Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.Erinnerungen an Friedrichsruh gegrüßt: ^n, monsisur Li8lliÄroIi! Noch lange habe er sich bittre Vorwürfe Abends sitzt die Gesellschaft wieder im Salon der Fürstin bei Kaffee und Erinnerungen an Friedrichsruh gegrüßt: ^n, monsisur Li8lliÄroIi! Noch lange habe er sich bittre Vorwürfe Abends sitzt die Gesellschaft wieder im Salon der Fürstin bei Kaffee und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0527" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230213"/> <fw type="header" place="top"> Erinnerungen an Friedrichsruh</fw><lb/> <p xml:id="ID_2174" prev="#ID_2173"> gegrüßt: ^n, monsisur Li8lliÄroIi! Noch lange habe er sich bittre Vorwürfe<lb/> gemacht und den braven Leuten im stillen wegen des schmählichen Verdachts<lb/> Abbitte geleistet!</p><lb/> <p xml:id="ID_2175"> Abends sitzt die Gesellschaft wieder im Salon der Fürstin bei Kaffee und<lb/> Cigarren; der Fürst qualmt aus seiner Pfeife und liest die Tageszeitungen,<lb/> aber von Zeit zu Zeit wirft er einige Worte in die Unterhaltung, ein Zeichen,<lb/> daß ihm auch diese nicht ganz entgeht. Nachdem er dann einem Herrn gegen¬<lb/> über einige Daten aus seinem Leben berichtigt hat, bringe ich ihn auf den<lb/> König von Holland und dessen Verhalten während des deutsch-französischen<lb/> Krieges, indem ich folgende Geschichte erzähle, die mir von gut unterrichteter<lb/> und zuverlässiger Seite mitgeteilt worden war: „Eines Tags kam der hol¬<lb/> ländische Minister Thorbecke zu seinem königlichen Herrn und wurde mit den<lb/> Worten empfangen: »Nun, was erzählen sich denn jetzt die Amsterdamer von<lb/> mir?« Als der Minister mit einem gewissen Ernst antwortete: »Majestät, das<lb/> wage ich gar nicht zu sagen,« da wurde der König aufmerksam und verlangte<lb/> erst recht die Beantwortung seiner Frage. Ans vieles Drängen antwortete<lb/> Thorbecke schließlich trocken: »Die Amsterdamer erzählen sich, Majestät wären<lb/> verrückt geworden!« Als hierauf der König das Tintenfaß ergriff, um es<lb/> seinem Minister an den Kopf zu werfen, fiel ihm dieser in den Arm, mit den<lb/> Worten: »Wenn Majestät das thun, dann haben die Amsterdamer Recht.«<lb/> Zugleich holte er eine von dem König eigenhändig niedergeschriebne, nach Berlin<lb/> geschickte Kriegserklärung aus der Tasche und hielt sie dem König mit den<lb/> Worten vor: »Wenn Majestät nicht sogleich diese Erklärung widerrufen, dann<lb/> werden Sie in zwei Stunden nicht mehr regieren, denn das Volk und seine<lb/> Vertretung wollen keinen Krieg mit Preußen.«" Fürst Bismnrck lachte herzlich,<lb/> fragte mich, woher ich die Geschichte wüßte, und erklärte sie dann für durch¬<lb/> aus wahr, bis auf die Kriegserklärung; um eine solche hätte es sich denn doch<lb/> noch nicht gehandelt, wohl aber um einen höchst lamentabeln Brief mit deut¬<lb/> lichen Drohungen, den er dann zur Kenntnisnahme an den verantwortlichen<lb/> holländischen Minister zurückgesandt hatte. „Ja — so fuhr er fort —, der<lb/> alte Thorbecke verstand es ganz gut, mit seinem etwas schwierigen Herrn um-<lb/> zugehn; als früherer Universitätsprofessor sprach er mit ihm stets in dozie¬<lb/> rendem Tone, was allerdings den König oft wütend machte, den es schon ver¬<lb/> droß, daß er als kleiner dicker Mann zu seinem sehr langen Minister immer<lb/> emporheben mußte. Wollte dieser für irgend ein Schriftstück die Unterschrift<lb/> haben, dann kam es häufig vor, daß es gleich zerrissen und auf die Erde ge¬<lb/> worfen wurde. Thorbecke war aber für solche Späße des Königs eingerichtet,<lb/> denn er hatte immer verschiedne Duplikate in der Tasche. War das erste zer¬<lb/> rissen, dann präsentierte er das zweite, das auch nicht glimpflicher behandelt<lb/> wurde; wenn er aber auch ganz gelassen das dritte aus der Tasche holte, mit<lb/> dem Bemerken, daß er noch eine Anzahl solcher Exemplare bei sich habe, dann<lb/> bekam er die Unterschrift."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0527]
Erinnerungen an Friedrichsruh
gegrüßt: ^n, monsisur Li8lliÄroIi! Noch lange habe er sich bittre Vorwürfe
gemacht und den braven Leuten im stillen wegen des schmählichen Verdachts
Abbitte geleistet!
Abends sitzt die Gesellschaft wieder im Salon der Fürstin bei Kaffee und
Cigarren; der Fürst qualmt aus seiner Pfeife und liest die Tageszeitungen,
aber von Zeit zu Zeit wirft er einige Worte in die Unterhaltung, ein Zeichen,
daß ihm auch diese nicht ganz entgeht. Nachdem er dann einem Herrn gegen¬
über einige Daten aus seinem Leben berichtigt hat, bringe ich ihn auf den
König von Holland und dessen Verhalten während des deutsch-französischen
Krieges, indem ich folgende Geschichte erzähle, die mir von gut unterrichteter
und zuverlässiger Seite mitgeteilt worden war: „Eines Tags kam der hol¬
ländische Minister Thorbecke zu seinem königlichen Herrn und wurde mit den
Worten empfangen: »Nun, was erzählen sich denn jetzt die Amsterdamer von
mir?« Als der Minister mit einem gewissen Ernst antwortete: »Majestät, das
wage ich gar nicht zu sagen,« da wurde der König aufmerksam und verlangte
erst recht die Beantwortung seiner Frage. Ans vieles Drängen antwortete
Thorbecke schließlich trocken: »Die Amsterdamer erzählen sich, Majestät wären
verrückt geworden!« Als hierauf der König das Tintenfaß ergriff, um es
seinem Minister an den Kopf zu werfen, fiel ihm dieser in den Arm, mit den
Worten: »Wenn Majestät das thun, dann haben die Amsterdamer Recht.«
Zugleich holte er eine von dem König eigenhändig niedergeschriebne, nach Berlin
geschickte Kriegserklärung aus der Tasche und hielt sie dem König mit den
Worten vor: »Wenn Majestät nicht sogleich diese Erklärung widerrufen, dann
werden Sie in zwei Stunden nicht mehr regieren, denn das Volk und seine
Vertretung wollen keinen Krieg mit Preußen.«" Fürst Bismnrck lachte herzlich,
fragte mich, woher ich die Geschichte wüßte, und erklärte sie dann für durch¬
aus wahr, bis auf die Kriegserklärung; um eine solche hätte es sich denn doch
noch nicht gehandelt, wohl aber um einen höchst lamentabeln Brief mit deut¬
lichen Drohungen, den er dann zur Kenntnisnahme an den verantwortlichen
holländischen Minister zurückgesandt hatte. „Ja — so fuhr er fort —, der
alte Thorbecke verstand es ganz gut, mit seinem etwas schwierigen Herrn um-
zugehn; als früherer Universitätsprofessor sprach er mit ihm stets in dozie¬
rendem Tone, was allerdings den König oft wütend machte, den es schon ver¬
droß, daß er als kleiner dicker Mann zu seinem sehr langen Minister immer
emporheben mußte. Wollte dieser für irgend ein Schriftstück die Unterschrift
haben, dann kam es häufig vor, daß es gleich zerrissen und auf die Erde ge¬
worfen wurde. Thorbecke war aber für solche Späße des Königs eingerichtet,
denn er hatte immer verschiedne Duplikate in der Tasche. War das erste zer¬
rissen, dann präsentierte er das zweite, das auch nicht glimpflicher behandelt
wurde; wenn er aber auch ganz gelassen das dritte aus der Tasche holte, mit
dem Bemerken, daß er noch eine Anzahl solcher Exemplare bei sich habe, dann
bekam er die Unterschrift."
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |