Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.Aus den schwarzen Bergen Gegner Wuk Brcmkowitsch zum Feinde übergegangen sei und so die Schlacht Hier hielt der Doktor wieder inne, und bevor er- nach dem Tschermnizaer "Ja, klein mag dieses Felsenland sein, so schloß der Doktor, aber die ") Petar Petrowitsch Njegusch, Der Bergkranz (die Befreiung Montenegros), übersetzt von Dr. I. Kirste, Wien, 1886. ** ) Der Tribut, den die nichtmohammedanischen Unterthanen der Pforte, die Rajahs, zu
zahlen haben. Aus den schwarzen Bergen Gegner Wuk Brcmkowitsch zum Feinde übergegangen sei und so die Schlacht Hier hielt der Doktor wieder inne, und bevor er- nach dem Tschermnizaer „Ja, klein mag dieses Felsenland sein, so schloß der Doktor, aber die ") Petar Petrowitsch Njegusch, Der Bergkranz (die Befreiung Montenegros), übersetzt von Dr. I. Kirste, Wien, 1886. ** ) Der Tribut, den die nichtmohammedanischen Unterthanen der Pforte, die Rajahs, zu
zahlen haben. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230868"/> <fw type="header" place="top"> Aus den schwarzen Bergen</fw><lb/> <p xml:id="ID_1465" prev="#ID_1464"> Gegner Wuk Brcmkowitsch zum Feinde übergegangen sei und so die Schlacht<lb/> auf dem Amselfelde verloren wurde ... der alte Türkenhaß flammte wieder<lb/> auf. Hatte man nicht den Feind im eignen Lande, Brüder desselben Blutes,<lb/> aber fremden Glaubens, die es mit Türken und Steuerpächtern hielten? Vor<lb/> der Madonna an der Ikonostase der Klosterkirche zu Cetinje standen mit ge¬<lb/> weihten Kerzen in der Hand die fünf Brüder Mcirtinowitsch. Sie hatten in<lb/> Gegenwart der heiligen Jungfrau ihren Schwur, die Feinde zu vernichten, er¬<lb/> neuert. Dann stürmten sie hinaus in die Finsternis. Wo ein Türke zu finden<lb/> war, da erschienen die fünf Rächer, und wer von den Ungläubigen nicht auf<lb/> den Koran spie und das Kreuz annahm, wurde getötet. »Wer nicht mit<lb/> Wasser, der wurde mit Blut getauft«, singt der serbische Dichter. Die monte¬<lb/> negrinische Vesper endete mit der Ausrottung aller Moslems." —</p><lb/> <p xml:id="ID_1466"> Hier hielt der Doktor wieder inne, und bevor er- nach dem Tschermnizaer<lb/> griff, der seine Rede so wunderbar beflügelte, fragte er: „Und wissen Sie, wer<lb/> dieser serbische Dichter ist? Kommen Sie mit mir an das Fenster. Sehen Sie<lb/> dort den hohen Berg, der sich in Sargdeckelform so klar von der Mondnacht<lb/> abzeichnet? Es ist unser heiliger Lowtschen, zu dem wir verehrend aufschauen,<lb/> wie der Kaukasier zu seinem Kasbek und der Japaner zu seinem Fuji. Dort<lb/> oben auf der Höhe liegt in einsamer Kapelle der serbische Dichter begraben,<lb/> von dem ich eben gesprochen habe, es ist kein Geringerer als Petar II. Petro-<lb/> witsch Njegusch,*) unser Wladika, einer der Vorgänger des heutigen Fürsten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1467" next="#ID_1468"> „Ja, klein mag dieses Felsenland sein, so schloß der Doktor, aber die<lb/> Größe menschlichen Charakters und menschlicher Handlungen hängt nicht von<lb/> der Größe der Bühne ab, auf der sie vor sich gehn. Wenn Sie auf der<lb/> Akropolis von Athen stehn, so mögen Sie viele winzige Staaten des alten<lb/> Hellas mit einem Blicke überschauen, und doch blühte auf diesem kleinen<lb/> Stückchen Erde eine für alle Zeiten maßgebende Kultur. Von der Zeit Bajazets<lb/> des Wetterstrahls, der Keule des Propheten, bis zum dummen Abdul Aziz<lb/> und zum verrückten Murad V. haben sich die Tschernagorzen, wie Hellas frei¬<lb/> heitsliebende Scharen gegen die Asiaten, der Knechtschaft und des Koran der<lb/> seldschukischen Eindringlinge zu erwehren vermocht, statt des verlangten<lb/> Kharadsch^) dem türkischen Pascha die billigern Steine, statt der verlangten<lb/> schönen Mädchen ebenso viele Schweineschwänze, seinen Turban zu schmücke»,<lb/> geschickt; und wenn sie selbst kamen, zu nehmen, was man verweigert, dann<lb/> erscholl von Bergeshöhen der Kriegsruf, Felsen und Kugeln sausten herab auf<lb/> die befezteu Häupter, und mit blutigen Köpfen und ohne Kharadsch und<lb/> Mädchen wurden sie wieder heimgesandt. Venedig und Polen, wie die tapfern</p><lb/> <note xml:id="FID_89" place="foot"> ") Petar Petrowitsch Njegusch, Der Bergkranz (die Befreiung Montenegros), übersetzt<lb/> von Dr. I. Kirste, Wien, 1886.<lb/> **</note><lb/> <note xml:id="FID_90" place="foot"> ) Der Tribut, den die nichtmohammedanischen Unterthanen der Pforte, die Rajahs, zu<lb/> zahlen haben.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0436]
Aus den schwarzen Bergen
Gegner Wuk Brcmkowitsch zum Feinde übergegangen sei und so die Schlacht
auf dem Amselfelde verloren wurde ... der alte Türkenhaß flammte wieder
auf. Hatte man nicht den Feind im eignen Lande, Brüder desselben Blutes,
aber fremden Glaubens, die es mit Türken und Steuerpächtern hielten? Vor
der Madonna an der Ikonostase der Klosterkirche zu Cetinje standen mit ge¬
weihten Kerzen in der Hand die fünf Brüder Mcirtinowitsch. Sie hatten in
Gegenwart der heiligen Jungfrau ihren Schwur, die Feinde zu vernichten, er¬
neuert. Dann stürmten sie hinaus in die Finsternis. Wo ein Türke zu finden
war, da erschienen die fünf Rächer, und wer von den Ungläubigen nicht auf
den Koran spie und das Kreuz annahm, wurde getötet. »Wer nicht mit
Wasser, der wurde mit Blut getauft«, singt der serbische Dichter. Die monte¬
negrinische Vesper endete mit der Ausrottung aller Moslems." —
Hier hielt der Doktor wieder inne, und bevor er- nach dem Tschermnizaer
griff, der seine Rede so wunderbar beflügelte, fragte er: „Und wissen Sie, wer
dieser serbische Dichter ist? Kommen Sie mit mir an das Fenster. Sehen Sie
dort den hohen Berg, der sich in Sargdeckelform so klar von der Mondnacht
abzeichnet? Es ist unser heiliger Lowtschen, zu dem wir verehrend aufschauen,
wie der Kaukasier zu seinem Kasbek und der Japaner zu seinem Fuji. Dort
oben auf der Höhe liegt in einsamer Kapelle der serbische Dichter begraben,
von dem ich eben gesprochen habe, es ist kein Geringerer als Petar II. Petro-
witsch Njegusch,*) unser Wladika, einer der Vorgänger des heutigen Fürsten.
„Ja, klein mag dieses Felsenland sein, so schloß der Doktor, aber die
Größe menschlichen Charakters und menschlicher Handlungen hängt nicht von
der Größe der Bühne ab, auf der sie vor sich gehn. Wenn Sie auf der
Akropolis von Athen stehn, so mögen Sie viele winzige Staaten des alten
Hellas mit einem Blicke überschauen, und doch blühte auf diesem kleinen
Stückchen Erde eine für alle Zeiten maßgebende Kultur. Von der Zeit Bajazets
des Wetterstrahls, der Keule des Propheten, bis zum dummen Abdul Aziz
und zum verrückten Murad V. haben sich die Tschernagorzen, wie Hellas frei¬
heitsliebende Scharen gegen die Asiaten, der Knechtschaft und des Koran der
seldschukischen Eindringlinge zu erwehren vermocht, statt des verlangten
Kharadsch^) dem türkischen Pascha die billigern Steine, statt der verlangten
schönen Mädchen ebenso viele Schweineschwänze, seinen Turban zu schmücke»,
geschickt; und wenn sie selbst kamen, zu nehmen, was man verweigert, dann
erscholl von Bergeshöhen der Kriegsruf, Felsen und Kugeln sausten herab auf
die befezteu Häupter, und mit blutigen Köpfen und ohne Kharadsch und
Mädchen wurden sie wieder heimgesandt. Venedig und Polen, wie die tapfern
") Petar Petrowitsch Njegusch, Der Bergkranz (die Befreiung Montenegros), übersetzt
von Dr. I. Kirste, Wien, 1886.
**
) Der Tribut, den die nichtmohammedanischen Unterthanen der Pforte, die Rajahs, zu
zahlen haben.
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