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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Mie Bayern ein moderner Staat wurde

"och nassen Blättern zur französischen Armee und teilte sie hier aus, später
ließ er sie, mit zahlreichen noch giftigem Anklagen vermehrt, von neuem ab¬
drucken und ins Französische übersetzen. Die Art und Weise, wie hier denun¬
ziert wird, macht dem Verfasser keine Ehre. In einem Augenblicke, wo Österreichs
Heere auf der Walstatt standen, um im blutigen Kampfe für Deutschlands
Ehre einzutreten, und Preußen unter den größten Opfern zur künftigen Wieder-
crhebung mit eiserner Strenge an sich arbeitete, verdächtigte der Münchner
Gelehrte dem gallischen Imperator die edelsten Regungen. Von den deutscheu
Gelehrten, die damals in der Erziehung ihres Volkes ihre schönste Aufgabe
sahen, heißt es: "Von den borussierenden und anglomanen Gelehrten in Deutsch¬
land wäre noch vieles zu sagen! Aber ich halte es für überflüssig. Napoleon
kennt ihre geheimen Machinationen, und wenn es Zeit ist, wird er die Misse¬
thäter zur Rechenschaft ziehen." Und weiter: "Die protestantischen Geistlichen
verabscheuen den großen Napoleon wie ehemals den Papst. Aber nicht blos;
die Geistlichkeit, nein, die ganze lutherische Sekte ist es, welche den Helden des
Jahrhunderts anfeindet. Sie hat einen großen Bund geschlossen, welcher into¬
leranter und fanatischer zu Werke geht als die Juden. Dieser Bund, welcher
größtenteils aus norddeutschen Gelehrten besteht, glaubte wirklich auf dem
Punkte zu sein, den von dem Geist der Zeit längst schon überbotnen Protestan¬
tismus unter allerlei Formen allenthalben eingeführt zu sehen." Natürlich
bleiben wir mit der alten Leier einer protestantisch-deutsch-englischen Ver¬
schwörung nicht verschont: "Außerdem sind die Protestanten aufs engste mit
den Engländern verbunden, und das Interesse dieser Nation muß auch das
ihrige sein. Es ist nicht ihre Schuld, daß wir in Deutschland nicht schon
Dragonaden erlebt haben wie in Irland. Da sie aber dort die Körper der
Katholiken nicht bezwingen können, so suchen sie die Geister in Fesseln zu
schlagen durch Schulordnungen und litterarischen Despotismus. Wenn man
den ausgelassensten Tadel und die greulichsten Verwünschungen gegen die Ein¬
richtungen Napoleons hören will, so gehe man in eine echt lutherische Kvterie.
Dort wird man eine geheime Allianz verbreitet sehen zwischen dem Papst
und den Söhnen Luthers, die ein würdiges Gegenstück zu dem ehemaligen
Bündnis des Papstes mit den Türken bildet. Und wenn einst dem französischen
Kaiser ein Unglück begegnen sollte, so würden wir das seltsame Schauspiel
erleben, diese Fanatiker auf öffentlichen Marktplätzen mit einander tanzen zu
sehen, wie die Studenten und Pfaffen in Salamanca."

Doch genug davon! Die Leser werden aus dem Wenigen die freche Bos¬
heit erkennen, mit der man damals gegen die angesehensten Männer vorzngehn
wagte. Es ist klar, daß es Arelim nur um die Verdächtigung der Münchner
Gelehrten, die allerdings aus ihrer deutschen Gesinnung und ihrem Haß gegen
Napoleon kein Hehl machten, zu thun war. Die französische Regierung
verschloß diesen böswilligen Einflüsterungen nicht das Ohr. Der greise, hoch-


Mie Bayern ein moderner Staat wurde

«och nassen Blättern zur französischen Armee und teilte sie hier aus, später
ließ er sie, mit zahlreichen noch giftigem Anklagen vermehrt, von neuem ab¬
drucken und ins Französische übersetzen. Die Art und Weise, wie hier denun¬
ziert wird, macht dem Verfasser keine Ehre. In einem Augenblicke, wo Österreichs
Heere auf der Walstatt standen, um im blutigen Kampfe für Deutschlands
Ehre einzutreten, und Preußen unter den größten Opfern zur künftigen Wieder-
crhebung mit eiserner Strenge an sich arbeitete, verdächtigte der Münchner
Gelehrte dem gallischen Imperator die edelsten Regungen. Von den deutscheu
Gelehrten, die damals in der Erziehung ihres Volkes ihre schönste Aufgabe
sahen, heißt es: „Von den borussierenden und anglomanen Gelehrten in Deutsch¬
land wäre noch vieles zu sagen! Aber ich halte es für überflüssig. Napoleon
kennt ihre geheimen Machinationen, und wenn es Zeit ist, wird er die Misse¬
thäter zur Rechenschaft ziehen." Und weiter: „Die protestantischen Geistlichen
verabscheuen den großen Napoleon wie ehemals den Papst. Aber nicht blos;
die Geistlichkeit, nein, die ganze lutherische Sekte ist es, welche den Helden des
Jahrhunderts anfeindet. Sie hat einen großen Bund geschlossen, welcher into¬
leranter und fanatischer zu Werke geht als die Juden. Dieser Bund, welcher
größtenteils aus norddeutschen Gelehrten besteht, glaubte wirklich auf dem
Punkte zu sein, den von dem Geist der Zeit längst schon überbotnen Protestan¬
tismus unter allerlei Formen allenthalben eingeführt zu sehen." Natürlich
bleiben wir mit der alten Leier einer protestantisch-deutsch-englischen Ver¬
schwörung nicht verschont: „Außerdem sind die Protestanten aufs engste mit
den Engländern verbunden, und das Interesse dieser Nation muß auch das
ihrige sein. Es ist nicht ihre Schuld, daß wir in Deutschland nicht schon
Dragonaden erlebt haben wie in Irland. Da sie aber dort die Körper der
Katholiken nicht bezwingen können, so suchen sie die Geister in Fesseln zu
schlagen durch Schulordnungen und litterarischen Despotismus. Wenn man
den ausgelassensten Tadel und die greulichsten Verwünschungen gegen die Ein¬
richtungen Napoleons hören will, so gehe man in eine echt lutherische Kvterie.
Dort wird man eine geheime Allianz verbreitet sehen zwischen dem Papst
und den Söhnen Luthers, die ein würdiges Gegenstück zu dem ehemaligen
Bündnis des Papstes mit den Türken bildet. Und wenn einst dem französischen
Kaiser ein Unglück begegnen sollte, so würden wir das seltsame Schauspiel
erleben, diese Fanatiker auf öffentlichen Marktplätzen mit einander tanzen zu
sehen, wie die Studenten und Pfaffen in Salamanca."

Doch genug davon! Die Leser werden aus dem Wenigen die freche Bos¬
heit erkennen, mit der man damals gegen die angesehensten Männer vorzngehn
wagte. Es ist klar, daß es Arelim nur um die Verdächtigung der Münchner
Gelehrten, die allerdings aus ihrer deutschen Gesinnung und ihrem Haß gegen
Napoleon kein Hehl machten, zu thun war. Die französische Regierung
verschloß diesen böswilligen Einflüsterungen nicht das Ohr. Der greise, hoch-


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[0206] Mie Bayern ein moderner Staat wurde «och nassen Blättern zur französischen Armee und teilte sie hier aus, später ließ er sie, mit zahlreichen noch giftigem Anklagen vermehrt, von neuem ab¬ drucken und ins Französische übersetzen. Die Art und Weise, wie hier denun¬ ziert wird, macht dem Verfasser keine Ehre. In einem Augenblicke, wo Österreichs Heere auf der Walstatt standen, um im blutigen Kampfe für Deutschlands Ehre einzutreten, und Preußen unter den größten Opfern zur künftigen Wieder- crhebung mit eiserner Strenge an sich arbeitete, verdächtigte der Münchner Gelehrte dem gallischen Imperator die edelsten Regungen. Von den deutscheu Gelehrten, die damals in der Erziehung ihres Volkes ihre schönste Aufgabe sahen, heißt es: „Von den borussierenden und anglomanen Gelehrten in Deutsch¬ land wäre noch vieles zu sagen! Aber ich halte es für überflüssig. Napoleon kennt ihre geheimen Machinationen, und wenn es Zeit ist, wird er die Misse¬ thäter zur Rechenschaft ziehen." Und weiter: „Die protestantischen Geistlichen verabscheuen den großen Napoleon wie ehemals den Papst. Aber nicht blos; die Geistlichkeit, nein, die ganze lutherische Sekte ist es, welche den Helden des Jahrhunderts anfeindet. Sie hat einen großen Bund geschlossen, welcher into¬ leranter und fanatischer zu Werke geht als die Juden. Dieser Bund, welcher größtenteils aus norddeutschen Gelehrten besteht, glaubte wirklich auf dem Punkte zu sein, den von dem Geist der Zeit längst schon überbotnen Protestan¬ tismus unter allerlei Formen allenthalben eingeführt zu sehen." Natürlich bleiben wir mit der alten Leier einer protestantisch-deutsch-englischen Ver¬ schwörung nicht verschont: „Außerdem sind die Protestanten aufs engste mit den Engländern verbunden, und das Interesse dieser Nation muß auch das ihrige sein. Es ist nicht ihre Schuld, daß wir in Deutschland nicht schon Dragonaden erlebt haben wie in Irland. Da sie aber dort die Körper der Katholiken nicht bezwingen können, so suchen sie die Geister in Fesseln zu schlagen durch Schulordnungen und litterarischen Despotismus. Wenn man den ausgelassensten Tadel und die greulichsten Verwünschungen gegen die Ein¬ richtungen Napoleons hören will, so gehe man in eine echt lutherische Kvterie. Dort wird man eine geheime Allianz verbreitet sehen zwischen dem Papst und den Söhnen Luthers, die ein würdiges Gegenstück zu dem ehemaligen Bündnis des Papstes mit den Türken bildet. Und wenn einst dem französischen Kaiser ein Unglück begegnen sollte, so würden wir das seltsame Schauspiel erleben, diese Fanatiker auf öffentlichen Marktplätzen mit einander tanzen zu sehen, wie die Studenten und Pfaffen in Salamanca." Doch genug davon! Die Leser werden aus dem Wenigen die freche Bos¬ heit erkennen, mit der man damals gegen die angesehensten Männer vorzngehn wagte. Es ist klar, daß es Arelim nur um die Verdächtigung der Münchner Gelehrten, die allerdings aus ihrer deutschen Gesinnung und ihrem Haß gegen Napoleon kein Hehl machten, zu thun war. Die französische Regierung verschloß diesen böswilligen Einflüsterungen nicht das Ohr. Der greise, hoch-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/206>, abgerufen am 28.09.2024.