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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Rassen und Kriege

das deutsche Element ist dort schon eine Macht, eine stark zunehmende politische
und soziale Macht geworden, eine Macht, die zum Heil des Adoptivvaterlands
und jedenfalls nicht zum Nachteil des Mutterlands in die Wagschale fallen
dürfte. Die clAmiiod DutoKmöir sind keineswegs mehr verachtet, höchstens
noch hie und da gehaßt aus denselben Gründen, wie sie von den untern
Klassen in England ans Konkurrenzneid angegriffen werden: das aber ist
die Brotfrage, nicht Nasseufeiudschaft. Rassenfeindschaft der tiefsten, unver-
söhnlichsten Art kommt bei unserm Bundesgenossen im Südosten, in der
Armee des Kaisers Franz Joseph, weit stärker in Betracht als bei den Angel¬
sachsen. Es hieße Vogel Strauß spielen, wollten wir Deutschen uns länger
verhehlen, daß der Zersetzungsprozeß der Habsburgischen Kronländer schon tief
in die Armee eingedrungen ist. Leto ist ein kleines Wort, aber dem Dreibund
bedeutet es als rassenpshch "logisches Symptom mehr als ein Armeekorps. Daß
der einheitliche Gefechtswert des österreichischen Heeres -- von jeher nicht seine
stärkste Seite -- durch dieses aufs tiefste hinabsinkt, bedarf keiner nähern
Erörterung vor deutschen Lesern.

Wichtiger noch für die Weltlage ist der russisch-englische Gegensatz in Asien,
der uns nicht gleichgiltig sein kann. Bei uns scheint man vielfach geneigt, die
Russe" schon als die Erben Großbritanniens in Indien zu betrachten. Wie
weit der Wunsch hier der Vater des Gedankens ist, lasse ich dahingestellt.
Zunächst ist wichtig, daß die Russen die Angreifer, die Engländer die Ver¬
teidiger sein werden. Die moralische Spannkraft wird also bei den Engländern
weit höher sein müssen als bei den Russen. Gerade in der Verteidigung
kommt aber dem Briten die Hartnäckigkeit und zähe Entschlossenheit seiner Rasse
sehr zu statten. Zur See sind die Briten, zu Lande die Russen weit über¬
legen. Gelingt es Nußland die indischen Stämme zur Mitwirkung zu veran¬
lassen, so hat es viel, aber noch nicht alles gewonnen. Die völlige Vernich¬
tung der englischen Landmacht ist die unerläßliche Bedingung des Besitzes von
Indien. Nun darf man aber nicht vergessen, daß Indien schwer zugänglich
ist, und daß die Briten, selbst nach einer Niederlage, nicht verloren sind. In
dieser Nasse steckt noch ein Kern von Lebenskraft, der auf das höchste ange¬
spannt oft das scheinbar Unmögliche möglich gemacht hat. Die Engländer
und in noch stärkeren Maße die schottischen Hochländer kämpfen unter mutiger
Führung -- und die wird nicht fehlen -- mit bulldoggenhafter Zähigkeit, die
irischen Truppen mehr mit der kühnen, leidenschaftliche" Hi"gehn"g, die den
Franzoseu eigen ist.

Über den englischen Infanteriesoldaten hat ein höherer Offizier eine
Charakteristik geschrieben, aus der folgende Sätze hervorgehoben zu werden
verdienen: "Der britische Infanterist hält, trotz seiner häufigen Ausschweifungen
im Trinken, Strapazen mit großer Widerstandskraft aus, sobald er wirklich
diszipliniert ist; dazu hat er aber drei Jahre Dienstübung nötig. Man hat
behauptet, daß seiue Zähigkeit in der Schlacht "ur ans seinen: phlegmatischen


Rassen und Kriege

das deutsche Element ist dort schon eine Macht, eine stark zunehmende politische
und soziale Macht geworden, eine Macht, die zum Heil des Adoptivvaterlands
und jedenfalls nicht zum Nachteil des Mutterlands in die Wagschale fallen
dürfte. Die clAmiiod DutoKmöir sind keineswegs mehr verachtet, höchstens
noch hie und da gehaßt aus denselben Gründen, wie sie von den untern
Klassen in England ans Konkurrenzneid angegriffen werden: das aber ist
die Brotfrage, nicht Nasseufeiudschaft. Rassenfeindschaft der tiefsten, unver-
söhnlichsten Art kommt bei unserm Bundesgenossen im Südosten, in der
Armee des Kaisers Franz Joseph, weit stärker in Betracht als bei den Angel¬
sachsen. Es hieße Vogel Strauß spielen, wollten wir Deutschen uns länger
verhehlen, daß der Zersetzungsprozeß der Habsburgischen Kronländer schon tief
in die Armee eingedrungen ist. Leto ist ein kleines Wort, aber dem Dreibund
bedeutet es als rassenpshch »logisches Symptom mehr als ein Armeekorps. Daß
der einheitliche Gefechtswert des österreichischen Heeres — von jeher nicht seine
stärkste Seite — durch dieses aufs tiefste hinabsinkt, bedarf keiner nähern
Erörterung vor deutschen Lesern.

Wichtiger noch für die Weltlage ist der russisch-englische Gegensatz in Asien,
der uns nicht gleichgiltig sein kann. Bei uns scheint man vielfach geneigt, die
Russe» schon als die Erben Großbritanniens in Indien zu betrachten. Wie
weit der Wunsch hier der Vater des Gedankens ist, lasse ich dahingestellt.
Zunächst ist wichtig, daß die Russen die Angreifer, die Engländer die Ver¬
teidiger sein werden. Die moralische Spannkraft wird also bei den Engländern
weit höher sein müssen als bei den Russen. Gerade in der Verteidigung
kommt aber dem Briten die Hartnäckigkeit und zähe Entschlossenheit seiner Rasse
sehr zu statten. Zur See sind die Briten, zu Lande die Russen weit über¬
legen. Gelingt es Nußland die indischen Stämme zur Mitwirkung zu veran¬
lassen, so hat es viel, aber noch nicht alles gewonnen. Die völlige Vernich¬
tung der englischen Landmacht ist die unerläßliche Bedingung des Besitzes von
Indien. Nun darf man aber nicht vergessen, daß Indien schwer zugänglich
ist, und daß die Briten, selbst nach einer Niederlage, nicht verloren sind. In
dieser Nasse steckt noch ein Kern von Lebenskraft, der auf das höchste ange¬
spannt oft das scheinbar Unmögliche möglich gemacht hat. Die Engländer
und in noch stärkeren Maße die schottischen Hochländer kämpfen unter mutiger
Führung — und die wird nicht fehlen — mit bulldoggenhafter Zähigkeit, die
irischen Truppen mehr mit der kühnen, leidenschaftliche» Hi»gehn»g, die den
Franzoseu eigen ist.

Über den englischen Infanteriesoldaten hat ein höherer Offizier eine
Charakteristik geschrieben, aus der folgende Sätze hervorgehoben zu werden
verdienen: „Der britische Infanterist hält, trotz seiner häufigen Ausschweifungen
im Trinken, Strapazen mit großer Widerstandskraft aus, sobald er wirklich
diszipliniert ist; dazu hat er aber drei Jahre Dienstübung nötig. Man hat
behauptet, daß seiue Zähigkeit in der Schlacht »ur ans seinen: phlegmatischen


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[0246] Rassen und Kriege das deutsche Element ist dort schon eine Macht, eine stark zunehmende politische und soziale Macht geworden, eine Macht, die zum Heil des Adoptivvaterlands und jedenfalls nicht zum Nachteil des Mutterlands in die Wagschale fallen dürfte. Die clAmiiod DutoKmöir sind keineswegs mehr verachtet, höchstens noch hie und da gehaßt aus denselben Gründen, wie sie von den untern Klassen in England ans Konkurrenzneid angegriffen werden: das aber ist die Brotfrage, nicht Nasseufeiudschaft. Rassenfeindschaft der tiefsten, unver- söhnlichsten Art kommt bei unserm Bundesgenossen im Südosten, in der Armee des Kaisers Franz Joseph, weit stärker in Betracht als bei den Angel¬ sachsen. Es hieße Vogel Strauß spielen, wollten wir Deutschen uns länger verhehlen, daß der Zersetzungsprozeß der Habsburgischen Kronländer schon tief in die Armee eingedrungen ist. Leto ist ein kleines Wort, aber dem Dreibund bedeutet es als rassenpshch »logisches Symptom mehr als ein Armeekorps. Daß der einheitliche Gefechtswert des österreichischen Heeres — von jeher nicht seine stärkste Seite — durch dieses aufs tiefste hinabsinkt, bedarf keiner nähern Erörterung vor deutschen Lesern. Wichtiger noch für die Weltlage ist der russisch-englische Gegensatz in Asien, der uns nicht gleichgiltig sein kann. Bei uns scheint man vielfach geneigt, die Russe» schon als die Erben Großbritanniens in Indien zu betrachten. Wie weit der Wunsch hier der Vater des Gedankens ist, lasse ich dahingestellt. Zunächst ist wichtig, daß die Russen die Angreifer, die Engländer die Ver¬ teidiger sein werden. Die moralische Spannkraft wird also bei den Engländern weit höher sein müssen als bei den Russen. Gerade in der Verteidigung kommt aber dem Briten die Hartnäckigkeit und zähe Entschlossenheit seiner Rasse sehr zu statten. Zur See sind die Briten, zu Lande die Russen weit über¬ legen. Gelingt es Nußland die indischen Stämme zur Mitwirkung zu veran¬ lassen, so hat es viel, aber noch nicht alles gewonnen. Die völlige Vernich¬ tung der englischen Landmacht ist die unerläßliche Bedingung des Besitzes von Indien. Nun darf man aber nicht vergessen, daß Indien schwer zugänglich ist, und daß die Briten, selbst nach einer Niederlage, nicht verloren sind. In dieser Nasse steckt noch ein Kern von Lebenskraft, der auf das höchste ange¬ spannt oft das scheinbar Unmögliche möglich gemacht hat. Die Engländer und in noch stärkeren Maße die schottischen Hochländer kämpfen unter mutiger Führung — und die wird nicht fehlen — mit bulldoggenhafter Zähigkeit, die irischen Truppen mehr mit der kühnen, leidenschaftliche» Hi»gehn»g, die den Franzoseu eigen ist. Über den englischen Infanteriesoldaten hat ein höherer Offizier eine Charakteristik geschrieben, aus der folgende Sätze hervorgehoben zu werden verdienen: „Der britische Infanterist hält, trotz seiner häufigen Ausschweifungen im Trinken, Strapazen mit großer Widerstandskraft aus, sobald er wirklich diszipliniert ist; dazu hat er aber drei Jahre Dienstübung nötig. Man hat behauptet, daß seiue Zähigkeit in der Schlacht »ur ans seinen: phlegmatischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/246>, abgerufen am 28.09.2024.