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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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dieselbe Wirkung wie die politischen Revancheblätter haben; freilich ist auch
den technischen Fachblättern der Zutritt über die Grenze zu verwehren.

Auch Kirche und Schule müssen als öffentliche Anstalten der Erbauung
und des Unterrichts von der französischen Strömung gereinigt werden. Das
napoleonische Konkordat gewährt dem Staate ein Aufsichtsrecht, wie es leider
sonst nirgends in Deutschland besteht. Die christlichen Kirchen sind völlig der
Staatsgewalt unterworfen, und die Geistlichen sind Staatsbeamte, deren Ge¬
halt der Staat beliebig sperren kann. Das evangelische wie das katholische
Kirchentum sind trotzdem Hochburgen des Franzosentums, und die katholische
Kirche ist natürlich ein noch schlimmrer Feind des Deutschtums, obschon beide
bischöfliche Oberhirten Altdeutsche sind. Es ist Thatsache, daß der französische
Gottesdienst im sogenannten französischen Sprachgebiet zwar unwesentlich ab¬
genommen hat, während er jetzt ganz verschwunden sein müßte, daß aber in
den größern Städten des deutschen Sprachgebiets, wo überhaupt nie ein Be¬
dürfnis dasür vorgelegen hat, die bisherige französische Predigt nicht mir bei¬
behalten ist, sondern sogar noch weitere französische Messer eingeführt sind.
Wenn dabei vor allem die katholische Kirche ein Vorwurf trifft, deren Priester-
seminare französisch unterrichten, jedenfalls die französische Sprache in jeder
Weise begünstigen, so drängt doch auch das evangelische Bekenntnis die fremde
Sprache nicht zurück, wie ja schon das Beispiel des reformierten Konsistorial-
prästdenten beweist. Nun sind aber die christlichen Kirchen der Reichs¬
lande förmliche Staatskirchen, wo der Staatswille bedingungslos entscheidet
und daher auch zur entsprechenden Geltung gebracht werden kann; und doch
ist, trotz der beiden altdeutschen Bischöfe, die französische Gesinnung des ihnen
unterstellten Klerus so offenkundig, daß man das Verhalten der jungen Kle¬
riker als aufreizend bezeichnen muß. So ist anch die Redakteurstellnng des
antideutschen Abbes Wetterle vom ^onrinU as Lolirmr einfach unvereinbar mit
dem Konkordat, die Schuld für solche Dinge trifft aber allein die Regierung,
die eben von ihrer Macht keinen Gebrauch macht. Es muß jeder Priester
oder Pastor, der seine französische Neigung zur Schau trägt, seines Amtes
entsetzt werden. Jeder französische Gottesdienst außerhalb des immer mehr zu
beschränkenden amtlichen französischen Sprachgebiets in Lothringen -- im Ober-
elsaß giebt es überhaupt keins -- muß untersagt, und der französische Unter¬
richt und die französische Unterhaltung in den Priesterseminaren verboten
werden. Damit fällt die gefährlichste Pflanzstätte der geistlichen Französierung,
die, ohne daß sie es wissen, auch die evangelischen Geistlichen ansteckt. Denn
schon aus entschuldbarer Eitelkeit und aus erklärlicher Hascherei nach der Volks¬
gunst folgt der protestantische Pfarrer dem Übeln katholischen Beispiel. Daß
der staatliche Einfluß vor der Macht der Kirche, wie im Kulturkampf, zurück¬
weichen müßte, ist nicht zu befürchten, da die kirchliche Autorität gar nicht in
Frage kommt. Die Bischöfe sind gute Deutsche und von den besten Absichten


Aus dem Vberelsaß

dieselbe Wirkung wie die politischen Revancheblätter haben; freilich ist auch
den technischen Fachblättern der Zutritt über die Grenze zu verwehren.

Auch Kirche und Schule müssen als öffentliche Anstalten der Erbauung
und des Unterrichts von der französischen Strömung gereinigt werden. Das
napoleonische Konkordat gewährt dem Staate ein Aufsichtsrecht, wie es leider
sonst nirgends in Deutschland besteht. Die christlichen Kirchen sind völlig der
Staatsgewalt unterworfen, und die Geistlichen sind Staatsbeamte, deren Ge¬
halt der Staat beliebig sperren kann. Das evangelische wie das katholische
Kirchentum sind trotzdem Hochburgen des Franzosentums, und die katholische
Kirche ist natürlich ein noch schlimmrer Feind des Deutschtums, obschon beide
bischöfliche Oberhirten Altdeutsche sind. Es ist Thatsache, daß der französische
Gottesdienst im sogenannten französischen Sprachgebiet zwar unwesentlich ab¬
genommen hat, während er jetzt ganz verschwunden sein müßte, daß aber in
den größern Städten des deutschen Sprachgebiets, wo überhaupt nie ein Be¬
dürfnis dasür vorgelegen hat, die bisherige französische Predigt nicht mir bei¬
behalten ist, sondern sogar noch weitere französische Messer eingeführt sind.
Wenn dabei vor allem die katholische Kirche ein Vorwurf trifft, deren Priester-
seminare französisch unterrichten, jedenfalls die französische Sprache in jeder
Weise begünstigen, so drängt doch auch das evangelische Bekenntnis die fremde
Sprache nicht zurück, wie ja schon das Beispiel des reformierten Konsistorial-
prästdenten beweist. Nun sind aber die christlichen Kirchen der Reichs¬
lande förmliche Staatskirchen, wo der Staatswille bedingungslos entscheidet
und daher auch zur entsprechenden Geltung gebracht werden kann; und doch
ist, trotz der beiden altdeutschen Bischöfe, die französische Gesinnung des ihnen
unterstellten Klerus so offenkundig, daß man das Verhalten der jungen Kle¬
riker als aufreizend bezeichnen muß. So ist anch die Redakteurstellnng des
antideutschen Abbes Wetterle vom ^onrinU as Lolirmr einfach unvereinbar mit
dem Konkordat, die Schuld für solche Dinge trifft aber allein die Regierung,
die eben von ihrer Macht keinen Gebrauch macht. Es muß jeder Priester
oder Pastor, der seine französische Neigung zur Schau trägt, seines Amtes
entsetzt werden. Jeder französische Gottesdienst außerhalb des immer mehr zu
beschränkenden amtlichen französischen Sprachgebiets in Lothringen — im Ober-
elsaß giebt es überhaupt keins — muß untersagt, und der französische Unter¬
richt und die französische Unterhaltung in den Priesterseminaren verboten
werden. Damit fällt die gefährlichste Pflanzstätte der geistlichen Französierung,
die, ohne daß sie es wissen, auch die evangelischen Geistlichen ansteckt. Denn
schon aus entschuldbarer Eitelkeit und aus erklärlicher Hascherei nach der Volks¬
gunst folgt der protestantische Pfarrer dem Übeln katholischen Beispiel. Daß
der staatliche Einfluß vor der Macht der Kirche, wie im Kulturkampf, zurück¬
weichen müßte, ist nicht zu befürchten, da die kirchliche Autorität gar nicht in
Frage kommt. Die Bischöfe sind gute Deutsche und von den besten Absichten


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[0493] Aus dem Vberelsaß dieselbe Wirkung wie die politischen Revancheblätter haben; freilich ist auch den technischen Fachblättern der Zutritt über die Grenze zu verwehren. Auch Kirche und Schule müssen als öffentliche Anstalten der Erbauung und des Unterrichts von der französischen Strömung gereinigt werden. Das napoleonische Konkordat gewährt dem Staate ein Aufsichtsrecht, wie es leider sonst nirgends in Deutschland besteht. Die christlichen Kirchen sind völlig der Staatsgewalt unterworfen, und die Geistlichen sind Staatsbeamte, deren Ge¬ halt der Staat beliebig sperren kann. Das evangelische wie das katholische Kirchentum sind trotzdem Hochburgen des Franzosentums, und die katholische Kirche ist natürlich ein noch schlimmrer Feind des Deutschtums, obschon beide bischöfliche Oberhirten Altdeutsche sind. Es ist Thatsache, daß der französische Gottesdienst im sogenannten französischen Sprachgebiet zwar unwesentlich ab¬ genommen hat, während er jetzt ganz verschwunden sein müßte, daß aber in den größern Städten des deutschen Sprachgebiets, wo überhaupt nie ein Be¬ dürfnis dasür vorgelegen hat, die bisherige französische Predigt nicht mir bei¬ behalten ist, sondern sogar noch weitere französische Messer eingeführt sind. Wenn dabei vor allem die katholische Kirche ein Vorwurf trifft, deren Priester- seminare französisch unterrichten, jedenfalls die französische Sprache in jeder Weise begünstigen, so drängt doch auch das evangelische Bekenntnis die fremde Sprache nicht zurück, wie ja schon das Beispiel des reformierten Konsistorial- prästdenten beweist. Nun sind aber die christlichen Kirchen der Reichs¬ lande förmliche Staatskirchen, wo der Staatswille bedingungslos entscheidet und daher auch zur entsprechenden Geltung gebracht werden kann; und doch ist, trotz der beiden altdeutschen Bischöfe, die französische Gesinnung des ihnen unterstellten Klerus so offenkundig, daß man das Verhalten der jungen Kle¬ riker als aufreizend bezeichnen muß. So ist anch die Redakteurstellnng des antideutschen Abbes Wetterle vom ^onrinU as Lolirmr einfach unvereinbar mit dem Konkordat, die Schuld für solche Dinge trifft aber allein die Regierung, die eben von ihrer Macht keinen Gebrauch macht. Es muß jeder Priester oder Pastor, der seine französische Neigung zur Schau trägt, seines Amtes entsetzt werden. Jeder französische Gottesdienst außerhalb des immer mehr zu beschränkenden amtlichen französischen Sprachgebiets in Lothringen — im Ober- elsaß giebt es überhaupt keins — muß untersagt, und der französische Unter¬ richt und die französische Unterhaltung in den Priesterseminaren verboten werden. Damit fällt die gefährlichste Pflanzstätte der geistlichen Französierung, die, ohne daß sie es wissen, auch die evangelischen Geistlichen ansteckt. Denn schon aus entschuldbarer Eitelkeit und aus erklärlicher Hascherei nach der Volks¬ gunst folgt der protestantische Pfarrer dem Übeln katholischen Beispiel. Daß der staatliche Einfluß vor der Macht der Kirche, wie im Kulturkampf, zurück¬ weichen müßte, ist nicht zu befürchten, da die kirchliche Autorität gar nicht in Frage kommt. Die Bischöfe sind gute Deutsche und von den besten Absichten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/493>, abgerufen am 23.07.2024.