Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.Der Römerstaat Nun hatte aber -- das macht die Sache noch verwickelter -- jede solche Grenzbole" I> 189" 17
Der Römerstaat Nun hatte aber — das macht die Sache noch verwickelter — jede solche Grenzbole» I> 189» 17
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Der Römerstaat
Nun hatte aber — das macht die Sache noch verwickelter — jede solche
Gottheit nicht etwa fürs ganze Weltall ihren Dienst zu verrichten, sondern
jede Stadtgemeinde besaß ihre eignen Gottheiten. Wurde eine fremde Stadt
bekriegt, so mußten deren Götter gebeten werden, es nicht übelzunehmen; war
sie erstürmt, so bat man die Götter, ihre alte Stätte zu verlassen und nach
Rom überzusiedeln. Allerdings gilt das nicht vom „Götterpöbel," sondern
uur von den größern Göttern. Besonders feierlich ist es nach des Livius
Bericht (5, 20 ff.) bei der Einnahme von Veji zugegangen. Als der Fall der
Stadt unmittelbar bevorstand, schrieb Camillus, dessen tiefe Frömmigkeit sich
in allen entscheidenden Wendungen seiner politischen und Feldherrnlaufliahn
äußerte, an den Senat: Durch die Güte der unsterblichen Götter, durch seinen
Kriegsplan und die Ausdauer der Soldaten sei Veji nun endlich in die
Gewalt des römischen Volkes gebracht. Vorm letzten Sturme betete er nach
angestellten Auspizien vor dem versammelten Kriegsvolk: „Unter deiner Führung,
0 phthischer Apollo ^die heimischen Götter genügten dieser unersättlichen
Frömmigkeit schon nicht mehr^, und von deinem Geiste getrieben <t,ac><lenz
numino in«t,in<zw8) schreite ich zur Zerstörung der Stadt Veji; dir gelobe ich
den zehnten Teil der Beute. Zugleich auch bitte ich dich, Königin Juno,
die du Veji bewohnst, daß du uns Siegern in unsre Stadt folgest, die in
Zukunft die deine sein wird; ein deiner Größe würdiger Tempel wird dich
dort aufnehmen." Nachdem der Diktator in der eingenommnen Stadt dem
Gemetzel Einhalt gethan hatte, erhob er die Hände zum Himmel und betete:
wenn sein Glück und das des römischen Volkes einem der Götter oder Menschen
zu groß scheint, so möge es dem römischen Volke vergönnt sein, diesen Neid
mit einem möglichst geringen, öffentlichen und Privatunglück zu besänftigen.
Nach Wegschaffung der materiellen Schätze begann man dann die Götter „nicht
nach Räuberart, sondern nach Art Verehrender" überzuführen. Die Jünglinge,
die zur Überführung der Königin Juno auserlesen wurden, mußten ihren
Leib durch ein Bad reinigen und weiße Gewänder anziehen. Dann betraten
sie ehrfurchtsvoll den Tempel und legten mit heiliger Scheu Hand an das
Bild der Göttin, das sonst nnr Priester aus einem bestimmten Geschlecht
hatten berühren dürfen. Einer von ihnen, „sei es auf göttlichen Antrieb oder
aus jugendlichem Mutwillen," fragte: „Willst du nach Rom gehn, Juno?"
Die übrigen riefen: die Göttin habe genickt, und später entstand die Sage, sie
habe sogar: Ich will! gerufen. Jedenfalls ließ sie sich leicht von ihrem Sitze
heben und forttragen. Unbeschädigt wurde sie auf den Aventinus, „ihren
ewigen Sitz" gebracht, wo ihr Camillus den Tempel baute, den er gelobt
hatte. Die Zeit des bildlosen Kultus war damals schon vorüber. Aber nicht
bloß jede Stadt hatte ihre eignen Götter, sondern auch jede der Souder-
gemeinden auf den Tiberhügeln, die nach und nach zu einer Gemeinde ver¬
schmolzen, und die Plebs hatte keinen Teil an den Göttern der alten Ge-
Grenzbole» I> 189» 17
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