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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Der goldne Lugel

Stcidt hielten ihren Ricks in der Schlinge und ließen ihn so lcinge stmmpeln und
sich abarbeiten, als von ihm noch weis zu verdienen war, und dann wurde die
Schlinge nach den Regeln der Kunst zugezogen. Der Acker wurde verkauft, mit
Mühe rettete Ricks sein Hans und seine große Scheune, mit der er jetzt freilich
uicht viel anzufangen wußte. Aus wars mit dem Herrn spielen.

Was aber um? Frau Ricks hätte es gern gesehen, wenn ihr Mann alles
verkauft hätte und fortgezogen wäre, um Restaurateur oder Agent oder sonst- so
etwas schönes zu werdeu. Sie hätte denn in der Stadt immer uoch die Dame
spielen können. Aber Ricks hatte kein Vertrauen dazu, er dachte im stillen an
seine schöne Schäferkarre.

Sie stand wieder einmal auf dem Franzosenberge. Und Ricks stand daneben
unter dem alten Birnbäume. Deu Schatte" aufzusuchen brauchte er uicht, es war
trübe genug, und dem Herrn ohne Land war es auch trüb genng zu Sinnen.
Da drüben lagen seine schönen zwanzig Morgen. Wie lange wirds dauern, da
hatte sie der Jude parzelliert, und sie sahen kleinkarriert ans wie eine bunte Schürze.
Meinetwegen, sagte Ricks, ich habe wenig Frende daran gehabt.

Herr von Großmann, sein einstiger Herr, kam auf seinem Schimmel über das
Feld geritten, hielt still und redete rin Ricks von diesem und jenen: und sagte
zum Schlüsse: Mein Schäfer geht nächsten Monat ab, wenn Sie wieder eintreten
wollen, soll mirs recht sein.

Ja, Herre, erwiderte Ricks, das thue ich gern. Ich hätte damals auf Sie
hören sollen, aber das Herrnspielen stak mir im Kopfe. Das ist nun aus.

Lassen Sie sichs uicht leid sein. Die Lektion war etwas teuer, aber gelernt
haben Sie wohl was? Nicht?

Das weiß Gott, ja! Wenn mir jetzt der Teufel wieder so eine Erbschaft in
die Hand spielt, so haue ich sie ihm um die Ohren.

Na na, Ricks!




9er goldne Engel
Luise Glaß Erzählung von
(Fortsetzung)

in Gehen stießen die Herren auf den alten Nothnagel. Atemlos und
schwindlig lehnte er am Thürpfosten und bereute, daß er sich hatte
aus dem Bette jagen lassen. Es ging ja auch ohne ihn alles nach
Wunsch, die Neugierigen, die bequem zum Erfolg kommen wollten,
zogen mit leeren Händen ab, und er behielt die Fäden beisammen.
Aber da er nun einmal hier stand, hätte es doch seltsam aus¬
gesehen, wenn er in der Thür umgekehrt wäre, und er trat ein, um den Stadels
ein gutes Wort zu sagen.

Wunderlich, daß ihm dieses Wort nicht einfiel, daß er nach dem goldnen
Engel an der Wand schielen mußte, wie ein vom schlechten Gewissen Geplagter,


Der goldne Lugel

Stcidt hielten ihren Ricks in der Schlinge und ließen ihn so lcinge stmmpeln und
sich abarbeiten, als von ihm noch weis zu verdienen war, und dann wurde die
Schlinge nach den Regeln der Kunst zugezogen. Der Acker wurde verkauft, mit
Mühe rettete Ricks sein Hans und seine große Scheune, mit der er jetzt freilich
uicht viel anzufangen wußte. Aus wars mit dem Herrn spielen.

Was aber um? Frau Ricks hätte es gern gesehen, wenn ihr Mann alles
verkauft hätte und fortgezogen wäre, um Restaurateur oder Agent oder sonst- so
etwas schönes zu werdeu. Sie hätte denn in der Stadt immer uoch die Dame
spielen können. Aber Ricks hatte kein Vertrauen dazu, er dachte im stillen an
seine schöne Schäferkarre.

Sie stand wieder einmal auf dem Franzosenberge. Und Ricks stand daneben
unter dem alten Birnbäume. Deu Schatte« aufzusuchen brauchte er uicht, es war
trübe genug, und dem Herrn ohne Land war es auch trüb genng zu Sinnen.
Da drüben lagen seine schönen zwanzig Morgen. Wie lange wirds dauern, da
hatte sie der Jude parzelliert, und sie sahen kleinkarriert ans wie eine bunte Schürze.
Meinetwegen, sagte Ricks, ich habe wenig Frende daran gehabt.

Herr von Großmann, sein einstiger Herr, kam auf seinem Schimmel über das
Feld geritten, hielt still und redete rin Ricks von diesem und jenen: und sagte
zum Schlüsse: Mein Schäfer geht nächsten Monat ab, wenn Sie wieder eintreten
wollen, soll mirs recht sein.

Ja, Herre, erwiderte Ricks, das thue ich gern. Ich hätte damals auf Sie
hören sollen, aber das Herrnspielen stak mir im Kopfe. Das ist nun aus.

Lassen Sie sichs uicht leid sein. Die Lektion war etwas teuer, aber gelernt
haben Sie wohl was? Nicht?

Das weiß Gott, ja! Wenn mir jetzt der Teufel wieder so eine Erbschaft in
die Hand spielt, so haue ich sie ihm um die Ohren.

Na na, Ricks!




9er goldne Engel
Luise Glaß Erzählung von
(Fortsetzung)

in Gehen stießen die Herren auf den alten Nothnagel. Atemlos und
schwindlig lehnte er am Thürpfosten und bereute, daß er sich hatte
aus dem Bette jagen lassen. Es ging ja auch ohne ihn alles nach
Wunsch, die Neugierigen, die bequem zum Erfolg kommen wollten,
zogen mit leeren Händen ab, und er behielt die Fäden beisammen.
Aber da er nun einmal hier stand, hätte es doch seltsam aus¬
gesehen, wenn er in der Thür umgekehrt wäre, und er trat ein, um den Stadels
ein gutes Wort zu sagen.

Wunderlich, daß ihm dieses Wort nicht einfiel, daß er nach dem goldnen
Engel an der Wand schielen mußte, wie ein vom schlechten Gewissen Geplagter,


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[0509] Der goldne Lugel Stcidt hielten ihren Ricks in der Schlinge und ließen ihn so lcinge stmmpeln und sich abarbeiten, als von ihm noch weis zu verdienen war, und dann wurde die Schlinge nach den Regeln der Kunst zugezogen. Der Acker wurde verkauft, mit Mühe rettete Ricks sein Hans und seine große Scheune, mit der er jetzt freilich uicht viel anzufangen wußte. Aus wars mit dem Herrn spielen. Was aber um? Frau Ricks hätte es gern gesehen, wenn ihr Mann alles verkauft hätte und fortgezogen wäre, um Restaurateur oder Agent oder sonst- so etwas schönes zu werdeu. Sie hätte denn in der Stadt immer uoch die Dame spielen können. Aber Ricks hatte kein Vertrauen dazu, er dachte im stillen an seine schöne Schäferkarre. Sie stand wieder einmal auf dem Franzosenberge. Und Ricks stand daneben unter dem alten Birnbäume. Deu Schatte« aufzusuchen brauchte er uicht, es war trübe genug, und dem Herrn ohne Land war es auch trüb genng zu Sinnen. Da drüben lagen seine schönen zwanzig Morgen. Wie lange wirds dauern, da hatte sie der Jude parzelliert, und sie sahen kleinkarriert ans wie eine bunte Schürze. Meinetwegen, sagte Ricks, ich habe wenig Frende daran gehabt. Herr von Großmann, sein einstiger Herr, kam auf seinem Schimmel über das Feld geritten, hielt still und redete rin Ricks von diesem und jenen: und sagte zum Schlüsse: Mein Schäfer geht nächsten Monat ab, wenn Sie wieder eintreten wollen, soll mirs recht sein. Ja, Herre, erwiderte Ricks, das thue ich gern. Ich hätte damals auf Sie hören sollen, aber das Herrnspielen stak mir im Kopfe. Das ist nun aus. Lassen Sie sichs uicht leid sein. Die Lektion war etwas teuer, aber gelernt haben Sie wohl was? Nicht? Das weiß Gott, ja! Wenn mir jetzt der Teufel wieder so eine Erbschaft in die Hand spielt, so haue ich sie ihm um die Ohren. Na na, Ricks! 9er goldne Engel Luise Glaß Erzählung von (Fortsetzung) in Gehen stießen die Herren auf den alten Nothnagel. Atemlos und schwindlig lehnte er am Thürpfosten und bereute, daß er sich hatte aus dem Bette jagen lassen. Es ging ja auch ohne ihn alles nach Wunsch, die Neugierigen, die bequem zum Erfolg kommen wollten, zogen mit leeren Händen ab, und er behielt die Fäden beisammen. Aber da er nun einmal hier stand, hätte es doch seltsam aus¬ gesehen, wenn er in der Thür umgekehrt wäre, und er trat ein, um den Stadels ein gutes Wort zu sagen. Wunderlich, daß ihm dieses Wort nicht einfiel, daß er nach dem goldnen Engel an der Wand schielen mußte, wie ein vom schlechten Gewissen Geplagter,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/509>, abgerufen am 23.07.2024.