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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Rasse" und Kriege

Temperament entspränge, ohne moralische Impulse. Das ist eine durchaus
irrtümliche Auffassung. Die Heere Bonapartes fochten auf glänzenden Schlacht¬
feldern, wo jeder Helm einen Strahl des Ruhmes auffangen konnte. Der
britische Soldat kämpfte in strenger Unterordnung und im kühlen Schatten
des adlichen Kommandos (unclsr t>Ir"z vola sdiiäs ok iiristoorae^). Keine Aus¬
zeichnung belohnte seine Sündhaftigkeit, keine Depeschen verkündeten seinen
Namen den Landsleuten daheim; sein Tod blieb unbemerkt."

Ganz buchstäblich braucht man das nicht zu nehmen; anch kommt dabei
in Betracht, daß der, der das schreibt, ein Engländer ist. (Oolonkl ^axisr,
Hiswr^ ok tuo ?oniii8u1ii ^Var.) Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß diese
Darstellung Wahres enthält und gewisse Eigenschaften betont, die die stamm¬
verwandten angelsächsischen und deutschen Soldaten kennzeichnet.

Für das englische Nationalgefühl ist es auch sehr bezeichnend und auf¬
fällig, daß in Nelsons Flaggensignal bei Trafalgar das Wort aut.^ (Pflicht)
hervorgehoben wurde. Nach glaubwürdiger Überlieferung soll dieses Signal
auf der Flotte keine stürmische Begeisterung hervorgerufen haben, sondern Ver¬
wunderung! Die Matrosen hätten sich verblüfft augesehen und gefragt: vo
(zur ewty? 0k oonrsL, v"z statt <Zo our dut^.

In neuerer Zeit haben englische Truppen nur gegen halbwilde Horden
gekämpft. Über die militärischen Eigenschaften der Führer läßt sich aus den
billigen afrikanischen Lorbeern nichts schließen, ebenso wenig wie aus den
amerikanischen Erfolgen bei Santiago und Manila. Vom militärischen Stand¬
punkt aus halten sie keiner eingehenden Prüfung stand.

Wichtiger erscheinen die wiederholten Niederlagen der Engländer gegen
die Buren, die nicht nur auf die Führer, sondern auch auf die Truppen ein
recht zweifelhaftes Licht werfen. Bei Majuba-Hill -- und zu mehreren malen
auch anderswo -- haben die wackern Bauern der südafrikanischen Republik
gute britische Regimenter (auch Hochländer) von der Rückseite zu sehn Gelegen¬
heit gehabt. Eine Erklärung für diese etwas beschämende Thatsache wird man
wohl darin suchen müssen, daß die hartnäckige holländische Bauerurasse mit
großer Zähigkeit für ihre Freiheit in den Kampf zog, während die englischen
Soldaten (bei den häßlichen Überfallen eines kleinen tapfern Volk dnrch eine
Weltmacht) ohne Begeisterung fochten. Außerdem sollen die Buren gut zielen
ehe sie schießen, wodurch der moralische Mut der Truppen im Ertragen von
Verlusten auf eine viel härtere Probe gestellt wurde, als gegen die Neger und
Derwische.

Anders liegt die Sache den Russe" gegenüber. Die Größe der Aufgabe
und die Wichtigkeit des Objekts wird die Aufopferungsfähigkeit der Engländer
erhöhen. Jeder Engländer weiß, was da auf dem Spiel steht, denn er ist
geborner Politiker. Der ganze Staat empfindet bis in jeden Einzelnen hinein
einheitlich. Nicht so in Nußland. Dem Muschik ist es ganz gleichgiltig, gegen
wen er zu kämpfen hat, denn er weiß überhaupt nicht, was ein Engländer ist.


Rasse» und Kriege

Temperament entspränge, ohne moralische Impulse. Das ist eine durchaus
irrtümliche Auffassung. Die Heere Bonapartes fochten auf glänzenden Schlacht¬
feldern, wo jeder Helm einen Strahl des Ruhmes auffangen konnte. Der
britische Soldat kämpfte in strenger Unterordnung und im kühlen Schatten
des adlichen Kommandos (unclsr t>Ir«z vola sdiiäs ok iiristoorae^). Keine Aus¬
zeichnung belohnte seine Sündhaftigkeit, keine Depeschen verkündeten seinen
Namen den Landsleuten daheim; sein Tod blieb unbemerkt."

Ganz buchstäblich braucht man das nicht zu nehmen; anch kommt dabei
in Betracht, daß der, der das schreibt, ein Engländer ist. (Oolonkl ^axisr,
Hiswr^ ok tuo ?oniii8u1ii ^Var.) Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß diese
Darstellung Wahres enthält und gewisse Eigenschaften betont, die die stamm¬
verwandten angelsächsischen und deutschen Soldaten kennzeichnet.

Für das englische Nationalgefühl ist es auch sehr bezeichnend und auf¬
fällig, daß in Nelsons Flaggensignal bei Trafalgar das Wort aut.^ (Pflicht)
hervorgehoben wurde. Nach glaubwürdiger Überlieferung soll dieses Signal
auf der Flotte keine stürmische Begeisterung hervorgerufen haben, sondern Ver¬
wunderung! Die Matrosen hätten sich verblüfft augesehen und gefragt: vo
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In neuerer Zeit haben englische Truppen nur gegen halbwilde Horden
gekämpft. Über die militärischen Eigenschaften der Führer läßt sich aus den
billigen afrikanischen Lorbeern nichts schließen, ebenso wenig wie aus den
amerikanischen Erfolgen bei Santiago und Manila. Vom militärischen Stand¬
punkt aus halten sie keiner eingehenden Prüfung stand.

Wichtiger erscheinen die wiederholten Niederlagen der Engländer gegen
die Buren, die nicht nur auf die Führer, sondern auch auf die Truppen ein
recht zweifelhaftes Licht werfen. Bei Majuba-Hill — und zu mehreren malen
auch anderswo — haben die wackern Bauern der südafrikanischen Republik
gute britische Regimenter (auch Hochländer) von der Rückseite zu sehn Gelegen¬
heit gehabt. Eine Erklärung für diese etwas beschämende Thatsache wird man
wohl darin suchen müssen, daß die hartnäckige holländische Bauerurasse mit
großer Zähigkeit für ihre Freiheit in den Kampf zog, während die englischen
Soldaten (bei den häßlichen Überfallen eines kleinen tapfern Volk dnrch eine
Weltmacht) ohne Begeisterung fochten. Außerdem sollen die Buren gut zielen
ehe sie schießen, wodurch der moralische Mut der Truppen im Ertragen von
Verlusten auf eine viel härtere Probe gestellt wurde, als gegen die Neger und
Derwische.

Anders liegt die Sache den Russe» gegenüber. Die Größe der Aufgabe
und die Wichtigkeit des Objekts wird die Aufopferungsfähigkeit der Engländer
erhöhen. Jeder Engländer weiß, was da auf dem Spiel steht, denn er ist
geborner Politiker. Der ganze Staat empfindet bis in jeden Einzelnen hinein
einheitlich. Nicht so in Nußland. Dem Muschik ist es ganz gleichgiltig, gegen
wen er zu kämpfen hat, denn er weiß überhaupt nicht, was ein Engländer ist.


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[0247] Rasse» und Kriege Temperament entspränge, ohne moralische Impulse. Das ist eine durchaus irrtümliche Auffassung. Die Heere Bonapartes fochten auf glänzenden Schlacht¬ feldern, wo jeder Helm einen Strahl des Ruhmes auffangen konnte. Der britische Soldat kämpfte in strenger Unterordnung und im kühlen Schatten des adlichen Kommandos (unclsr t>Ir«z vola sdiiäs ok iiristoorae^). Keine Aus¬ zeichnung belohnte seine Sündhaftigkeit, keine Depeschen verkündeten seinen Namen den Landsleuten daheim; sein Tod blieb unbemerkt." Ganz buchstäblich braucht man das nicht zu nehmen; anch kommt dabei in Betracht, daß der, der das schreibt, ein Engländer ist. (Oolonkl ^axisr, Hiswr^ ok tuo ?oniii8u1ii ^Var.) Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß diese Darstellung Wahres enthält und gewisse Eigenschaften betont, die die stamm¬ verwandten angelsächsischen und deutschen Soldaten kennzeichnet. Für das englische Nationalgefühl ist es auch sehr bezeichnend und auf¬ fällig, daß in Nelsons Flaggensignal bei Trafalgar das Wort aut.^ (Pflicht) hervorgehoben wurde. Nach glaubwürdiger Überlieferung soll dieses Signal auf der Flotte keine stürmische Begeisterung hervorgerufen haben, sondern Ver¬ wunderung! Die Matrosen hätten sich verblüfft augesehen und gefragt: vo (zur ewty? 0k oonrsL, v«z statt <Zo our dut^. In neuerer Zeit haben englische Truppen nur gegen halbwilde Horden gekämpft. Über die militärischen Eigenschaften der Führer läßt sich aus den billigen afrikanischen Lorbeern nichts schließen, ebenso wenig wie aus den amerikanischen Erfolgen bei Santiago und Manila. Vom militärischen Stand¬ punkt aus halten sie keiner eingehenden Prüfung stand. Wichtiger erscheinen die wiederholten Niederlagen der Engländer gegen die Buren, die nicht nur auf die Führer, sondern auch auf die Truppen ein recht zweifelhaftes Licht werfen. Bei Majuba-Hill — und zu mehreren malen auch anderswo — haben die wackern Bauern der südafrikanischen Republik gute britische Regimenter (auch Hochländer) von der Rückseite zu sehn Gelegen¬ heit gehabt. Eine Erklärung für diese etwas beschämende Thatsache wird man wohl darin suchen müssen, daß die hartnäckige holländische Bauerurasse mit großer Zähigkeit für ihre Freiheit in den Kampf zog, während die englischen Soldaten (bei den häßlichen Überfallen eines kleinen tapfern Volk dnrch eine Weltmacht) ohne Begeisterung fochten. Außerdem sollen die Buren gut zielen ehe sie schießen, wodurch der moralische Mut der Truppen im Ertragen von Verlusten auf eine viel härtere Probe gestellt wurde, als gegen die Neger und Derwische. Anders liegt die Sache den Russe» gegenüber. Die Größe der Aufgabe und die Wichtigkeit des Objekts wird die Aufopferungsfähigkeit der Engländer erhöhen. Jeder Engländer weiß, was da auf dem Spiel steht, denn er ist geborner Politiker. Der ganze Staat empfindet bis in jeden Einzelnen hinein einheitlich. Nicht so in Nußland. Dem Muschik ist es ganz gleichgiltig, gegen wen er zu kämpfen hat, denn er weiß überhaupt nicht, was ein Engländer ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/247>, abgerufen am 28.09.2024.