Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.Ubelstcinde bei der Renteiibewilligung Versicherungsamt angerufen wurden, ist ganz unverhältnismäßig groß. Wie Man soll uns nicht entgegenhalten, daß der größte Teil der Beschwerden Von den erledigten 20264 Berufungen und 4122 Revisionen des Jahres Berücksichtigt man, daß den Versicherungsanstalten und Berufsgenossen¬ Ubelstcinde bei der Renteiibewilligung Versicherungsamt angerufen wurden, ist ganz unverhältnismäßig groß. Wie Man soll uns nicht entgegenhalten, daß der größte Teil der Beschwerden Von den erledigten 20264 Berufungen und 4122 Revisionen des Jahres Berücksichtigt man, daß den Versicherungsanstalten und Berufsgenossen¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0714" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230400"/> <fw type="header" place="top"> Ubelstcinde bei der Renteiibewilligung</fw><lb/> <p xml:id="ID_3009" prev="#ID_3008"> Versicherungsamt angerufen wurden, ist ganz unverhältnismäßig groß. Wie<lb/> viele Bescheide von den Versicherungsanstalten im ganzen einschließlich der Ab-<lb/> lehnungsbescheide alljährlich erlassen werden, darüber waren bis zum Ablauf<lb/> des vergangnen Jahres Zcchlcncmgaben nicht bekannt gemacht. Doch sind im<lb/> Jahre 1897 von ihnen 93421 neue Renten und 119877 Beitragserstattungen<lb/> bewilligt, und während desselben Zeitraums von den mit ihren Anträgen<lb/> abgewiesenen Personen 19607 Berufungen bei den Schiedsgerichten und<lb/> 3268 Revisionen beim Reichsversicherungsamt eingelegt worden. In der<lb/> Unfallversicherung entfallen für 1897 auf 184162 Bescheide der Berufs¬<lb/> genossenschaften und Aufsichtsbehörden nicht weniger als 42111 Berufungen<lb/> bei den Schiedsgerichten und 8095 von den Versicherten eingelegte Rekurse<lb/> beim Reichsversicherungsamt. Das heißt, wollte man die Berufungskläger in<lb/> Jnvaliditäts-, Alters- und Unfallsachen aus dem Jahre 1897 zusammen in<lb/> einem neuen Gemeinwesen ansiedeln, so erhielte man schon eine hübsche deutsche<lb/> Mittelstadt, größer als Liegnitz, und die Nevisions- und Nekurskläger beim<lb/> Reichsversicherungsamt würden nahezu das Städtchen Lauban füllen. Auf je<lb/> fünf Nentenbewilligungen der Jnvaliditäts- und Altersversicherung kommt eine<lb/> Klagesache, und von vier berufsgenossenschaftlichen Bescheiden giebt immer<lb/> wieder einer Anlaß zu einer Klage.</p><lb/> <p xml:id="ID_3010"> Man soll uns nicht entgegenhalten, daß der größte Teil der Beschwerden<lb/> bloß aus Unkenntnis oder gar aus Böswilligkeit eingelegt ist. Im Gegenteil.<lb/> In einem erheblichen Prozentsatz der Fälle hat den Beschwerdeführern Recht<lb/> gegeben werden müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3011"> Von den erledigten 20264 Berufungen und 4122 Revisionen des Jahres<lb/> 1897 in Jnvaliditäts- und Alterssacheu sind mehr als 3553 Berufungen und<lb/> mehr als 630 Revisionen zu Gunsten der Versicherten entschieden worden.<lb/> Und auf 41356 erledigte Berufungen und 9183 erledigte Rekurse des Jahres<lb/> 1897 in Unfallsachen entfallen wieder 11571 und mehr als 2316 günstige<lb/> Urteile für die Versicherten. Die Zahlen stellen sich in Wirklichkeit noch höher,<lb/> weil bei den Schiedsgerichten für die Jnvaliditäts- und Altersversicherung<lb/> 3027 Berufungen, beim Neichsversicherungsamt 215 Revisionen und 468 Re¬<lb/> kurse durch Vergleich oder Zurücknahme der Klage erledigt wurden, ohne daß<lb/> Vergleich und Zurücknahme, also die für die Versicherten günstigen und un¬<lb/> günstigen Fälle in dem zur Veröffentlichung gelangten Geschäftsberichte des<lb/> Neichsversicherungsamts aus einander gehalten sind. Jedenfalls wird auch<lb/> abgesehen von weitern 5443 Fällen, die von den Schiedsgerichten und dem<lb/> Reichsversicherungsamt wegen Fristversüumnis abgelehnt wurden oder sür die<lb/> die Art der Erledigung gleichfalls nicht in den Bericht aufgenommen ist, von<lb/> den Klagesachen vor den Schiedsgerichten bei der Jnvaliditäts- und Alters¬<lb/> versicherung mindestens jede sechste, bei der Unfallversicherung mindestens jede<lb/> vierte zu Gunsten der Arbeiter entschieden, während die für diese günstigen<lb/> Entscheidungen beim Neichsversicherungsamte mehr als den siebenten und vierten<lb/> Teil aller dieser Behörde vorliegenden Beschwerden ausmachen.</p><lb/> <p xml:id="ID_3012" next="#ID_3013"> Berücksichtigt man, daß den Versicherungsanstalten und Berufsgenossen¬<lb/> schaften die Rechtsprechung des Neichsversicherungsamts genan bekannt ist,<lb/> so gereichen ihnen die verhältnismäßig zahlreichen Verurteilungen durch die<lb/> höhern Instanzen nicht gerade zum Ruhme. Entweder, die Versicherungs¬<lb/> anstalten und Berufsgenossenschaften beabsichtigen, die Rechtsprechung in ihrem<lb/> Sinne umzugestalten, oder die Unterlagen für die Reutenfestsetzung sind an-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0714]
Ubelstcinde bei der Renteiibewilligung
Versicherungsamt angerufen wurden, ist ganz unverhältnismäßig groß. Wie
viele Bescheide von den Versicherungsanstalten im ganzen einschließlich der Ab-
lehnungsbescheide alljährlich erlassen werden, darüber waren bis zum Ablauf
des vergangnen Jahres Zcchlcncmgaben nicht bekannt gemacht. Doch sind im
Jahre 1897 von ihnen 93421 neue Renten und 119877 Beitragserstattungen
bewilligt, und während desselben Zeitraums von den mit ihren Anträgen
abgewiesenen Personen 19607 Berufungen bei den Schiedsgerichten und
3268 Revisionen beim Reichsversicherungsamt eingelegt worden. In der
Unfallversicherung entfallen für 1897 auf 184162 Bescheide der Berufs¬
genossenschaften und Aufsichtsbehörden nicht weniger als 42111 Berufungen
bei den Schiedsgerichten und 8095 von den Versicherten eingelegte Rekurse
beim Reichsversicherungsamt. Das heißt, wollte man die Berufungskläger in
Jnvaliditäts-, Alters- und Unfallsachen aus dem Jahre 1897 zusammen in
einem neuen Gemeinwesen ansiedeln, so erhielte man schon eine hübsche deutsche
Mittelstadt, größer als Liegnitz, und die Nevisions- und Nekurskläger beim
Reichsversicherungsamt würden nahezu das Städtchen Lauban füllen. Auf je
fünf Nentenbewilligungen der Jnvaliditäts- und Altersversicherung kommt eine
Klagesache, und von vier berufsgenossenschaftlichen Bescheiden giebt immer
wieder einer Anlaß zu einer Klage.
Man soll uns nicht entgegenhalten, daß der größte Teil der Beschwerden
bloß aus Unkenntnis oder gar aus Böswilligkeit eingelegt ist. Im Gegenteil.
In einem erheblichen Prozentsatz der Fälle hat den Beschwerdeführern Recht
gegeben werden müssen.
Von den erledigten 20264 Berufungen und 4122 Revisionen des Jahres
1897 in Jnvaliditäts- und Alterssacheu sind mehr als 3553 Berufungen und
mehr als 630 Revisionen zu Gunsten der Versicherten entschieden worden.
Und auf 41356 erledigte Berufungen und 9183 erledigte Rekurse des Jahres
1897 in Unfallsachen entfallen wieder 11571 und mehr als 2316 günstige
Urteile für die Versicherten. Die Zahlen stellen sich in Wirklichkeit noch höher,
weil bei den Schiedsgerichten für die Jnvaliditäts- und Altersversicherung
3027 Berufungen, beim Neichsversicherungsamt 215 Revisionen und 468 Re¬
kurse durch Vergleich oder Zurücknahme der Klage erledigt wurden, ohne daß
Vergleich und Zurücknahme, also die für die Versicherten günstigen und un¬
günstigen Fälle in dem zur Veröffentlichung gelangten Geschäftsberichte des
Neichsversicherungsamts aus einander gehalten sind. Jedenfalls wird auch
abgesehen von weitern 5443 Fällen, die von den Schiedsgerichten und dem
Reichsversicherungsamt wegen Fristversüumnis abgelehnt wurden oder sür die
die Art der Erledigung gleichfalls nicht in den Bericht aufgenommen ist, von
den Klagesachen vor den Schiedsgerichten bei der Jnvaliditäts- und Alters¬
versicherung mindestens jede sechste, bei der Unfallversicherung mindestens jede
vierte zu Gunsten der Arbeiter entschieden, während die für diese günstigen
Entscheidungen beim Neichsversicherungsamte mehr als den siebenten und vierten
Teil aller dieser Behörde vorliegenden Beschwerden ausmachen.
Berücksichtigt man, daß den Versicherungsanstalten und Berufsgenossen¬
schaften die Rechtsprechung des Neichsversicherungsamts genan bekannt ist,
so gereichen ihnen die verhältnismäßig zahlreichen Verurteilungen durch die
höhern Instanzen nicht gerade zum Ruhme. Entweder, die Versicherungs¬
anstalten und Berufsgenossenschaften beabsichtigen, die Rechtsprechung in ihrem
Sinne umzugestalten, oder die Unterlagen für die Reutenfestsetzung sind an-
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