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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Bernstein als Stoff für das Aunstgewerbe

neunzig Jahre lang nichts mehr von einem Bergbau auf Bernstein. Dieser
geriet so sehr in Vergessenheit, daß er bei der Neuordnung der Verggesetz-
gebung in Preußen gar nicht berücksichtigt wurde. Hätte man mit der Ge¬
winnung des Bernsteins durch Bergbau damals Erfolg erzielt, so würden
vermutlich ganz andre Rechtsverhältnisse bezüglich dieses Stoffes Platz ge¬
griffen und die später zu erörternden Widersprüche zwischen der Ausübung des
Regals und dem Eigentumsrecht der Besitzer der bernsteinführendeu Gründe
vermieden, vielleicht auch eine Aufhebung des Regalrechts erreicht worden sein.

Auf die bergmännische Gewinnung des Bernsteins kamen Stantien und
Becker dadurch, daß sich der Betrieb der offnen Gräbcreien mit der Zeit als
zu kostspielig und zu gefahrvoll erwiesen hatte. Schon früher hatte die Re¬
gierung ihre Aufmerksamkeit dieser Gewinnungsart wieder zugewandt, auch 1873
selbst den Versuch der Anlage eines Bernsteinbergwerks bei Northcken am'^Nord-
strande gemacht. Dieses Unternehmen schlug jedoch fehl. Dagegen gelang es
der Firma Stantien und Becker im Jahre 1875, deu Bergbaubetrieb zur
Bernsteingewinnung mit Erfolg durchzuführen, nachdem geologische Unter¬
suchungen über die Lagerungsverhültnisse des Minerals Aufschluß gebracht hatten.
Die Firma hatte zu diesem Zwecke das Gut Palmnicken erworben; der Ma߬
stab, worin ein solches Unternehmen angefaßt werden mußte, brachte es mit
sich, daß die Ausbeute, die auf oder unter den dem Fiskus oder Privat¬
besitzern gehörigen Strandländereien zu gewinnen war, in Anbetracht des auf¬
zuwendenden Anlagekapitals nicht mehr genügen konnte. Für die Ausnutzung
des Regals mußte die Firma an den Staat eine hohe, jährliche, uach dem
Morgen unterirdischer Grubeufläche bemessene Abgabe, die sich aus 40000 bis
50000, zuletzt sogar auf 52500 Mark beließ zahlen.

Gegenüber dem Bergbau sind die andern Gewinnungsarten des Bern¬
steins, das Lesen, Schöpfen, Stechen, Baggern und die Gewinnung durch
Taucherarbeit in den letzten Jahrzehnten in den Hintergrund getreten. Die
beiden zuletzt genannten Arten der Gewinnung, die früher auch von Stantien
und Becker betrieben wurden, sind jetzt gänzlich aufgegeben. Während die
Strandnutznng durch Lesen, Schöpfen, Stechen in den letzten Jahren etwa
7000 bis 8000 Mark einbrachte, ergab die Einnahme des Staats durch den
Tiefbau gegen 700000 Mark. Die von der Firma Stantien und Becker für
den Bergbaubetrieb in Palmnicken gezahlte jährliche Pachtsnmme betrug
zuletzt 677600 Mark. Die Gesamtausbeute betrug im Durchschnitt der fünf
Jahre von 1892 bis 1896 jährlich 497 810 Kilogramm, die durchschnittliche
Jahreseinnahme des Fiskus aus dem Bernstein in den letzten zehn Jahren
679700 Mark.

Aus diesen Zahlen springt die Bedeutung des Bergbaus für die Bern-
steingewinuuug in die Augen. Die Ausbeute, die früher im ganzen etwa
5000 bis 7500 Kilogramm betrug, hat sich jetzt mehr als verdreißigfacht; die°


Grenzboten N I8W 24
Der Bernstein als Stoff für das Aunstgewerbe

neunzig Jahre lang nichts mehr von einem Bergbau auf Bernstein. Dieser
geriet so sehr in Vergessenheit, daß er bei der Neuordnung der Verggesetz-
gebung in Preußen gar nicht berücksichtigt wurde. Hätte man mit der Ge¬
winnung des Bernsteins durch Bergbau damals Erfolg erzielt, so würden
vermutlich ganz andre Rechtsverhältnisse bezüglich dieses Stoffes Platz ge¬
griffen und die später zu erörternden Widersprüche zwischen der Ausübung des
Regals und dem Eigentumsrecht der Besitzer der bernsteinführendeu Gründe
vermieden, vielleicht auch eine Aufhebung des Regalrechts erreicht worden sein.

Auf die bergmännische Gewinnung des Bernsteins kamen Stantien und
Becker dadurch, daß sich der Betrieb der offnen Gräbcreien mit der Zeit als
zu kostspielig und zu gefahrvoll erwiesen hatte. Schon früher hatte die Re¬
gierung ihre Aufmerksamkeit dieser Gewinnungsart wieder zugewandt, auch 1873
selbst den Versuch der Anlage eines Bernsteinbergwerks bei Northcken am'^Nord-
strande gemacht. Dieses Unternehmen schlug jedoch fehl. Dagegen gelang es
der Firma Stantien und Becker im Jahre 1875, deu Bergbaubetrieb zur
Bernsteingewinnung mit Erfolg durchzuführen, nachdem geologische Unter¬
suchungen über die Lagerungsverhültnisse des Minerals Aufschluß gebracht hatten.
Die Firma hatte zu diesem Zwecke das Gut Palmnicken erworben; der Ma߬
stab, worin ein solches Unternehmen angefaßt werden mußte, brachte es mit
sich, daß die Ausbeute, die auf oder unter den dem Fiskus oder Privat¬
besitzern gehörigen Strandländereien zu gewinnen war, in Anbetracht des auf¬
zuwendenden Anlagekapitals nicht mehr genügen konnte. Für die Ausnutzung
des Regals mußte die Firma an den Staat eine hohe, jährliche, uach dem
Morgen unterirdischer Grubeufläche bemessene Abgabe, die sich aus 40000 bis
50000, zuletzt sogar auf 52500 Mark beließ zahlen.

Gegenüber dem Bergbau sind die andern Gewinnungsarten des Bern¬
steins, das Lesen, Schöpfen, Stechen, Baggern und die Gewinnung durch
Taucherarbeit in den letzten Jahrzehnten in den Hintergrund getreten. Die
beiden zuletzt genannten Arten der Gewinnung, die früher auch von Stantien
und Becker betrieben wurden, sind jetzt gänzlich aufgegeben. Während die
Strandnutznng durch Lesen, Schöpfen, Stechen in den letzten Jahren etwa
7000 bis 8000 Mark einbrachte, ergab die Einnahme des Staats durch den
Tiefbau gegen 700000 Mark. Die von der Firma Stantien und Becker für
den Bergbaubetrieb in Palmnicken gezahlte jährliche Pachtsnmme betrug
zuletzt 677600 Mark. Die Gesamtausbeute betrug im Durchschnitt der fünf
Jahre von 1892 bis 1896 jährlich 497 810 Kilogramm, die durchschnittliche
Jahreseinnahme des Fiskus aus dem Bernstein in den letzten zehn Jahren
679700 Mark.

Aus diesen Zahlen springt die Bedeutung des Bergbaus für die Bern-
steingewinuuug in die Augen. Die Ausbeute, die früher im ganzen etwa
5000 bis 7500 Kilogramm betrug, hat sich jetzt mehr als verdreißigfacht; die°


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[0193] Der Bernstein als Stoff für das Aunstgewerbe neunzig Jahre lang nichts mehr von einem Bergbau auf Bernstein. Dieser geriet so sehr in Vergessenheit, daß er bei der Neuordnung der Verggesetz- gebung in Preußen gar nicht berücksichtigt wurde. Hätte man mit der Ge¬ winnung des Bernsteins durch Bergbau damals Erfolg erzielt, so würden vermutlich ganz andre Rechtsverhältnisse bezüglich dieses Stoffes Platz ge¬ griffen und die später zu erörternden Widersprüche zwischen der Ausübung des Regals und dem Eigentumsrecht der Besitzer der bernsteinführendeu Gründe vermieden, vielleicht auch eine Aufhebung des Regalrechts erreicht worden sein. Auf die bergmännische Gewinnung des Bernsteins kamen Stantien und Becker dadurch, daß sich der Betrieb der offnen Gräbcreien mit der Zeit als zu kostspielig und zu gefahrvoll erwiesen hatte. Schon früher hatte die Re¬ gierung ihre Aufmerksamkeit dieser Gewinnungsart wieder zugewandt, auch 1873 selbst den Versuch der Anlage eines Bernsteinbergwerks bei Northcken am'^Nord- strande gemacht. Dieses Unternehmen schlug jedoch fehl. Dagegen gelang es der Firma Stantien und Becker im Jahre 1875, deu Bergbaubetrieb zur Bernsteingewinnung mit Erfolg durchzuführen, nachdem geologische Unter¬ suchungen über die Lagerungsverhültnisse des Minerals Aufschluß gebracht hatten. Die Firma hatte zu diesem Zwecke das Gut Palmnicken erworben; der Ma߬ stab, worin ein solches Unternehmen angefaßt werden mußte, brachte es mit sich, daß die Ausbeute, die auf oder unter den dem Fiskus oder Privat¬ besitzern gehörigen Strandländereien zu gewinnen war, in Anbetracht des auf¬ zuwendenden Anlagekapitals nicht mehr genügen konnte. Für die Ausnutzung des Regals mußte die Firma an den Staat eine hohe, jährliche, uach dem Morgen unterirdischer Grubeufläche bemessene Abgabe, die sich aus 40000 bis 50000, zuletzt sogar auf 52500 Mark beließ zahlen. Gegenüber dem Bergbau sind die andern Gewinnungsarten des Bern¬ steins, das Lesen, Schöpfen, Stechen, Baggern und die Gewinnung durch Taucherarbeit in den letzten Jahrzehnten in den Hintergrund getreten. Die beiden zuletzt genannten Arten der Gewinnung, die früher auch von Stantien und Becker betrieben wurden, sind jetzt gänzlich aufgegeben. Während die Strandnutznng durch Lesen, Schöpfen, Stechen in den letzten Jahren etwa 7000 bis 8000 Mark einbrachte, ergab die Einnahme des Staats durch den Tiefbau gegen 700000 Mark. Die von der Firma Stantien und Becker für den Bergbaubetrieb in Palmnicken gezahlte jährliche Pachtsnmme betrug zuletzt 677600 Mark. Die Gesamtausbeute betrug im Durchschnitt der fünf Jahre von 1892 bis 1896 jährlich 497 810 Kilogramm, die durchschnittliche Jahreseinnahme des Fiskus aus dem Bernstein in den letzten zehn Jahren 679700 Mark. Aus diesen Zahlen springt die Bedeutung des Bergbaus für die Bern- steingewinuuug in die Augen. Die Ausbeute, die früher im ganzen etwa 5000 bis 7500 Kilogramm betrug, hat sich jetzt mehr als verdreißigfacht; die° Grenzboten N I8W 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/193>, abgerufen am 28.09.2024.