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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Rassen und Ariege

ofsizicr, der in Kiel bei der Einweihung des Nordostseekanals mit nur über
die relative Stärke der Flotten sprach, äußerte sich sehr anerkennend über unsre
Marine, namentlich über das "lebende Material." "Wir legen darauf stets
den Hauptwert, daß die Deutschen sind gute sailors, meinte er. Il denke, Ihre
Marine heute ist besser als die französische." "Aber nicht halb so groß,"
wandte ich ein. OK tuae cloös'ut niMei-, antwortete er ruhig. Im Laufe des
Gesprächs berührte er die Nassenfrage wiederholt und vertraute mir ganz frei¬
mütig an, daß in englischen Marinekreisen ein deutsches Panzerschiff höher ein¬
geschätzt wird, als irgend ein andres. In England giebt es ein Sprichwort,
das namentlich von Pferdezüchtern oft gebraucht wird, nämlich: Moocl tslls.
Das wenden die Engländer auch auf Menschen an, und mit Recht. Lloocl
tslls, sagte lächelnd der Offizier, als er einige ausländische Matrosen vorüber¬
gehn sah, gegen die unsre Blaujacken, und ich darf hinzusetzen, auch die eng¬
lischen, recht vorteilhaft abstachen.

Persönliche Erlebnisse haben nur einen relativen Wert und können nicht
ohne weiteres verallgemeinert werden. Dennoch sei mir hier erlaubt zu sagen,
daß mir tüchtige englische und amerikanische Seeleute (desgleichen die Skandi¬
navier, die sehr gesucht sind) dasselbe Vertrauen eingeflößt haben wie meine
Landsleute. Mit den berüchtigten englischen Kohlendampfern habe ich zweimal
intimere Bekanntschaft gemacht. Die sind allerdings nicht besser als ihr Ruf.
Aber in Seegefahr habe ich auch gutes angelsächsisches Blut kennen und
schützen lernen und kann bestätigen, daß "Blut sich bewährt."

Nach dem ersten Zusammenstoß zwischen den Spaniern und Amerikanern
bei Manila veröffentlichte ich einen kurzen Aufsatz: "Was lehrt die Seeschlacht
bei Cavite?"*), worin die Frage der "schlechtdisziplinierten amerikanischen
Mannschaften" berührt wird. Es sei erlaubt, hier ein paar Sätze daraus
einzuschalten, weil deren Richtigkeit durch die Thatsachen bestätigt wurde.

"Man unterschätzt in Europa den Gefechtswert des Rohmaterials, aus
den: die Besatzung der amerikanischen Marine zusammengesetzt ist. Im Ernst¬
fall wird es sich besser bewähren, als man bei uns vielfach anzunehmen ge¬
neigt ist. Wer Gelegenheit gehabt hat, in den Vereinigten Staaten oder in
England auf Schiffen und Kriegswerften Beobachtungen zu sammeln, der ge¬
winnt eine wesentlich andre Auffassung. Diese rohern Elemente werden gut
zusammen arbeiten und sich schlagen, sobald ihre ganze Aufmerksamkeit und
Energie durch die zwingende Gewalt der Umstünde auf einen Punkt konzentriert
wird. Diese Beobachtung hat man wiederholt gemacht. Diese Leute fechten
aus angeborner Rauflust und wissen, daß ihnen in der Schlacht eine Wider¬
setzlichkeit teuer zu stehn käme, daß ihnen also nichts andres übrig bleibt, als
die Kanonen fleißig zu bedienen und sich tüchtig zu rühren. Rechnet man
dazu den wirklich hervorragenden ungebornen Korpsgeist, der allemal durch-



^) "Allgemeine Zeitung," Chemnitz,
Rassen und Ariege

ofsizicr, der in Kiel bei der Einweihung des Nordostseekanals mit nur über
die relative Stärke der Flotten sprach, äußerte sich sehr anerkennend über unsre
Marine, namentlich über das „lebende Material." „Wir legen darauf stets
den Hauptwert, daß die Deutschen sind gute sailors, meinte er. Il denke, Ihre
Marine heute ist besser als die französische." „Aber nicht halb so groß,"
wandte ich ein. OK tuae cloös'ut niMei-, antwortete er ruhig. Im Laufe des
Gesprächs berührte er die Nassenfrage wiederholt und vertraute mir ganz frei¬
mütig an, daß in englischen Marinekreisen ein deutsches Panzerschiff höher ein¬
geschätzt wird, als irgend ein andres. In England giebt es ein Sprichwort,
das namentlich von Pferdezüchtern oft gebraucht wird, nämlich: Moocl tslls.
Das wenden die Engländer auch auf Menschen an, und mit Recht. Lloocl
tslls, sagte lächelnd der Offizier, als er einige ausländische Matrosen vorüber¬
gehn sah, gegen die unsre Blaujacken, und ich darf hinzusetzen, auch die eng¬
lischen, recht vorteilhaft abstachen.

Persönliche Erlebnisse haben nur einen relativen Wert und können nicht
ohne weiteres verallgemeinert werden. Dennoch sei mir hier erlaubt zu sagen,
daß mir tüchtige englische und amerikanische Seeleute (desgleichen die Skandi¬
navier, die sehr gesucht sind) dasselbe Vertrauen eingeflößt haben wie meine
Landsleute. Mit den berüchtigten englischen Kohlendampfern habe ich zweimal
intimere Bekanntschaft gemacht. Die sind allerdings nicht besser als ihr Ruf.
Aber in Seegefahr habe ich auch gutes angelsächsisches Blut kennen und
schützen lernen und kann bestätigen, daß „Blut sich bewährt."

Nach dem ersten Zusammenstoß zwischen den Spaniern und Amerikanern
bei Manila veröffentlichte ich einen kurzen Aufsatz: „Was lehrt die Seeschlacht
bei Cavite?"*), worin die Frage der „schlechtdisziplinierten amerikanischen
Mannschaften" berührt wird. Es sei erlaubt, hier ein paar Sätze daraus
einzuschalten, weil deren Richtigkeit durch die Thatsachen bestätigt wurde.

„Man unterschätzt in Europa den Gefechtswert des Rohmaterials, aus
den: die Besatzung der amerikanischen Marine zusammengesetzt ist. Im Ernst¬
fall wird es sich besser bewähren, als man bei uns vielfach anzunehmen ge¬
neigt ist. Wer Gelegenheit gehabt hat, in den Vereinigten Staaten oder in
England auf Schiffen und Kriegswerften Beobachtungen zu sammeln, der ge¬
winnt eine wesentlich andre Auffassung. Diese rohern Elemente werden gut
zusammen arbeiten und sich schlagen, sobald ihre ganze Aufmerksamkeit und
Energie durch die zwingende Gewalt der Umstünde auf einen Punkt konzentriert
wird. Diese Beobachtung hat man wiederholt gemacht. Diese Leute fechten
aus angeborner Rauflust und wissen, daß ihnen in der Schlacht eine Wider¬
setzlichkeit teuer zu stehn käme, daß ihnen also nichts andres übrig bleibt, als
die Kanonen fleißig zu bedienen und sich tüchtig zu rühren. Rechnet man
dazu den wirklich hervorragenden ungebornen Korpsgeist, der allemal durch-



^) „Allgemeine Zeitung," Chemnitz,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/240>, abgerufen am 28.09.2024.