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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Der Bernstein als Äosf für das Äunstgewerde

spieligere Weise des Verkehrs mit einer größern Zahl von Pächtern oder
Pachtgenossenschaften an Stelle eines Unternehmers war wenig vorteilhaft für
die Staatskasse, der Ertrag des Regals an und für sich gering. Die Pacht¬
summe belief sich in dieser Zeit auf wenig über 10000 Thaler. Dazu kam,
daß die Unerfahrenheit der Fischer von städtischen Geldgebern vielfach ausge¬
beutet wurde, und daß in den offnen Gräbereien in den Uferbergen eine Art
Raubbau getrieben wurde, der die Ufer gefährdete und den Zusammenfluß von
Landstreichern und Gesinde! am Strande begünstigte. Die Erfahrungen, die
mit der Verpachtung des Regals an die Strandbewohner gemacht wurden,
waren demnach in vieler Hinsicht nicht zufriedenstellend; wenn auch zunächst
noch an ihr festgehalten wurde, so sah die Negierung sich doch veranlaßt, zu¬
nächst die Gewinnung des Bernsteins durch Graben in den Uferbergen bei
künftigen Verpachtungen auszuschließen und diesen nur das Lesen, Schöpfen
und Stechen zu überlassen.

Es traf sich gut, daß gerade um die damalige Zeit Unternehmer in die
Höhe kamen, die planmäßig vorgingen und die bisher vom Zufall abhängige,
lässig betriebne Bernsteingewinnung in andre Bahnen lenkten. Schon anfangs
der sechziger Jahre hatte die Firma Stantien und Becker, aufmerksam gemacht
durch Bernsteinfunde im Kurischen Haff, in der Nähe von Memel -- wo man
beim Baggern auf das auslaufende Ende der die Bernsteinablagerung ent¬
haltenden, sogenannten blauen Erdschicht gestoßen war -- durch Übernahme
der Baggerarbeiten, bei gleichzeitiger Zuzahlung eines bedeutenden Tagessatzes,
günstige Erfolge in der Gewinnung von Bernstein erzielt.

Als 1867 die Ausbeutung des Bernsteins durch Tagegräberei von der
Verpachtung an die Strandbewohner ausgeschlossen wurde, erwarben Stantien
und Becker, nachdem zunächst noch einige Jahre lang das Recht des Grabens
besonders an die Grundbesitzer der Strandorte vergeben worden war, 1870
vom Staate die Bernsteinnutzung durch Graben an einem Orte der samländischen
Nordküste, in Warnicken und zugleich an der noch bernsteinreichern Westküste,
in Palmnicken, das sich seither zum Hauptsitz des Unternehmens der Firma
ausgebildet hat. Dieselbe Gegend war schon 1780 von dem damaligen Chef
des preußischen Berg- und Hüttenwesens, dem verdienstvollen und weitblickenden
Minister von Heinitz, ins Auge gefaßt worden, um dort einen Versuch zur
Gewinnung des Bernsteins auf bergmännische Art, durch Graben unter Tage,
zu machen.") Dieser 1782 unternommne Versuch -- für den nur 500 Thaler
ausgegeben werden sollten -- scheint nicht mit dem nötigen Nachdruck ver¬
folgt worden zu sein, oder der unmittelbare Erfolg war nicht befriedigend.
Jedenfalls wurde diese Gewinnungsart damals aufgegeben, und es verlautete



") F, S, Bock, Versuch einer wirtschaftlichen Naturgeschichte Preußens, Dessau, 1783, it,
S, 637 ff,
Der Bernstein als Äosf für das Äunstgewerde

spieligere Weise des Verkehrs mit einer größern Zahl von Pächtern oder
Pachtgenossenschaften an Stelle eines Unternehmers war wenig vorteilhaft für
die Staatskasse, der Ertrag des Regals an und für sich gering. Die Pacht¬
summe belief sich in dieser Zeit auf wenig über 10000 Thaler. Dazu kam,
daß die Unerfahrenheit der Fischer von städtischen Geldgebern vielfach ausge¬
beutet wurde, und daß in den offnen Gräbereien in den Uferbergen eine Art
Raubbau getrieben wurde, der die Ufer gefährdete und den Zusammenfluß von
Landstreichern und Gesinde! am Strande begünstigte. Die Erfahrungen, die
mit der Verpachtung des Regals an die Strandbewohner gemacht wurden,
waren demnach in vieler Hinsicht nicht zufriedenstellend; wenn auch zunächst
noch an ihr festgehalten wurde, so sah die Negierung sich doch veranlaßt, zu¬
nächst die Gewinnung des Bernsteins durch Graben in den Uferbergen bei
künftigen Verpachtungen auszuschließen und diesen nur das Lesen, Schöpfen
und Stechen zu überlassen.

Es traf sich gut, daß gerade um die damalige Zeit Unternehmer in die
Höhe kamen, die planmäßig vorgingen und die bisher vom Zufall abhängige,
lässig betriebne Bernsteingewinnung in andre Bahnen lenkten. Schon anfangs
der sechziger Jahre hatte die Firma Stantien und Becker, aufmerksam gemacht
durch Bernsteinfunde im Kurischen Haff, in der Nähe von Memel — wo man
beim Baggern auf das auslaufende Ende der die Bernsteinablagerung ent¬
haltenden, sogenannten blauen Erdschicht gestoßen war — durch Übernahme
der Baggerarbeiten, bei gleichzeitiger Zuzahlung eines bedeutenden Tagessatzes,
günstige Erfolge in der Gewinnung von Bernstein erzielt.

Als 1867 die Ausbeutung des Bernsteins durch Tagegräberei von der
Verpachtung an die Strandbewohner ausgeschlossen wurde, erwarben Stantien
und Becker, nachdem zunächst noch einige Jahre lang das Recht des Grabens
besonders an die Grundbesitzer der Strandorte vergeben worden war, 1870
vom Staate die Bernsteinnutzung durch Graben an einem Orte der samländischen
Nordküste, in Warnicken und zugleich an der noch bernsteinreichern Westküste,
in Palmnicken, das sich seither zum Hauptsitz des Unternehmens der Firma
ausgebildet hat. Dieselbe Gegend war schon 1780 von dem damaligen Chef
des preußischen Berg- und Hüttenwesens, dem verdienstvollen und weitblickenden
Minister von Heinitz, ins Auge gefaßt worden, um dort einen Versuch zur
Gewinnung des Bernsteins auf bergmännische Art, durch Graben unter Tage,
zu machen.") Dieser 1782 unternommne Versuch — für den nur 500 Thaler
ausgegeben werden sollten — scheint nicht mit dem nötigen Nachdruck ver¬
folgt worden zu sein, oder der unmittelbare Erfolg war nicht befriedigend.
Jedenfalls wurde diese Gewinnungsart damals aufgegeben, und es verlautete



") F, S, Bock, Versuch einer wirtschaftlichen Naturgeschichte Preußens, Dessau, 1783, it,
S, 637 ff,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/192>, abgerufen am 28.09.2024.