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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Bernstein als Stoff für das Unnstzerverbe

Johann Bernhard Schwarzeburger zu Frankfurt a. M. (geb. 1672, geht. 1741)
mit seinen Söhnen eine Reiterstatue des Kurfürsten von Sachsen und Königs
von Polen, Augusts II. (1670--1733), die später in das Grüne Gewölbe nach
Dresden kam.

Das achtzehnte Jahrhundert zeichnet sich namentlich durch große Prunk¬
stücke an Möbeln aus, die ganz mit Bernstein belegt waren. Dieser Art war
der 1723 auf Befehl König Friedrich Wilhelms I. gelegentlich seines Besuchs
in Dresden als Geschenk für August den Starken angefertigte große Schrank,
der jetzt im Grünen Gewölbe zu Dresden (Ur. 88) steht, und ein ähnliches
Möbel, das Friedrich der Große an den russischen Hof nach Petersburg schickte.
Der Dresdner Schrank enthält in achtzehn Kästen eine Unzahl von kleinern
Bernsteinarbeiten; er zeigt den kostbaren Stoff in einer massenhaften Ver¬
schwendung. Geschmackvoller und zierlicher als dieses große Stück ist das im
Grünen Gewölbe stehende Schrünkchen aus dem siebzehnten Jahrhundert mit
Flügelthüren (Ur. 105), belegt mit verschiedenartigem Bernstein, der zum Teil
unterschnittene und mit Folie unterlegte Landschaften und Blumen in sehr
sorgfältiger und geschmackvoller Ausführung zeigt. Daß derartige Stücke auch
unter reichen Privatleuten Liebhaber fanden, beweist die Beschreibung eines
1743 von dem Danziger Kuustmeister Samuel Thörner auf Bestellung ge¬
fertigten Kontors. Die Vorderseite und die Seitenflächen waren mit künstlich
gearbeitetem Bernstein in der Dicke eines Thalers belegt. "Vorn waren die
schönsten Stücke von dem hellsten Bernstein, mit allerlei nach der Kunst unten
geschliffnen Figuren zu sehen, deren Mannigfaltigkeit auch durch die artige
Zusammensetzung und verschiedne Farben prächtig in die Augen fiel. Die
schönen roten, blauen und grünen Stücke vermehrten die Bewunderung. Machte
man die Spiegelthüren auf, so spielte auf deren Belegung die Natur mit raren
Stücken, welche allerlei Landschaften, auch Menschen und Tierköpfe vorstellten.
Auch hier spielten die weißlich-gelben und grünlichen Farben artig unter¬
einander. Die Höhe ohne die Füße und den Aufsatz betrug 2^/z Elle, die Breite
halb so viel, die Dicke unten Elle. Anderthalb Jahre hatte der Meister
daran gearbeitet, und 5000 Floren sollte es zusammen kosten."*)

Die Freude, die das achtzehnte Jahrhundert an derartigen Sachen hatte,
äußert sich noch bei Goethe, der auf seiner italienischen Reise 1787 in Catania
eine dem Prinzen Biskaris gehörige Sammlung von Bernsteinarbeiten be¬
sichtigte, von der er berichtet: "Der stzilianische (Bernstein) unterscheidet sich
von dem nordischen darin, daß er von der durchsichtigen und undurchsichtigen
Wachs- und Honigfarbe durch alle Abschattungen eines gefülligten Gelbes bis
zum schönsten Hyazinthrot hinansteigt. Urnen, Becher und andre Dinge waren
daraus geschnitten, wozu man große, bewunderungswürdige Stücke des Ma¬
terials mitunter voraussetzen mußte."



^) Danziaer Erfahrungen, 1748.
Der Bernstein als Stoff für das Unnstzerverbe

Johann Bernhard Schwarzeburger zu Frankfurt a. M. (geb. 1672, geht. 1741)
mit seinen Söhnen eine Reiterstatue des Kurfürsten von Sachsen und Königs
von Polen, Augusts II. (1670—1733), die später in das Grüne Gewölbe nach
Dresden kam.

Das achtzehnte Jahrhundert zeichnet sich namentlich durch große Prunk¬
stücke an Möbeln aus, die ganz mit Bernstein belegt waren. Dieser Art war
der 1723 auf Befehl König Friedrich Wilhelms I. gelegentlich seines Besuchs
in Dresden als Geschenk für August den Starken angefertigte große Schrank,
der jetzt im Grünen Gewölbe zu Dresden (Ur. 88) steht, und ein ähnliches
Möbel, das Friedrich der Große an den russischen Hof nach Petersburg schickte.
Der Dresdner Schrank enthält in achtzehn Kästen eine Unzahl von kleinern
Bernsteinarbeiten; er zeigt den kostbaren Stoff in einer massenhaften Ver¬
schwendung. Geschmackvoller und zierlicher als dieses große Stück ist das im
Grünen Gewölbe stehende Schrünkchen aus dem siebzehnten Jahrhundert mit
Flügelthüren (Ur. 105), belegt mit verschiedenartigem Bernstein, der zum Teil
unterschnittene und mit Folie unterlegte Landschaften und Blumen in sehr
sorgfältiger und geschmackvoller Ausführung zeigt. Daß derartige Stücke auch
unter reichen Privatleuten Liebhaber fanden, beweist die Beschreibung eines
1743 von dem Danziger Kuustmeister Samuel Thörner auf Bestellung ge¬
fertigten Kontors. Die Vorderseite und die Seitenflächen waren mit künstlich
gearbeitetem Bernstein in der Dicke eines Thalers belegt. „Vorn waren die
schönsten Stücke von dem hellsten Bernstein, mit allerlei nach der Kunst unten
geschliffnen Figuren zu sehen, deren Mannigfaltigkeit auch durch die artige
Zusammensetzung und verschiedne Farben prächtig in die Augen fiel. Die
schönen roten, blauen und grünen Stücke vermehrten die Bewunderung. Machte
man die Spiegelthüren auf, so spielte auf deren Belegung die Natur mit raren
Stücken, welche allerlei Landschaften, auch Menschen und Tierköpfe vorstellten.
Auch hier spielten die weißlich-gelben und grünlichen Farben artig unter¬
einander. Die Höhe ohne die Füße und den Aufsatz betrug 2^/z Elle, die Breite
halb so viel, die Dicke unten Elle. Anderthalb Jahre hatte der Meister
daran gearbeitet, und 5000 Floren sollte es zusammen kosten."*)

Die Freude, die das achtzehnte Jahrhundert an derartigen Sachen hatte,
äußert sich noch bei Goethe, der auf seiner italienischen Reise 1787 in Catania
eine dem Prinzen Biskaris gehörige Sammlung von Bernsteinarbeiten be¬
sichtigte, von der er berichtet: „Der stzilianische (Bernstein) unterscheidet sich
von dem nordischen darin, daß er von der durchsichtigen und undurchsichtigen
Wachs- und Honigfarbe durch alle Abschattungen eines gefülligten Gelbes bis
zum schönsten Hyazinthrot hinansteigt. Urnen, Becher und andre Dinge waren
daraus geschnitten, wozu man große, bewunderungswürdige Stücke des Ma¬
terials mitunter voraussetzen mußte."



^) Danziaer Erfahrungen, 1748.
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[0301] Der Bernstein als Stoff für das Unnstzerverbe Johann Bernhard Schwarzeburger zu Frankfurt a. M. (geb. 1672, geht. 1741) mit seinen Söhnen eine Reiterstatue des Kurfürsten von Sachsen und Königs von Polen, Augusts II. (1670—1733), die später in das Grüne Gewölbe nach Dresden kam. Das achtzehnte Jahrhundert zeichnet sich namentlich durch große Prunk¬ stücke an Möbeln aus, die ganz mit Bernstein belegt waren. Dieser Art war der 1723 auf Befehl König Friedrich Wilhelms I. gelegentlich seines Besuchs in Dresden als Geschenk für August den Starken angefertigte große Schrank, der jetzt im Grünen Gewölbe zu Dresden (Ur. 88) steht, und ein ähnliches Möbel, das Friedrich der Große an den russischen Hof nach Petersburg schickte. Der Dresdner Schrank enthält in achtzehn Kästen eine Unzahl von kleinern Bernsteinarbeiten; er zeigt den kostbaren Stoff in einer massenhaften Ver¬ schwendung. Geschmackvoller und zierlicher als dieses große Stück ist das im Grünen Gewölbe stehende Schrünkchen aus dem siebzehnten Jahrhundert mit Flügelthüren (Ur. 105), belegt mit verschiedenartigem Bernstein, der zum Teil unterschnittene und mit Folie unterlegte Landschaften und Blumen in sehr sorgfältiger und geschmackvoller Ausführung zeigt. Daß derartige Stücke auch unter reichen Privatleuten Liebhaber fanden, beweist die Beschreibung eines 1743 von dem Danziger Kuustmeister Samuel Thörner auf Bestellung ge¬ fertigten Kontors. Die Vorderseite und die Seitenflächen waren mit künstlich gearbeitetem Bernstein in der Dicke eines Thalers belegt. „Vorn waren die schönsten Stücke von dem hellsten Bernstein, mit allerlei nach der Kunst unten geschliffnen Figuren zu sehen, deren Mannigfaltigkeit auch durch die artige Zusammensetzung und verschiedne Farben prächtig in die Augen fiel. Die schönen roten, blauen und grünen Stücke vermehrten die Bewunderung. Machte man die Spiegelthüren auf, so spielte auf deren Belegung die Natur mit raren Stücken, welche allerlei Landschaften, auch Menschen und Tierköpfe vorstellten. Auch hier spielten die weißlich-gelben und grünlichen Farben artig unter¬ einander. Die Höhe ohne die Füße und den Aufsatz betrug 2^/z Elle, die Breite halb so viel, die Dicke unten Elle. Anderthalb Jahre hatte der Meister daran gearbeitet, und 5000 Floren sollte es zusammen kosten."*) Die Freude, die das achtzehnte Jahrhundert an derartigen Sachen hatte, äußert sich noch bei Goethe, der auf seiner italienischen Reise 1787 in Catania eine dem Prinzen Biskaris gehörige Sammlung von Bernsteinarbeiten be¬ sichtigte, von der er berichtet: „Der stzilianische (Bernstein) unterscheidet sich von dem nordischen darin, daß er von der durchsichtigen und undurchsichtigen Wachs- und Honigfarbe durch alle Abschattungen eines gefülligten Gelbes bis zum schönsten Hyazinthrot hinansteigt. Urnen, Becher und andre Dinge waren daraus geschnitten, wozu man große, bewunderungswürdige Stücke des Ma¬ terials mitunter voraussetzen mußte." ^) Danziaer Erfahrungen, 1748.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/301>, abgerufen am 28.09.2024.