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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Kaiserliche Finanzen

wurde zugleich ein zweites Diner für das Gefolge serviert (Marschallstafel).
Der Regel nach aber sah der König mittags und abends zahlreiche Gäste bei
sich, einheimische und fremde. Magnaten aus dem Laude, höhere Provinzial-
beamte und Militärs, Fremde von Distinktion meldeten sich, wenn sie nach
Berlin kamen, bei Hofe und erhielten eine Einladung zur Tafel. Unter
Friedrich Wilhelm III. hatte der "Kümmerier" des Königs freien Tisch, zu dem
er nach Belieben eine Anzahl Gäste einladen durfte. Alles das ist weg¬
gefallen. Das Kaiserliche Paar pflegt zwar einzelne Gäste zur Tafel zu ziehn,
aber doch nur in einem sehr beschränkten Umfange, und durchaus nicht jeden
Tag. Auch die Zahl der großen Feste ist, wenn man den Vergleich mit der
Vergangenheit zieht, auf das geringste Maß zusammengeschmolzen. Früher
gab der Hof während der sogenannten Karnevalszeit in jeder Woche mindestens
ein Fest zu Zeiten Friedrich Wilhelms IV. im Schloß, unter Kaiser Wilhelm I.
abwechselnd dort und in seinem Palais. Dazu kamen die prinzlichen Bälle und
sonstigen Festlichkeiten, die ja doch nach dem oben gesagten samt und sonders aus
der Kasse des Königs bestritten werden mußten. Jetzt sind die Neujahrs-, die
Geburtstagsfeier und die große Cour, bei denen eine Bewirtung überhaupt nicht
oder doch nur in sehr beschränktem Maße stattfindet, sodann zwei oder drei
Bälle und eine Anzahl größerer Diners am Kaiserlichen Hofe zu zählen. Feste
bei Prinzen finden überhaupt nicht statt.

Wie Wilhelm II. überhaupt ein Freund der Kunst ist, so insbesondre der
Architektur. Aber er scheint Anstand zu nehmen, große und prächtige Bauten auf
Kosten der Privatschatulle ausführen zu lassen, wie seine Vorgänger dies gethan
haben. Nominten, Urville und die Matrosenstation bei Potsdam lassen er¬
kennen, wie sparsam in dieser Beziehung gewirtschaftet wird. Einzig und
allein der Leibmarstall beim Neuen Palais wäre noch zu nennen, der gebaut
worden ist, um endlich die Unbequemlichkeit zu beseitigen, daß der größere
Teil der Pferde usw. beim Stadtschloß in Potsdam Unterkunft haben mußte.
Ein großes Palais, das prachtvollste, das die preußische Krone besitzt, das
Bauwerk Friedrichs II. und -- ein Stall daneben, das Bauwerk Wilhelms II.,
das eine von dem Herrscher des kleinen Staates nach dem längsten Kriege,
den Preußen geführt hat, das andre von dem Herrscher des vergrößerten
Staates nach fünfundzwanzigjährigen Frieden errichtet! Und da redet man
noch von großen Ausgaben!

Aber der Kaiser reist so viel, sagt man. Ja, haben seine Vorgänger an
der Krone nicht dasselbe gethan? Friedrich Wilhelm IV. bereiste oft das
Land, inspizierte die Behörden, besuchte Italien und befreundete Höfe. Wil¬
helm I. ging jedes Jahr nach Karlsbad und Gastein oder nach Ems, die
Kaiserin und Königin Angusta residierte in Koblenz und Baden-Baden. Diese
Reisen erforderten sehr viel höhere Kosten als Kaiser Wilhelm II. auf¬
wendet, der, abgesehen von Besuchen an fürstlichen Höfen, entweder in seinem


Kaiserliche Finanzen

wurde zugleich ein zweites Diner für das Gefolge serviert (Marschallstafel).
Der Regel nach aber sah der König mittags und abends zahlreiche Gäste bei
sich, einheimische und fremde. Magnaten aus dem Laude, höhere Provinzial-
beamte und Militärs, Fremde von Distinktion meldeten sich, wenn sie nach
Berlin kamen, bei Hofe und erhielten eine Einladung zur Tafel. Unter
Friedrich Wilhelm III. hatte der „Kümmerier" des Königs freien Tisch, zu dem
er nach Belieben eine Anzahl Gäste einladen durfte. Alles das ist weg¬
gefallen. Das Kaiserliche Paar pflegt zwar einzelne Gäste zur Tafel zu ziehn,
aber doch nur in einem sehr beschränkten Umfange, und durchaus nicht jeden
Tag. Auch die Zahl der großen Feste ist, wenn man den Vergleich mit der
Vergangenheit zieht, auf das geringste Maß zusammengeschmolzen. Früher
gab der Hof während der sogenannten Karnevalszeit in jeder Woche mindestens
ein Fest zu Zeiten Friedrich Wilhelms IV. im Schloß, unter Kaiser Wilhelm I.
abwechselnd dort und in seinem Palais. Dazu kamen die prinzlichen Bälle und
sonstigen Festlichkeiten, die ja doch nach dem oben gesagten samt und sonders aus
der Kasse des Königs bestritten werden mußten. Jetzt sind die Neujahrs-, die
Geburtstagsfeier und die große Cour, bei denen eine Bewirtung überhaupt nicht
oder doch nur in sehr beschränktem Maße stattfindet, sodann zwei oder drei
Bälle und eine Anzahl größerer Diners am Kaiserlichen Hofe zu zählen. Feste
bei Prinzen finden überhaupt nicht statt.

Wie Wilhelm II. überhaupt ein Freund der Kunst ist, so insbesondre der
Architektur. Aber er scheint Anstand zu nehmen, große und prächtige Bauten auf
Kosten der Privatschatulle ausführen zu lassen, wie seine Vorgänger dies gethan
haben. Nominten, Urville und die Matrosenstation bei Potsdam lassen er¬
kennen, wie sparsam in dieser Beziehung gewirtschaftet wird. Einzig und
allein der Leibmarstall beim Neuen Palais wäre noch zu nennen, der gebaut
worden ist, um endlich die Unbequemlichkeit zu beseitigen, daß der größere
Teil der Pferde usw. beim Stadtschloß in Potsdam Unterkunft haben mußte.
Ein großes Palais, das prachtvollste, das die preußische Krone besitzt, das
Bauwerk Friedrichs II. und — ein Stall daneben, das Bauwerk Wilhelms II.,
das eine von dem Herrscher des kleinen Staates nach dem längsten Kriege,
den Preußen geführt hat, das andre von dem Herrscher des vergrößerten
Staates nach fünfundzwanzigjährigen Frieden errichtet! Und da redet man
noch von großen Ausgaben!

Aber der Kaiser reist so viel, sagt man. Ja, haben seine Vorgänger an
der Krone nicht dasselbe gethan? Friedrich Wilhelm IV. bereiste oft das
Land, inspizierte die Behörden, besuchte Italien und befreundete Höfe. Wil¬
helm I. ging jedes Jahr nach Karlsbad und Gastein oder nach Ems, die
Kaiserin und Königin Angusta residierte in Koblenz und Baden-Baden. Diese
Reisen erforderten sehr viel höhere Kosten als Kaiser Wilhelm II. auf¬
wendet, der, abgesehen von Besuchen an fürstlichen Höfen, entweder in seinem


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[0076] Kaiserliche Finanzen wurde zugleich ein zweites Diner für das Gefolge serviert (Marschallstafel). Der Regel nach aber sah der König mittags und abends zahlreiche Gäste bei sich, einheimische und fremde. Magnaten aus dem Laude, höhere Provinzial- beamte und Militärs, Fremde von Distinktion meldeten sich, wenn sie nach Berlin kamen, bei Hofe und erhielten eine Einladung zur Tafel. Unter Friedrich Wilhelm III. hatte der „Kümmerier" des Königs freien Tisch, zu dem er nach Belieben eine Anzahl Gäste einladen durfte. Alles das ist weg¬ gefallen. Das Kaiserliche Paar pflegt zwar einzelne Gäste zur Tafel zu ziehn, aber doch nur in einem sehr beschränkten Umfange, und durchaus nicht jeden Tag. Auch die Zahl der großen Feste ist, wenn man den Vergleich mit der Vergangenheit zieht, auf das geringste Maß zusammengeschmolzen. Früher gab der Hof während der sogenannten Karnevalszeit in jeder Woche mindestens ein Fest zu Zeiten Friedrich Wilhelms IV. im Schloß, unter Kaiser Wilhelm I. abwechselnd dort und in seinem Palais. Dazu kamen die prinzlichen Bälle und sonstigen Festlichkeiten, die ja doch nach dem oben gesagten samt und sonders aus der Kasse des Königs bestritten werden mußten. Jetzt sind die Neujahrs-, die Geburtstagsfeier und die große Cour, bei denen eine Bewirtung überhaupt nicht oder doch nur in sehr beschränktem Maße stattfindet, sodann zwei oder drei Bälle und eine Anzahl größerer Diners am Kaiserlichen Hofe zu zählen. Feste bei Prinzen finden überhaupt nicht statt. Wie Wilhelm II. überhaupt ein Freund der Kunst ist, so insbesondre der Architektur. Aber er scheint Anstand zu nehmen, große und prächtige Bauten auf Kosten der Privatschatulle ausführen zu lassen, wie seine Vorgänger dies gethan haben. Nominten, Urville und die Matrosenstation bei Potsdam lassen er¬ kennen, wie sparsam in dieser Beziehung gewirtschaftet wird. Einzig und allein der Leibmarstall beim Neuen Palais wäre noch zu nennen, der gebaut worden ist, um endlich die Unbequemlichkeit zu beseitigen, daß der größere Teil der Pferde usw. beim Stadtschloß in Potsdam Unterkunft haben mußte. Ein großes Palais, das prachtvollste, das die preußische Krone besitzt, das Bauwerk Friedrichs II. und — ein Stall daneben, das Bauwerk Wilhelms II., das eine von dem Herrscher des kleinen Staates nach dem längsten Kriege, den Preußen geführt hat, das andre von dem Herrscher des vergrößerten Staates nach fünfundzwanzigjährigen Frieden errichtet! Und da redet man noch von großen Ausgaben! Aber der Kaiser reist so viel, sagt man. Ja, haben seine Vorgänger an der Krone nicht dasselbe gethan? Friedrich Wilhelm IV. bereiste oft das Land, inspizierte die Behörden, besuchte Italien und befreundete Höfe. Wil¬ helm I. ging jedes Jahr nach Karlsbad und Gastein oder nach Ems, die Kaiserin und Königin Angusta residierte in Koblenz und Baden-Baden. Diese Reisen erforderten sehr viel höhere Kosten als Kaiser Wilhelm II. auf¬ wendet, der, abgesehen von Besuchen an fürstlichen Höfen, entweder in seinem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/76>, abgerufen am 23.07.2024.