Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.Heinrich Abeken mung auf eine liberale "neue Ära," und zuerst beim italienischen Kriege 1859 Schon sah er auch in Deutschland das Nationalgefühl erwachen, er feierte (Schluß folgt) Heinrich Abeken mung auf eine liberale „neue Ära," und zuerst beim italienischen Kriege 1859 Schon sah er auch in Deutschland das Nationalgefühl erwachen, er feierte (Schluß folgt) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0479" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230911"/> <fw type="header" place="top"> Heinrich Abeken</fw><lb/> <p xml:id="ID_1619" prev="#ID_1618"> mung auf eine liberale „neue Ära," und zuerst beim italienischen Kriege 1859<lb/> zeigte Preußen eine selbständige Haltung. Lebhaft stimmte ihr Abeken zu; er<lb/> wollte keine Teilnahme am Kriege für Österreich, denn er hegte, sehr ab¬<lb/> weichend von der konservativen Partei, der er sonst nahe stand, lebendige<lb/> Sympathien für die nationalen Bestrebungen der Italiener gegen „die syste¬<lb/> matische Knechtung durch Österreich," weil er sie kannte und liebte. „Es ist<lb/> ein eitles und albernes Gerede, schreibt er am 6. August, daß die Italiener<lb/> nicht fähig wären, ein gesundes und vernünftiges Gemeinwesen zu bilden.<lb/> Sie haben eben so viel (und vielleicht mehr) politischen Sinn als Deutsche<lb/> und Franzosen, aber man erlaubt ihnen ja niemals, ihre Fähigkeiten zu zeigen<lb/> und sich selbständig zu entwickeln"; und als die großen Annexionen trotz des<lb/> Züricher Friedens kamen, am 19. August 1860: „Mit den kleinen Herrschaften<lb/> in Italien, welche die Flut verschlingt, habe ich gar keine Sympathie und kein<lb/> Mitleid," Selbst Garibaldis, dessen verfrühter Zug auf Rom 1862 bei Aspro-<lb/> monte scheiterte, wollte er „immer mit Wehmut und Liebe gedenken," denn<lb/> „unsre Ziele müssen dieselben sein" (wie in Italien), sagte er am 24. Januar<lb/> 1861, doch „auf die Art, wie es in Italien geschehen ist, geht es nun einmal<lb/> in Deutschland nicht."</p><lb/> <p xml:id="ID_1620"> Schon sah er auch in Deutschland das Nationalgefühl erwachen, er feierte<lb/> begeistert Schillers hundertjährigen Geburtstag in seiner Orasog. mit und<lb/> schrieb zuversichtlich wie ein geborner Preuße am 21. Juni 1860: „Deutsch¬<lb/> land muß uns als eine reife Frucht zufallen." Daran mitzuarbeiten war er<lb/> schon berufe». Im September 1359 war er in der Umgebung des Prinz¬<lb/> regenten in Ostende, im Juni 1860 begleitete er ihn nach Baden-Baden zur<lb/> Zusammenkunft mit Napoleon III. und war seitdem fast immer sein Reise¬<lb/> gefährte. Auch für ihn war also eine neue Zeit gekommen, und er sah die<lb/> alte Zeit um sich her versinken. Am 6. Mai 1859 war A. von Humboldt<lb/> gestorben, am 28. November 1860 verschied Bunsen in Bonn, dem er eine<lb/> Biographie voll eindringender Kenntnis und warmer Verehrung widmete („es<lb/> ist ein großes Stück aus meinem Leben mit ihm hinweggegangen"), am<lb/> 2. Januar 1861 endlich erlosch das sieche Leben Friedrich Wilhelms IV., am<lb/> 10. Januar folgte seinem König, treu bis in den Tod, Leopold von Gerlach.<lb/> Unter so erschütternden Eindrücken schrieb Abeken am 24. Januar, am Geburts¬<lb/> tage Friedrichs des Großen: „Wenn der Himmel uns einen solchen Geist<lb/> einmal wieder zum König schenken wollte!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1621"> (Schluß folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0479]
Heinrich Abeken
mung auf eine liberale „neue Ära," und zuerst beim italienischen Kriege 1859
zeigte Preußen eine selbständige Haltung. Lebhaft stimmte ihr Abeken zu; er
wollte keine Teilnahme am Kriege für Österreich, denn er hegte, sehr ab¬
weichend von der konservativen Partei, der er sonst nahe stand, lebendige
Sympathien für die nationalen Bestrebungen der Italiener gegen „die syste¬
matische Knechtung durch Österreich," weil er sie kannte und liebte. „Es ist
ein eitles und albernes Gerede, schreibt er am 6. August, daß die Italiener
nicht fähig wären, ein gesundes und vernünftiges Gemeinwesen zu bilden.
Sie haben eben so viel (und vielleicht mehr) politischen Sinn als Deutsche
und Franzosen, aber man erlaubt ihnen ja niemals, ihre Fähigkeiten zu zeigen
und sich selbständig zu entwickeln"; und als die großen Annexionen trotz des
Züricher Friedens kamen, am 19. August 1860: „Mit den kleinen Herrschaften
in Italien, welche die Flut verschlingt, habe ich gar keine Sympathie und kein
Mitleid," Selbst Garibaldis, dessen verfrühter Zug auf Rom 1862 bei Aspro-
monte scheiterte, wollte er „immer mit Wehmut und Liebe gedenken," denn
„unsre Ziele müssen dieselben sein" (wie in Italien), sagte er am 24. Januar
1861, doch „auf die Art, wie es in Italien geschehen ist, geht es nun einmal
in Deutschland nicht."
Schon sah er auch in Deutschland das Nationalgefühl erwachen, er feierte
begeistert Schillers hundertjährigen Geburtstag in seiner Orasog. mit und
schrieb zuversichtlich wie ein geborner Preuße am 21. Juni 1860: „Deutsch¬
land muß uns als eine reife Frucht zufallen." Daran mitzuarbeiten war er
schon berufe». Im September 1359 war er in der Umgebung des Prinz¬
regenten in Ostende, im Juni 1860 begleitete er ihn nach Baden-Baden zur
Zusammenkunft mit Napoleon III. und war seitdem fast immer sein Reise¬
gefährte. Auch für ihn war also eine neue Zeit gekommen, und er sah die
alte Zeit um sich her versinken. Am 6. Mai 1859 war A. von Humboldt
gestorben, am 28. November 1860 verschied Bunsen in Bonn, dem er eine
Biographie voll eindringender Kenntnis und warmer Verehrung widmete („es
ist ein großes Stück aus meinem Leben mit ihm hinweggegangen"), am
2. Januar 1861 endlich erlosch das sieche Leben Friedrich Wilhelms IV., am
10. Januar folgte seinem König, treu bis in den Tod, Leopold von Gerlach.
Unter so erschütternden Eindrücken schrieb Abeken am 24. Januar, am Geburts¬
tage Friedrichs des Großen: „Wenn der Himmel uns einen solchen Geist
einmal wieder zum König schenken wollte!"
(Schluß folgt)
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