit diesem Protest stimmte nicht,
daß sie das Empfangue mit Feuer zurückgab, sodaß es dem armen Hein mit an¬
genehmer Verwunderung bis zum Herzen ging. Aber das Nachdenken darüber,
was die Kleine damit wohl sagen wolle, verschob er auf einen günstigern Augen¬
blick. Er hatte dazu einen Grund, der sich ihm mit empfindlicher Notwendigkeit
aufdrängte: er fühlte nämlich eine kräftig zugreifende Hand an seinem Ohrzipfel.

Mau könnte erwarten, daß nunmehr eine schreckliche Szene erfolgt sei. Nun
ist es wahr, Hein hatte angenehmere Lebenslagen in seiner Erinnerung, als die
war, worin er sich sehen sollte. Wer aber annimmt, daß es die Weise von Hura
Kühl war, zu lärmen und zu toben, auf seine liederlichen Töchter zu fluchen, der
ist in die Wesenseigenschciften des Besitzers vom Holm uoch nicht genügend einge¬
weiht. Er sah ein, daß er es hier mit Dummeujungenstreicheu und Kindereselcieu
zu thun habe, die mau nicht wichtig behandeln dürfe. Heftiges Aufbrausen war
ihm überhaupt nicht eigen, er hielt es mehr mit einer ernsten Haltung, die den
Eindruck des Augenblicks überdauere. Den Jungen hatte er sich sofort beim Ohr
genommen und zwar mit einer Innigkeit, die für die Dauer dieser Behandlung
sprach. Aus seinem Gesicht leuchtete so etwas, wie Zufriedenheit mit dem Schöpfer,
weil er bei deu Ohrzipfelu der Dieustjungeu auf eine angemessene Länge Bedacht
zu nehmen Pflege. Mit Vergnügen erinnerte er sich in diesem Augenblick an den
umfangreichen Ohrlappen von Gorg Bünz und erfreute sich zugleich daran, was
er jetzt zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand hielt. Denn auch
dieser bot genügend Stoff für eindringliche Mahnung und war ausgezeichnet durch
die Sammetweichheit blonder Jugend. Woran -- so mußte er denken -- sollte
auch ein Bauer sonst ungezogue Jungen, die um liebsten mit affenartiger Be¬
hendigkeit in die Unterwelt schlüpfen, halten, wenn nicht am Ohr?

Seine Töchter waren vor Scham und Furcht vergangen. Zu ihnen sagte er
nur das eine: Weg mit euch, erwartet mich bei der Mutter -- was zur Folge
hatte, daß der bekannte Schacht sie lautlos verschlang.

Nun sah Hein sich seinem Bauern allein gegenüber, und der Ernst seiner Lage
schien ihm dadurch wesentlich erhöht. Harm Kühl war von der langen Bodenreise
mit Staub und Spinngewebe bedeckt. Hein aber sah nicht allein dies und seinen
roten erregten Kopf, er fühlte nicht nurdie strafende Hand, sondern er wußte in
einer Art somnambuler Vision auch, wie er selbst aussah. Seine kleine Mauns-
figur, die sich in deu blanken, blauen Leinenhosen stocksteif reckte und streckte, so,
wie es dem Herrn seines Ohrs gefiel, sein eignes, in diesem Augenblick nichts
weniger als kluges Gesicht standen deutlich vor seinem innern Auge. Seine Arme¬
sündermiene, worin jede Linie ein Bußgebet sprach, fühlte er gleichfalls. Er
wußte, daß aus seinen Augen eindringlich die Bitte um Milde und Erbarmen
sprach, und daß darin das Zugeständnis zu lesen war, er dürfe sich nicht über Un¬
gerechtigkeit beklagen, wenn man ihn noch heute abend ans dem großen Küchenherde
vom Holm röstete.


Grenzboten II 1899 l>:!
Hein Menk

Töchter der Natur und ihrer greif- und blumenreichen Wiesen! Ihr hättet die
leichtsinnigen Kinder des sterblichen Menschengeschlechts gern gewarnt, aber es war
gerade kein geeignetes Medium zur Hand. Es ist kein Heckeuzauu, was die Ir¬
dischen nud Überirdischen trennt. Die Mauerpforte dreht sich nur in einer Rich¬
tung, sie erlaubt nur ein Heraus, kein Hinein. Mit Entsetzen hattet ihr schon
längst den Wirt des Hofes, Harm Kühl, gesehen, wie er auf seiner beschwerlichen
Reise durch die Dachfirst des Kuhhnuses, die nur ein Kriechen gestattet, nahte.

Die geküßte Rieke hatte, nachdem sie ihre Lippen frei bekommen hatte, gemeint,
so was gelte nicht, das sei nicht abgemacht. Aber mit diesem Protest stimmte nicht,
daß sie das Empfangue mit Feuer zurückgab, sodaß es dem armen Hein mit an¬
genehmer Verwunderung bis zum Herzen ging. Aber das Nachdenken darüber,
was die Kleine damit wohl sagen wolle, verschob er auf einen günstigern Augen¬
blick. Er hatte dazu einen Grund, der sich ihm mit empfindlicher Notwendigkeit
aufdrängte: er fühlte nämlich eine kräftig zugreifende Hand an seinem Ohrzipfel.

Mau könnte erwarten, daß nunmehr eine schreckliche Szene erfolgt sei. Nun
ist es wahr, Hein hatte angenehmere Lebenslagen in seiner Erinnerung, als die
war, worin er sich sehen sollte. Wer aber annimmt, daß es die Weise von Hura
Kühl war, zu lärmen und zu toben, auf seine liederlichen Töchter zu fluchen, der
ist in die Wesenseigenschciften des Besitzers vom Holm uoch nicht genügend einge¬
weiht. Er sah ein, daß er es hier mit Dummeujungenstreicheu und Kindereselcieu
zu thun habe, die mau nicht wichtig behandeln dürfe. Heftiges Aufbrausen war
ihm überhaupt nicht eigen, er hielt es mehr mit einer ernsten Haltung, die den
Eindruck des Augenblicks überdauere. Den Jungen hatte er sich sofort beim Ohr
genommen und zwar mit einer Innigkeit, die für die Dauer dieser Behandlung
sprach. Aus seinem Gesicht leuchtete so etwas, wie Zufriedenheit mit dem Schöpfer,
weil er bei deu Ohrzipfelu der Dieustjungeu auf eine angemessene Länge Bedacht
zu nehmen Pflege. Mit Vergnügen erinnerte er sich in diesem Augenblick an den
umfangreichen Ohrlappen von Gorg Bünz und erfreute sich zugleich daran, was
er jetzt zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand hielt. Denn auch
dieser bot genügend Stoff für eindringliche Mahnung und war ausgezeichnet durch
die Sammetweichheit blonder Jugend. Woran — so mußte er denken — sollte
auch ein Bauer sonst ungezogue Jungen, die um liebsten mit affenartiger Be¬
hendigkeit in die Unterwelt schlüpfen, halten, wenn nicht am Ohr?

Seine Töchter waren vor Scham und Furcht vergangen. Zu ihnen sagte er
nur das eine: Weg mit euch, erwartet mich bei der Mutter — was zur Folge
hatte, daß der bekannte Schacht sie lautlos verschlang.

Nun sah Hein sich seinem Bauern allein gegenüber, und der Ernst seiner Lage
schien ihm dadurch wesentlich erhöht. Harm Kühl war von der langen Bodenreise
mit Staub und Spinngewebe bedeckt. Hein aber sah nicht allein dies und seinen
roten erregten Kopf, er fühlte nicht nurdie strafende Hand, sondern er wußte in
einer Art somnambuler Vision auch, wie er selbst aussah. Seine kleine Mauns-
figur, die sich in deu blanken, blauen Leinenhosen stocksteif reckte und streckte, so,
wie es dem Herrn seines Ohrs gefiel, sein eignes, in diesem Augenblick nichts
weniger als kluges Gesicht standen deutlich vor seinem innern Auge. Seine Arme¬
sündermiene, worin jede Linie ein Bußgebet sprach, fühlte er gleichfalls. Er
wußte, daß aus seinen Augen eindringlich die Bitte um Milde und Erbarmen
sprach, und daß darin das Zugeständnis zu lesen war, er dürfe sich nicht über Un¬
gerechtigkeit beklagen, wenn man ihn noch heute abend ans dem großen Küchenherde
vom Holm röstete.


Grenzboten II 1899 l>:!
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[0505] Hein Menk Töchter der Natur und ihrer greif- und blumenreichen Wiesen! Ihr hättet die leichtsinnigen Kinder des sterblichen Menschengeschlechts gern gewarnt, aber es war gerade kein geeignetes Medium zur Hand. Es ist kein Heckeuzauu, was die Ir¬ dischen nud Überirdischen trennt. Die Mauerpforte dreht sich nur in einer Rich¬ tung, sie erlaubt nur ein Heraus, kein Hinein. Mit Entsetzen hattet ihr schon längst den Wirt des Hofes, Harm Kühl, gesehen, wie er auf seiner beschwerlichen Reise durch die Dachfirst des Kuhhnuses, die nur ein Kriechen gestattet, nahte. Die geküßte Rieke hatte, nachdem sie ihre Lippen frei bekommen hatte, gemeint, so was gelte nicht, das sei nicht abgemacht. Aber mit diesem Protest stimmte nicht, daß sie das Empfangue mit Feuer zurückgab, sodaß es dem armen Hein mit an¬ genehmer Verwunderung bis zum Herzen ging. Aber das Nachdenken darüber, was die Kleine damit wohl sagen wolle, verschob er auf einen günstigern Augen¬ blick. Er hatte dazu einen Grund, der sich ihm mit empfindlicher Notwendigkeit aufdrängte: er fühlte nämlich eine kräftig zugreifende Hand an seinem Ohrzipfel. Mau könnte erwarten, daß nunmehr eine schreckliche Szene erfolgt sei. Nun ist es wahr, Hein hatte angenehmere Lebenslagen in seiner Erinnerung, als die war, worin er sich sehen sollte. Wer aber annimmt, daß es die Weise von Hura Kühl war, zu lärmen und zu toben, auf seine liederlichen Töchter zu fluchen, der ist in die Wesenseigenschciften des Besitzers vom Holm uoch nicht genügend einge¬ weiht. Er sah ein, daß er es hier mit Dummeujungenstreicheu und Kindereselcieu zu thun habe, die mau nicht wichtig behandeln dürfe. Heftiges Aufbrausen war ihm überhaupt nicht eigen, er hielt es mehr mit einer ernsten Haltung, die den Eindruck des Augenblicks überdauere. Den Jungen hatte er sich sofort beim Ohr genommen und zwar mit einer Innigkeit, die für die Dauer dieser Behandlung sprach. Aus seinem Gesicht leuchtete so etwas, wie Zufriedenheit mit dem Schöpfer, weil er bei deu Ohrzipfelu der Dieustjungeu auf eine angemessene Länge Bedacht zu nehmen Pflege. Mit Vergnügen erinnerte er sich in diesem Augenblick an den umfangreichen Ohrlappen von Gorg Bünz und erfreute sich zugleich daran, was er jetzt zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand hielt. Denn auch dieser bot genügend Stoff für eindringliche Mahnung und war ausgezeichnet durch die Sammetweichheit blonder Jugend. Woran — so mußte er denken — sollte auch ein Bauer sonst ungezogue Jungen, die um liebsten mit affenartiger Be¬ hendigkeit in die Unterwelt schlüpfen, halten, wenn nicht am Ohr? Seine Töchter waren vor Scham und Furcht vergangen. Zu ihnen sagte er nur das eine: Weg mit euch, erwartet mich bei der Mutter — was zur Folge hatte, daß der bekannte Schacht sie lautlos verschlang. Nun sah Hein sich seinem Bauern allein gegenüber, und der Ernst seiner Lage schien ihm dadurch wesentlich erhöht. Harm Kühl war von der langen Bodenreise mit Staub und Spinngewebe bedeckt. Hein aber sah nicht allein dies und seinen roten erregten Kopf, er fühlte nicht nurdie strafende Hand, sondern er wußte in einer Art somnambuler Vision auch, wie er selbst aussah. Seine kleine Mauns- figur, die sich in deu blanken, blauen Leinenhosen stocksteif reckte und streckte, so, wie es dem Herrn seines Ohrs gefiel, sein eignes, in diesem Augenblick nichts weniger als kluges Gesicht standen deutlich vor seinem innern Auge. Seine Arme¬ sündermiene, worin jede Linie ein Bußgebet sprach, fühlte er gleichfalls. Er wußte, daß aus seinen Augen eindringlich die Bitte um Milde und Erbarmen sprach, und daß darin das Zugeständnis zu lesen war, er dürfe sich nicht über Un¬ gerechtigkeit beklagen, wenn man ihn noch heute abend ans dem großen Küchenherde vom Holm röstete. Grenzboten II 1899 l>:!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/505>, abgerufen am 28.09.2024.