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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.

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Rassen und Ariege

Psychologischen Gründen unzulässig. Dieser Ausdruck mag vielleicht befremden
in seiner Anwendung auf den einzelnen Fall, aber einen zutreffenden wüßte
ich wirklich nicht zu finden. Jeder tüchtige Seeoffizier muß auch zugleich ein
geborner Seemann sein, und gerade darin sind von der ältesten Zeit bis zur
Gegenwart die romanischen Rassel? niemals den germanischen ebenbürtig ge¬
wesen. Man setze einmal an Cerveras Stelle einen Nelson, van Tromp, Ruyter,
Prinz Adalbert, Werner, Knorr und frage sich, ob alle diese Männer nicht ganz
selbstverständlich in einem noch so verzweifelten Kampfe gegen einen zehnfach
überlegnen Feind den Preis ihres eignen Untergangs nach der Anzahl der
feindlichen Schiffe bemessen haben würden, die sie durch Gewalt, Kühnheit
oder List "mit in die Hölle hineinreißen" könnten? Ganz gewiß.

Auch hier ist also, abgesehen von rein technischer und numerischer Ungleich¬
heit, die Verschiedenheit der Rasse sehr wesentlich für eine richtige Beurteilung.
Auf amerikanischer Seite, wenn auch nicht "Heldenmut" (obwohl dieser ge¬
gebnen Falls nicht fehlen würde) , jedenfalls Geistesgegenwart, Treffsicherheit
und seemännische Gewandtheit; auf der andern nur ein toller Entschluß, dem
im entscheidenden Augenblick alles, absolut alles fehlte, was seine Durchführung
hätte erklären und militärisch rechtfertigen können.

Angesichts dieser Thatsachen scheint es durchaus begreiflich, wenn der
deutsche Admiral Plüddemann es offen aussprach, daß Spanien durch seine
Kriegführung unsre anfänglichen Sympathien, die natürlich dem schwüchern
Volke galten, verscherzt habe. In Bezug auf Langsamkeit und Planlosigkeit,
überhaupt Unfähigkeit der Oberleitung, wetteiferte die Union mit Spanien, nur
mit dem kleinen Unterschiede, daß im gegebnen Augenblick jedesmal die Initiative
und praktische Auffassungsgabe der Ucmkees die Fehler ihrer Oberleitung wieder
ausgleichen konnte.

Ich möchte die Überlegenheit der Amerikaner auf die Eigenschaft zurück¬
führen, die ihnen von manchen oberflächlich Urteilenden oder Nichteingeweihten
meistens abgesprochen wird, nämlich auf ihre Disziplin, auf eine gewisse innere
Disziplin der anglosächsischen Rasse im allgemeinen. Sie ist nicht immer
ausgebildet, oft nur latent, aber im Ernstfall hat sie ihre Belastungsprobe
zu allen Zeiten gut bestanden.

Um nicht für anmaßend gehalten zu werden, muß ich hier betonen, daß
mit dem Wort "oberflächlich Urteilenden" keineswegs angedeutet werden soll,
daß ich meine Meinung an sich im geringsten höher einschätze, als die irgend
eines andern. Nur soviel darf ich in eigner Sache erwähnen, daß ein zwölf¬
jähriger Aufenthalt in England und den Vereinigten Staaten mir hinreichende
Gelegenheit und Muße gab, die nationalen Eigentümlichkeiten der beiden stamm¬
verwandten und doch wieder so verschiednen Völker gründlich kennen zu lernen.
Reisen und Besuche sind gewiß immer lehrreich, weil frische und wechselnde
Eindrücke die Beobachtung schärfen und manche Borurteile beseitigen können;


Grenzboten II 1899 23
Rassen und Ariege

Psychologischen Gründen unzulässig. Dieser Ausdruck mag vielleicht befremden
in seiner Anwendung auf den einzelnen Fall, aber einen zutreffenden wüßte
ich wirklich nicht zu finden. Jeder tüchtige Seeoffizier muß auch zugleich ein
geborner Seemann sein, und gerade darin sind von der ältesten Zeit bis zur
Gegenwart die romanischen Rassel? niemals den germanischen ebenbürtig ge¬
wesen. Man setze einmal an Cerveras Stelle einen Nelson, van Tromp, Ruyter,
Prinz Adalbert, Werner, Knorr und frage sich, ob alle diese Männer nicht ganz
selbstverständlich in einem noch so verzweifelten Kampfe gegen einen zehnfach
überlegnen Feind den Preis ihres eignen Untergangs nach der Anzahl der
feindlichen Schiffe bemessen haben würden, die sie durch Gewalt, Kühnheit
oder List „mit in die Hölle hineinreißen" könnten? Ganz gewiß.

Auch hier ist also, abgesehen von rein technischer und numerischer Ungleich¬
heit, die Verschiedenheit der Rasse sehr wesentlich für eine richtige Beurteilung.
Auf amerikanischer Seite, wenn auch nicht „Heldenmut" (obwohl dieser ge¬
gebnen Falls nicht fehlen würde) , jedenfalls Geistesgegenwart, Treffsicherheit
und seemännische Gewandtheit; auf der andern nur ein toller Entschluß, dem
im entscheidenden Augenblick alles, absolut alles fehlte, was seine Durchführung
hätte erklären und militärisch rechtfertigen können.

Angesichts dieser Thatsachen scheint es durchaus begreiflich, wenn der
deutsche Admiral Plüddemann es offen aussprach, daß Spanien durch seine
Kriegführung unsre anfänglichen Sympathien, die natürlich dem schwüchern
Volke galten, verscherzt habe. In Bezug auf Langsamkeit und Planlosigkeit,
überhaupt Unfähigkeit der Oberleitung, wetteiferte die Union mit Spanien, nur
mit dem kleinen Unterschiede, daß im gegebnen Augenblick jedesmal die Initiative
und praktische Auffassungsgabe der Ucmkees die Fehler ihrer Oberleitung wieder
ausgleichen konnte.

Ich möchte die Überlegenheit der Amerikaner auf die Eigenschaft zurück¬
führen, die ihnen von manchen oberflächlich Urteilenden oder Nichteingeweihten
meistens abgesprochen wird, nämlich auf ihre Disziplin, auf eine gewisse innere
Disziplin der anglosächsischen Rasse im allgemeinen. Sie ist nicht immer
ausgebildet, oft nur latent, aber im Ernstfall hat sie ihre Belastungsprobe
zu allen Zeiten gut bestanden.

Um nicht für anmaßend gehalten zu werden, muß ich hier betonen, daß
mit dem Wort „oberflächlich Urteilenden" keineswegs angedeutet werden soll,
daß ich meine Meinung an sich im geringsten höher einschätze, als die irgend
eines andern. Nur soviel darf ich in eigner Sache erwähnen, daß ein zwölf¬
jähriger Aufenthalt in England und den Vereinigten Staaten mir hinreichende
Gelegenheit und Muße gab, die nationalen Eigentümlichkeiten der beiden stamm¬
verwandten und doch wieder so verschiednen Völker gründlich kennen zu lernen.
Reisen und Besuche sind gewiß immer lehrreich, weil frische und wechselnde
Eindrücke die Beobachtung schärfen und manche Borurteile beseitigen können;


Grenzboten II 1899 23
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[0185] Rassen und Ariege Psychologischen Gründen unzulässig. Dieser Ausdruck mag vielleicht befremden in seiner Anwendung auf den einzelnen Fall, aber einen zutreffenden wüßte ich wirklich nicht zu finden. Jeder tüchtige Seeoffizier muß auch zugleich ein geborner Seemann sein, und gerade darin sind von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart die romanischen Rassel? niemals den germanischen ebenbürtig ge¬ wesen. Man setze einmal an Cerveras Stelle einen Nelson, van Tromp, Ruyter, Prinz Adalbert, Werner, Knorr und frage sich, ob alle diese Männer nicht ganz selbstverständlich in einem noch so verzweifelten Kampfe gegen einen zehnfach überlegnen Feind den Preis ihres eignen Untergangs nach der Anzahl der feindlichen Schiffe bemessen haben würden, die sie durch Gewalt, Kühnheit oder List „mit in die Hölle hineinreißen" könnten? Ganz gewiß. Auch hier ist also, abgesehen von rein technischer und numerischer Ungleich¬ heit, die Verschiedenheit der Rasse sehr wesentlich für eine richtige Beurteilung. Auf amerikanischer Seite, wenn auch nicht „Heldenmut" (obwohl dieser ge¬ gebnen Falls nicht fehlen würde) , jedenfalls Geistesgegenwart, Treffsicherheit und seemännische Gewandtheit; auf der andern nur ein toller Entschluß, dem im entscheidenden Augenblick alles, absolut alles fehlte, was seine Durchführung hätte erklären und militärisch rechtfertigen können. Angesichts dieser Thatsachen scheint es durchaus begreiflich, wenn der deutsche Admiral Plüddemann es offen aussprach, daß Spanien durch seine Kriegführung unsre anfänglichen Sympathien, die natürlich dem schwüchern Volke galten, verscherzt habe. In Bezug auf Langsamkeit und Planlosigkeit, überhaupt Unfähigkeit der Oberleitung, wetteiferte die Union mit Spanien, nur mit dem kleinen Unterschiede, daß im gegebnen Augenblick jedesmal die Initiative und praktische Auffassungsgabe der Ucmkees die Fehler ihrer Oberleitung wieder ausgleichen konnte. Ich möchte die Überlegenheit der Amerikaner auf die Eigenschaft zurück¬ führen, die ihnen von manchen oberflächlich Urteilenden oder Nichteingeweihten meistens abgesprochen wird, nämlich auf ihre Disziplin, auf eine gewisse innere Disziplin der anglosächsischen Rasse im allgemeinen. Sie ist nicht immer ausgebildet, oft nur latent, aber im Ernstfall hat sie ihre Belastungsprobe zu allen Zeiten gut bestanden. Um nicht für anmaßend gehalten zu werden, muß ich hier betonen, daß mit dem Wort „oberflächlich Urteilenden" keineswegs angedeutet werden soll, daß ich meine Meinung an sich im geringsten höher einschätze, als die irgend eines andern. Nur soviel darf ich in eigner Sache erwähnen, daß ein zwölf¬ jähriger Aufenthalt in England und den Vereinigten Staaten mir hinreichende Gelegenheit und Muße gab, die nationalen Eigentümlichkeiten der beiden stamm¬ verwandten und doch wieder so verschiednen Völker gründlich kennen zu lernen. Reisen und Besuche sind gewiß immer lehrreich, weil frische und wechselnde Eindrücke die Beobachtung schärfen und manche Borurteile beseitigen können; Grenzboten II 1899 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_230431/185>, abgerufen am 28.09.2024.