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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Schlacht bei Ahartum

die gesamte Infanterie und das ganze Artilleriematerial in Boote verladen
und von den zehn Kanonenbooten und vier Dampfpinassen bis Wad Hamed,
das ist fast bis zum sechsten Katarakt, nilaufwärts geschleppt wurde. So
waren von den 256 Kilometern vom Atbarafort bis Omdurman für die
Hauptmasse des Expeditionskorps 160 Kilometer in der denkbar bequemsten
Weise zurückgelegt. Nur die berittnen Truppen und die Saumtierparks
schlugen den Landweg -- auf dem linken Nilufer -- ein und langten am
22. August bei Wad Hamed an.

Man hätte in derselben Weise noch näher an Omdurman herangehn
können, denn die Annahme, daß die Derwische die bei Schabluka (am sechsten
Katarakt) gelegnen, mit Geschützen versehenen Forts zu halten versuchen würden,
erwies sich als irrtümlich. Nicht einmal die kümmerlichen, aber für den Be¬
trieb der englischen Kanonenboote unentbehrlichen Holzvorräte in der Nähe des
Nils hatten sie zerstört. Vom Feinde ungehindert wurde der Vormarsch, jetzt
wirklich ein "Marsch," am 24. August von Wad Hamed aus fortgesetzt. Wir
müssen nun der Wahrheit die Ehre geben, daß die englisch-ägyptischen Truppen
bei dieser Vorbewegnng schwer unter der Ungunst der Witterung zu leiden
hatten: an einzelnen Tagen eine entsetzliche Hitze, an andern (28., 29. August)
endlose Regengüsse. Aber -- die ganze Strecke von Wad Hamed bis Egeiga
am Nil (9 Kilometer unterhalb Omdurman) beträgt 87 Kilometer, und zu ihrer
Bewältigung gebrauchten die Engländer neun Tage (einschließlich einen Ruhe¬
tag). Auf den einzelnen Marsch entfallen also ungefähr 11 Kilometer. Das
ist selbst unter den angedeuteten Witterungsschwierigkeiten keine außergewöhn¬
liche Leistung. Außer diesen Märschen hat z. B. das erste Bataillon der
Grenadierguards bei neunnndsünfzigtägigem Aufenthalt in Ägypten nicht einen
einzigen Marsch ausgeführt. Und wie wurde der englische Soldat dabei ver¬
pflegt: täglich ein englisches Pfund Fleisch, ein viertel Pfund Speck, andert¬
halb Pfund Brot oder ein Pfund Zwieback, ein Pfund frisches oder Pfund
konserviertes Gemüse oder ^ Pfund Bohnen, Pfund Thee, Vss Pfund
Kaffee. ^ Pfund Zucker, V"- Pfund Salz. V57" Pfund Pfeffer. V" Pfund
Reis, Vn! Pfund Linsen. Ferner wöchentlich '/^ Pfund Fruchtkonserven und
nach Bedarf täglich V"ä Gallone Rum und Gallone Zitronensaft. Wir
haben diese ganze Liste hierher gesetzt, um die Üppigkeit der Ration, der
Kitchener zu einem guten Teile den günstigen Gesundheitszustand glaubt bei¬
messen zu sollen, einmal deutlich vor Augen zu führen. Not haben die eng¬
lischen Soldaten im Sudan nicht gelitten. Die Ration der Fellahs und
Sudanesen in ägyptischen Diensten war natürlich viel einfacher zusammengesetzt.

Am 1. September mittags erreichte das Expeditionskorps, vom Feinde
ganz und gar unbelüstigt, das Dorf Egeiga, 9 Kilometer nördlich von Om¬
durman hart am Nil gelegen. Es wurde dort mit dem Rücken und den
beiden Flanken am Wasser -- in der Breite etwas über 1000 Meter -- ein


Die Schlacht bei Ahartum

die gesamte Infanterie und das ganze Artilleriematerial in Boote verladen
und von den zehn Kanonenbooten und vier Dampfpinassen bis Wad Hamed,
das ist fast bis zum sechsten Katarakt, nilaufwärts geschleppt wurde. So
waren von den 256 Kilometern vom Atbarafort bis Omdurman für die
Hauptmasse des Expeditionskorps 160 Kilometer in der denkbar bequemsten
Weise zurückgelegt. Nur die berittnen Truppen und die Saumtierparks
schlugen den Landweg — auf dem linken Nilufer — ein und langten am
22. August bei Wad Hamed an.

Man hätte in derselben Weise noch näher an Omdurman herangehn
können, denn die Annahme, daß die Derwische die bei Schabluka (am sechsten
Katarakt) gelegnen, mit Geschützen versehenen Forts zu halten versuchen würden,
erwies sich als irrtümlich. Nicht einmal die kümmerlichen, aber für den Be¬
trieb der englischen Kanonenboote unentbehrlichen Holzvorräte in der Nähe des
Nils hatten sie zerstört. Vom Feinde ungehindert wurde der Vormarsch, jetzt
wirklich ein „Marsch," am 24. August von Wad Hamed aus fortgesetzt. Wir
müssen nun der Wahrheit die Ehre geben, daß die englisch-ägyptischen Truppen
bei dieser Vorbewegnng schwer unter der Ungunst der Witterung zu leiden
hatten: an einzelnen Tagen eine entsetzliche Hitze, an andern (28., 29. August)
endlose Regengüsse. Aber — die ganze Strecke von Wad Hamed bis Egeiga
am Nil (9 Kilometer unterhalb Omdurman) beträgt 87 Kilometer, und zu ihrer
Bewältigung gebrauchten die Engländer neun Tage (einschließlich einen Ruhe¬
tag). Auf den einzelnen Marsch entfallen also ungefähr 11 Kilometer. Das
ist selbst unter den angedeuteten Witterungsschwierigkeiten keine außergewöhn¬
liche Leistung. Außer diesen Märschen hat z. B. das erste Bataillon der
Grenadierguards bei neunnndsünfzigtägigem Aufenthalt in Ägypten nicht einen
einzigen Marsch ausgeführt. Und wie wurde der englische Soldat dabei ver¬
pflegt: täglich ein englisches Pfund Fleisch, ein viertel Pfund Speck, andert¬
halb Pfund Brot oder ein Pfund Zwieback, ein Pfund frisches oder Pfund
konserviertes Gemüse oder ^ Pfund Bohnen, Pfund Thee, Vss Pfund
Kaffee. ^ Pfund Zucker, V»- Pfund Salz. V57« Pfund Pfeffer. V« Pfund
Reis, Vn! Pfund Linsen. Ferner wöchentlich '/^ Pfund Fruchtkonserven und
nach Bedarf täglich V»ä Gallone Rum und Gallone Zitronensaft. Wir
haben diese ganze Liste hierher gesetzt, um die Üppigkeit der Ration, der
Kitchener zu einem guten Teile den günstigen Gesundheitszustand glaubt bei¬
messen zu sollen, einmal deutlich vor Augen zu führen. Not haben die eng¬
lischen Soldaten im Sudan nicht gelitten. Die Ration der Fellahs und
Sudanesen in ägyptischen Diensten war natürlich viel einfacher zusammengesetzt.

Am 1. September mittags erreichte das Expeditionskorps, vom Feinde
ganz und gar unbelüstigt, das Dorf Egeiga, 9 Kilometer nördlich von Om¬
durman hart am Nil gelegen. Es wurde dort mit dem Rücken und den
beiden Flanken am Wasser — in der Breite etwas über 1000 Meter — ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/579>, abgerufen am 23.07.2024.