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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Kaiserliche Finanzen

Hofzuge oder auf der Hohenzollern zu übernachten pflegt. So hat er bei
seiner letzten mehrwöchigen Reise nach Neapel thatsächlich nur in der Hofburg zu
Wien ein Gastbett benutzt. Allerdings brauchen Lokomotive und Schiff Kohlen,
und auch ein Hofzug kostet mehr als die "fahrplanmäßige" Beförderung; aber
was bedeutet das gegenüber dem Aufwand", der aus dem Aufenthalt fürst¬
licher Reisenden mit Gefolge in Gasthäusern erwächst! Wenn der Kaiser im
Hofzuge wie auf dem Schiff aus seiner Küche speist,, so wird ihm das schwerlich
mehr kosten, als wenn er daheim residiert und repräsentiert- Schon der ein¬
fache Privatmann, der eine längere Reise mit seiner aus mehreren Personen
bestehenden Familie gemacht hat, weiß, was er für Logis, Beköstigung, Trink¬
gelder usw. zu leisten hatte, auch wenn er noch so sparsam lebte. Übersetzt
man diese Preise in solche, die einem Fürsten und noch dazu einem Kaiser
berechnet werden, so kommen ganz ungeheure Summen heraus. Auf einer
Reise, die Friedrich Wilhelm IV. als Kronprinz unternahm, hatte sein
damaliger, noch junger und mit den einschlägigen Verhältnissen unbekannter
Hofmarschall es unterlassen, bei dem ersten Nachtquartier auf italienischem
Boden mit dem Wirt zu akkordieren. Als die Rechnung dementsprechend aus¬
gefallen war, ließ er den Mann kommen und stellte ihn vor die Wahl, ent¬
weder die Preise auf die Hälfte zu reduzieren oder sich darauf gefaßt zu
machen, daß sie in einer Anzahl Zeitungen abgedruckt würden. Der Wirt
erklärte sich ohne Zögern mit der Zahlung der Hälfte befriedigt.

Große Hofjagden in Wusterhausen, Letzlingen, Springe usw. hält der
Kaiser nicht öfter ab als sein Großvater; er jagt außerdem noch viel, aber
dann ladet er sich entweder bei seinen Unterthanen zu Gast, oder er geht, wie
z. B. in Nvminten, dem Weidwerk in der Einsamkeit nach.

Besuche fremder Fürstlichkeiten am preußischen Hofe sind verhältnismäßig
selten und nicht häufiger, als durch das Staatsinteresse geboten ist. Auch in
dieser Beziehung ist im Vergleich gegen frühere Zeiten eine bedeutende Ver¬
minderung zu verzeichnen. So pflegte man unter Friedrich Wilhelm IV.
scherzweise zu sagen, die mecklenburgischen, und zwar sowohl die Schweriner
wie die Strelitzer Herrschaften müßten eigentlich in Berlin Kommunalsteuer
zahlen, weil sie sich einen so großen Teil des Jahres dort aufhielten. Welchen
Aufwand verursachten einzig und allein die regelmäßigen Besuche des russischen
Kaiserpaares Nikolaus I. und seiner Gemahlin, der Prinzessin Charlotte von
Preußen!

Kostspielige Passionen, wie man sie aus der Geschichte andrer Fürsten
kennt, liegen dem Kaiser fern. Ja man könnte sogar sagen, unser Hof sei ver¬
hältnismäßig zu einfach, er sollte länger in Berlin residieren, mehr Feste geben,
dadurch Geld unter die Leute bringen, mehr sür das Theater aufwenden usw.
Vielleicht nimmt man gerade, weil das nicht geschieht, weil in mancher Be¬
ziehung eine große Sparsamkeit geübt wird, an, daß die finanzielle Lage nicht


Kaiserliche Finanzen

Hofzuge oder auf der Hohenzollern zu übernachten pflegt. So hat er bei
seiner letzten mehrwöchigen Reise nach Neapel thatsächlich nur in der Hofburg zu
Wien ein Gastbett benutzt. Allerdings brauchen Lokomotive und Schiff Kohlen,
und auch ein Hofzug kostet mehr als die „fahrplanmäßige" Beförderung; aber
was bedeutet das gegenüber dem Aufwand«, der aus dem Aufenthalt fürst¬
licher Reisenden mit Gefolge in Gasthäusern erwächst! Wenn der Kaiser im
Hofzuge wie auf dem Schiff aus seiner Küche speist,, so wird ihm das schwerlich
mehr kosten, als wenn er daheim residiert und repräsentiert- Schon der ein¬
fache Privatmann, der eine längere Reise mit seiner aus mehreren Personen
bestehenden Familie gemacht hat, weiß, was er für Logis, Beköstigung, Trink¬
gelder usw. zu leisten hatte, auch wenn er noch so sparsam lebte. Übersetzt
man diese Preise in solche, die einem Fürsten und noch dazu einem Kaiser
berechnet werden, so kommen ganz ungeheure Summen heraus. Auf einer
Reise, die Friedrich Wilhelm IV. als Kronprinz unternahm, hatte sein
damaliger, noch junger und mit den einschlägigen Verhältnissen unbekannter
Hofmarschall es unterlassen, bei dem ersten Nachtquartier auf italienischem
Boden mit dem Wirt zu akkordieren. Als die Rechnung dementsprechend aus¬
gefallen war, ließ er den Mann kommen und stellte ihn vor die Wahl, ent¬
weder die Preise auf die Hälfte zu reduzieren oder sich darauf gefaßt zu
machen, daß sie in einer Anzahl Zeitungen abgedruckt würden. Der Wirt
erklärte sich ohne Zögern mit der Zahlung der Hälfte befriedigt.

Große Hofjagden in Wusterhausen, Letzlingen, Springe usw. hält der
Kaiser nicht öfter ab als sein Großvater; er jagt außerdem noch viel, aber
dann ladet er sich entweder bei seinen Unterthanen zu Gast, oder er geht, wie
z. B. in Nvminten, dem Weidwerk in der Einsamkeit nach.

Besuche fremder Fürstlichkeiten am preußischen Hofe sind verhältnismäßig
selten und nicht häufiger, als durch das Staatsinteresse geboten ist. Auch in
dieser Beziehung ist im Vergleich gegen frühere Zeiten eine bedeutende Ver¬
minderung zu verzeichnen. So pflegte man unter Friedrich Wilhelm IV.
scherzweise zu sagen, die mecklenburgischen, und zwar sowohl die Schweriner
wie die Strelitzer Herrschaften müßten eigentlich in Berlin Kommunalsteuer
zahlen, weil sie sich einen so großen Teil des Jahres dort aufhielten. Welchen
Aufwand verursachten einzig und allein die regelmäßigen Besuche des russischen
Kaiserpaares Nikolaus I. und seiner Gemahlin, der Prinzessin Charlotte von
Preußen!

Kostspielige Passionen, wie man sie aus der Geschichte andrer Fürsten
kennt, liegen dem Kaiser fern. Ja man könnte sogar sagen, unser Hof sei ver¬
hältnismäßig zu einfach, er sollte länger in Berlin residieren, mehr Feste geben,
dadurch Geld unter die Leute bringen, mehr sür das Theater aufwenden usw.
Vielleicht nimmt man gerade, weil das nicht geschieht, weil in mancher Be¬
ziehung eine große Sparsamkeit geübt wird, an, daß die finanzielle Lage nicht


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[0077] Kaiserliche Finanzen Hofzuge oder auf der Hohenzollern zu übernachten pflegt. So hat er bei seiner letzten mehrwöchigen Reise nach Neapel thatsächlich nur in der Hofburg zu Wien ein Gastbett benutzt. Allerdings brauchen Lokomotive und Schiff Kohlen, und auch ein Hofzug kostet mehr als die „fahrplanmäßige" Beförderung; aber was bedeutet das gegenüber dem Aufwand«, der aus dem Aufenthalt fürst¬ licher Reisenden mit Gefolge in Gasthäusern erwächst! Wenn der Kaiser im Hofzuge wie auf dem Schiff aus seiner Küche speist,, so wird ihm das schwerlich mehr kosten, als wenn er daheim residiert und repräsentiert- Schon der ein¬ fache Privatmann, der eine längere Reise mit seiner aus mehreren Personen bestehenden Familie gemacht hat, weiß, was er für Logis, Beköstigung, Trink¬ gelder usw. zu leisten hatte, auch wenn er noch so sparsam lebte. Übersetzt man diese Preise in solche, die einem Fürsten und noch dazu einem Kaiser berechnet werden, so kommen ganz ungeheure Summen heraus. Auf einer Reise, die Friedrich Wilhelm IV. als Kronprinz unternahm, hatte sein damaliger, noch junger und mit den einschlägigen Verhältnissen unbekannter Hofmarschall es unterlassen, bei dem ersten Nachtquartier auf italienischem Boden mit dem Wirt zu akkordieren. Als die Rechnung dementsprechend aus¬ gefallen war, ließ er den Mann kommen und stellte ihn vor die Wahl, ent¬ weder die Preise auf die Hälfte zu reduzieren oder sich darauf gefaßt zu machen, daß sie in einer Anzahl Zeitungen abgedruckt würden. Der Wirt erklärte sich ohne Zögern mit der Zahlung der Hälfte befriedigt. Große Hofjagden in Wusterhausen, Letzlingen, Springe usw. hält der Kaiser nicht öfter ab als sein Großvater; er jagt außerdem noch viel, aber dann ladet er sich entweder bei seinen Unterthanen zu Gast, oder er geht, wie z. B. in Nvminten, dem Weidwerk in der Einsamkeit nach. Besuche fremder Fürstlichkeiten am preußischen Hofe sind verhältnismäßig selten und nicht häufiger, als durch das Staatsinteresse geboten ist. Auch in dieser Beziehung ist im Vergleich gegen frühere Zeiten eine bedeutende Ver¬ minderung zu verzeichnen. So pflegte man unter Friedrich Wilhelm IV. scherzweise zu sagen, die mecklenburgischen, und zwar sowohl die Schweriner wie die Strelitzer Herrschaften müßten eigentlich in Berlin Kommunalsteuer zahlen, weil sie sich einen so großen Teil des Jahres dort aufhielten. Welchen Aufwand verursachten einzig und allein die regelmäßigen Besuche des russischen Kaiserpaares Nikolaus I. und seiner Gemahlin, der Prinzessin Charlotte von Preußen! Kostspielige Passionen, wie man sie aus der Geschichte andrer Fürsten kennt, liegen dem Kaiser fern. Ja man könnte sogar sagen, unser Hof sei ver¬ hältnismäßig zu einfach, er sollte länger in Berlin residieren, mehr Feste geben, dadurch Geld unter die Leute bringen, mehr sür das Theater aufwenden usw. Vielleicht nimmt man gerade, weil das nicht geschieht, weil in mancher Be¬ ziehung eine große Sparsamkeit geübt wird, an, daß die finanzielle Lage nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/77>, abgerufen am 26.08.2024.