Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.Skizze" aus unserm heutigen Volksleben Verlaub, meine Herren, huben Sie schon gehört, daß in Prvtzkan ein musikalisches Der Herr Steuerinspektor hatte es noch nicht gehört, aber es interessierte ihn Bei Amtsrat Penkerts war über die Aussicht auf das musikalische Kränzchen Also schon, sagte Papa Peukert. Machen wir! Nehmen wir den großen Du willst auch mit, Papa? Natürlich. Aber du sagst doch immer, daß Musik für dich ein unangenehmes Geräusch sei. Man braucht ja uicht hinzuhören. Laßt ihn nur, Kinder, sagte die Frau Amtsrat, er wittert irgendwo eine Partie Und so war es auch. Wir würden aber ein falsches Bild von der Gesellschaft zeichnen, die berufen Als es bekannt wurde, was mau in Prvtzkau plane, war der Herr Pastor Skizze» aus unserm heutigen Volksleben Verlaub, meine Herren, huben Sie schon gehört, daß in Prvtzkan ein musikalisches Der Herr Steuerinspektor hatte es noch nicht gehört, aber es interessierte ihn Bei Amtsrat Penkerts war über die Aussicht auf das musikalische Kränzchen Also schon, sagte Papa Peukert. Machen wir! Nehmen wir den großen Du willst auch mit, Papa? Natürlich. Aber du sagst doch immer, daß Musik für dich ein unangenehmes Geräusch sei. Man braucht ja uicht hinzuhören. Laßt ihn nur, Kinder, sagte die Frau Amtsrat, er wittert irgendwo eine Partie Und so war es auch. Wir würden aber ein falsches Bild von der Gesellschaft zeichnen, die berufen Als es bekannt wurde, was mau in Prvtzkau plane, war der Herr Pastor <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0612" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230298"/> <fw type="header" place="top"> Skizze» aus unserm heutigen Volksleben</fw><lb/> <p xml:id="ID_2478" prev="#ID_2477"> Verlaub, meine Herren, huben Sie schon gehört, daß in Prvtzkan ein musikalisches<lb/> Kränzchen gegründet werden soll. Der Herr Bnron von Kranz ist auch mit dabei.<lb/> Es soll etwas ganz feines werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2479"> Der Herr Steuerinspektor hatte es noch nicht gehört, aber es interessierte ihn<lb/> sehr. Von Musik verstand er nichts. Aber es gab, wenn man sich an dem Kränzchen<lb/> beteiligte, jedenfalls Gelegenheit, mit dem Baron Kranz, der ein ausgezeichnetes<lb/> Sortiment von französischem nud amerikanischem Obste hatte, ins Gespräch zu<lb/> kommen, was ohne Zweifel lohnender und ehrenvoller war als die Konferenzen mit<lb/> dem Herrn Kantor. Er beschloß also im stillen, den Herrn Kantor im Stich zu<lb/> lassen und in Protzkau Anschluß zu suchen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2480"> Bei Amtsrat Penkerts war über die Aussicht auf das musikalische Kränzchen<lb/> in Protzkau große Freude. Man wohnte etwas entlegen, und um jeden Ball nach<lb/> B. zu fahren und dort Nachtquartier zu nehmen, war doch sehr umständlich. Und<lb/> was hatte man sonst auf dem Lande? Lauter alte Herren, denn mit den Ver¬<lb/> walter» oder Volontärs konnte man sich doch nicht einlassen. Mit Leutnants und<lb/> Referendaren würde man auch in Protzkan freilich nicht nnfwartcu können, und<lb/> die Aussichten auf ein Tänzchen waren nur schwach, aber es war doch besser als<lb/> nichts. Man sieht doch einmal Menschen. Und Oberamtmauus aus Schottern<lb/> kommen jedenfalls auch hin.</p><lb/> <p xml:id="ID_2481"> Also schon, sagte Papa Peukert. Machen wir! 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Herr Pastor Langbein spielte gut Klavier —<lb/> alles hübsch deutlich und darum lieber etwas zu langsam als zu schnell. Er ver¬<lb/> ehrte die klassische Musik, besonders Schubert, und hatte ein großes Mißtrauen<lb/> gegen alle Musik, die uicht in der Editio Peters zu haben war. Gorgaß musika¬<lb/> lische Leistungen waren nicht bedeutend. Er hatte es in seinen« Leben über „Lott<lb/> ist tot" uicht hinaufgebracht. Dagegen schwärmte er für Musik in jeglicher Form,<lb/> besonders jedoch für weibliche Musik. In jedem seiner Zimmer stand ein Klavier,<lb/> das freilich nie gespielt worden wäre, wenn es nicht der Herr Pastor ab und zu<lb/> in Bewegung gesetzt hätte. In den Künstlerkonzerten in B. war er immer zu<lb/> sehe«, wenn etwas besondres los war. Herr Gorgaß stand eigentlich ans der Grenze<lb/> der bäuerlichen und der „guten" Gesellschaft; in Anbetracht jedoch seines tadellosen<lb/> Anzuges und seiner respektvollen Haltung wurde ihm erlaubt, auch in der guten<lb/> Gesellschaft zu Verkehren.</p><lb/> <p xml:id="ID_2489" next="#ID_2490"> Als es bekannt wurde, was mau in Prvtzkau plane, war der Herr Pastor<lb/> Feuer und Flamme. Litt er doch schwer darunter, daß seine liebe Frau für seine<lb/> musikalischen Ideale und besonders für die „himmlischen Langen" Schuberts so gnr<lb/> kein Verständnis hatte. Sogleich kramte er seineu Noteuschrank aus und suchte einen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0612]
Skizze» aus unserm heutigen Volksleben
Verlaub, meine Herren, huben Sie schon gehört, daß in Prvtzkan ein musikalisches
Kränzchen gegründet werden soll. Der Herr Bnron von Kranz ist auch mit dabei.
Es soll etwas ganz feines werden.
Der Herr Steuerinspektor hatte es noch nicht gehört, aber es interessierte ihn
sehr. Von Musik verstand er nichts. Aber es gab, wenn man sich an dem Kränzchen
beteiligte, jedenfalls Gelegenheit, mit dem Baron Kranz, der ein ausgezeichnetes
Sortiment von französischem nud amerikanischem Obste hatte, ins Gespräch zu
kommen, was ohne Zweifel lohnender und ehrenvoller war als die Konferenzen mit
dem Herrn Kantor. Er beschloß also im stillen, den Herrn Kantor im Stich zu
lassen und in Protzkau Anschluß zu suchen.
Bei Amtsrat Penkerts war über die Aussicht auf das musikalische Kränzchen
in Protzkau große Freude. Man wohnte etwas entlegen, und um jeden Ball nach
B. zu fahren und dort Nachtquartier zu nehmen, war doch sehr umständlich. Und
was hatte man sonst auf dem Lande? Lauter alte Herren, denn mit den Ver¬
walter» oder Volontärs konnte man sich doch nicht einlassen. Mit Leutnants und
Referendaren würde man auch in Protzkan freilich nicht nnfwartcu können, und
die Aussichten auf ein Tänzchen waren nur schwach, aber es war doch besser als
nichts. Man sieht doch einmal Menschen. Und Oberamtmauus aus Schottern
kommen jedenfalls auch hin.
Also schon, sagte Papa Peukert. Machen wir! Nehmen wir den großen
Landauer.
Du willst auch mit, Papa?
Natürlich.
Aber du sagst doch immer, daß Musik für dich ein unangenehmes Geräusch sei.
Man braucht ja uicht hinzuhören.
Laßt ihn nur, Kinder, sagte die Frau Amtsrat, er wittert irgendwo eine Partie
Whist.
Und so war es auch.
Wir würden aber ein falsches Bild von der Gesellschaft zeichnen, die berufen
war, das musikalische Kränzchen zu bilden, wenn wir verschweigen, daß es auch
leidenschaftliche Musikfreunde in der Gegend gab. In Büdicke wohnten gleich zwei,
der Herr Pastor Lnugbein und Herr Gorgnß, ein reicher Gutsbesitzer, der sein Gut
verpachtet hatte und als Rentier lebte. Herr Pastor Langbein spielte gut Klavier —
alles hübsch deutlich und darum lieber etwas zu langsam als zu schnell. Er ver¬
ehrte die klassische Musik, besonders Schubert, und hatte ein großes Mißtrauen
gegen alle Musik, die uicht in der Editio Peters zu haben war. Gorgaß musika¬
lische Leistungen waren nicht bedeutend. Er hatte es in seinen« Leben über „Lott
ist tot" uicht hinaufgebracht. Dagegen schwärmte er für Musik in jeglicher Form,
besonders jedoch für weibliche Musik. In jedem seiner Zimmer stand ein Klavier,
das freilich nie gespielt worden wäre, wenn es nicht der Herr Pastor ab und zu
in Bewegung gesetzt hätte. In den Künstlerkonzerten in B. war er immer zu
sehe«, wenn etwas besondres los war. Herr Gorgaß stand eigentlich ans der Grenze
der bäuerlichen und der „guten" Gesellschaft; in Anbetracht jedoch seines tadellosen
Anzuges und seiner respektvollen Haltung wurde ihm erlaubt, auch in der guten
Gesellschaft zu Verkehren.
Als es bekannt wurde, was mau in Prvtzkau plane, war der Herr Pastor
Feuer und Flamme. Litt er doch schwer darunter, daß seine liebe Frau für seine
musikalischen Ideale und besonders für die „himmlischen Langen" Schuberts so gnr
kein Verständnis hatte. Sogleich kramte er seineu Noteuschrank aus und suchte einen
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