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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Aus dem Vberelsaß

versagt, wo es galt, die verirrten Söhne Alemanniens über dem Rhein ihrem
Mutterlande wiederzugewinnen. Wie wenig ein wirkliches Bedürfnis für den
Gebrauch der französischen Sprache vorliegt, beweist die französische Zeitung
Kolmars, die bloß zweimal wöchentlich erscheint, während die zahlreichen andern
Zeitungen täglich ausgegeben werden. Dabei ist die Redeweise des Herausgebers,
des Geistlichen Wetterle, natürlich Wetterle geschrieben, der seine Mitbürger
verhetzt, so Volks- und landesverräterisch, daß eine scharfe Preßpolizei ihm leicht
an den Kragen könnte. Übrigens hat er schon selbst deutsche Anzeigen auf¬
nehmen müssen; also scheinen seine Leser die deutsche Sprache für ihre Ge¬
schäfte doch allmählich vorzuziehen.

Noch schlimmer liegen die Verhältnisse in Mülhausen, wo es auch eine täg¬
lich erscheinende französische Zeitung giebt, freilich mit einer deutschen Ausgabe,
die aber um die Hälfte schmächtiger ist als die französischen Spalten. Mülhausen
hat ganz vergessen, daß es noch vor hundert Jahren eine freie deutsche Reichs¬
stadt gewesen ist. Freilich ist der wirtschaftliche Aufschwung seiner Baumwoll¬
spinnereien ein Werk der beiden Bonapartes gewesen, und so war auch Frank¬
reich das hauptsächlichste Absatzgebiet der oberelsässischen Erzeugnisse. Die
neue Grenze hat aber den Fabrikanten zu dem französischen auch noch den
viel aufnahmefähigern deutschen Markt gewonnen. Als Dank dafür sind sie
nur um so französischer geworden und schicken ihre Sohne und Töchter zur
Erziehung in französische Schulen und Klöster. Die Blüte der deutschen In¬
dustrie ist ihnen ebenso wie Altdeutschland selbst zu gute gekommen, und die
deutsche Negierung ist in die Fußstapfen ihrer französischen Vorgängerin ge¬
treten. Aus Landesmitteln sind namhafte Beihilfen zur Anlage von Stau¬
weihern gewährt worden, die den Fabriken fast kostenlos die Triebkraft liefern.
Die soziale Gesetzgebung hat die Lebenshaltung der Arbeiter gehoben und
deren Zukunft gesichert. Der Auslandsmarkt erstreckt sich über den Erdball,
während zur französischen Zeit der auswärtige Absatz nur beschränkt war.

Die reichgewordnen biedern Mülhüuser können also jedenfalls nicht be¬
haupten, daß das Reich ihnen ihre nationalen Unarten für wirtschaftliche
Schädigungen nachsehen müsse. Vielmehr hat das Vaterland das Recht und
die Pflicht, ihnen ihre französische Vorliebe bei fortgesetzter Störrigkeit auch ge¬
waltsam auszutreiben. Es ist sogar für uns geboten, den außergeschäftlichen
Verkehr dieser Französlinge über die Grenze möglichst zu unterbinden. Diese
Leute, die ihren Wohlstand dem deutschen Boden verdanken, sollen ihr Geld
nicht in Paris ausgeben, nur weil ihnen ihr angestammtes Vaterland nicht
gut genug erscheint.

Es giebt Mittel genug, sie zur Vernunft zu bringen. Die Bevölkerung
ist nach Abstammung und Bildung deutsch gewesen, ehe wir das Land wieder
besetzt haben. Schon um ihrer Arbeiter und Dienstboten willen konnten die
mit Recht berüchtigten vaterlandslosen Notabeln ihre Muttersprache nicht ganz


Aus dem Vberelsaß

versagt, wo es galt, die verirrten Söhne Alemanniens über dem Rhein ihrem
Mutterlande wiederzugewinnen. Wie wenig ein wirkliches Bedürfnis für den
Gebrauch der französischen Sprache vorliegt, beweist die französische Zeitung
Kolmars, die bloß zweimal wöchentlich erscheint, während die zahlreichen andern
Zeitungen täglich ausgegeben werden. Dabei ist die Redeweise des Herausgebers,
des Geistlichen Wetterle, natürlich Wetterle geschrieben, der seine Mitbürger
verhetzt, so Volks- und landesverräterisch, daß eine scharfe Preßpolizei ihm leicht
an den Kragen könnte. Übrigens hat er schon selbst deutsche Anzeigen auf¬
nehmen müssen; also scheinen seine Leser die deutsche Sprache für ihre Ge¬
schäfte doch allmählich vorzuziehen.

Noch schlimmer liegen die Verhältnisse in Mülhausen, wo es auch eine täg¬
lich erscheinende französische Zeitung giebt, freilich mit einer deutschen Ausgabe,
die aber um die Hälfte schmächtiger ist als die französischen Spalten. Mülhausen
hat ganz vergessen, daß es noch vor hundert Jahren eine freie deutsche Reichs¬
stadt gewesen ist. Freilich ist der wirtschaftliche Aufschwung seiner Baumwoll¬
spinnereien ein Werk der beiden Bonapartes gewesen, und so war auch Frank¬
reich das hauptsächlichste Absatzgebiet der oberelsässischen Erzeugnisse. Die
neue Grenze hat aber den Fabrikanten zu dem französischen auch noch den
viel aufnahmefähigern deutschen Markt gewonnen. Als Dank dafür sind sie
nur um so französischer geworden und schicken ihre Sohne und Töchter zur
Erziehung in französische Schulen und Klöster. Die Blüte der deutschen In¬
dustrie ist ihnen ebenso wie Altdeutschland selbst zu gute gekommen, und die
deutsche Negierung ist in die Fußstapfen ihrer französischen Vorgängerin ge¬
treten. Aus Landesmitteln sind namhafte Beihilfen zur Anlage von Stau¬
weihern gewährt worden, die den Fabriken fast kostenlos die Triebkraft liefern.
Die soziale Gesetzgebung hat die Lebenshaltung der Arbeiter gehoben und
deren Zukunft gesichert. Der Auslandsmarkt erstreckt sich über den Erdball,
während zur französischen Zeit der auswärtige Absatz nur beschränkt war.

Die reichgewordnen biedern Mülhüuser können also jedenfalls nicht be¬
haupten, daß das Reich ihnen ihre nationalen Unarten für wirtschaftliche
Schädigungen nachsehen müsse. Vielmehr hat das Vaterland das Recht und
die Pflicht, ihnen ihre französische Vorliebe bei fortgesetzter Störrigkeit auch ge¬
waltsam auszutreiben. Es ist sogar für uns geboten, den außergeschäftlichen
Verkehr dieser Französlinge über die Grenze möglichst zu unterbinden. Diese
Leute, die ihren Wohlstand dem deutschen Boden verdanken, sollen ihr Geld
nicht in Paris ausgeben, nur weil ihnen ihr angestammtes Vaterland nicht
gut genug erscheint.

Es giebt Mittel genug, sie zur Vernunft zu bringen. Die Bevölkerung
ist nach Abstammung und Bildung deutsch gewesen, ehe wir das Land wieder
besetzt haben. Schon um ihrer Arbeiter und Dienstboten willen konnten die
mit Recht berüchtigten vaterlandslosen Notabeln ihre Muttersprache nicht ganz


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[0486] Aus dem Vberelsaß versagt, wo es galt, die verirrten Söhne Alemanniens über dem Rhein ihrem Mutterlande wiederzugewinnen. Wie wenig ein wirkliches Bedürfnis für den Gebrauch der französischen Sprache vorliegt, beweist die französische Zeitung Kolmars, die bloß zweimal wöchentlich erscheint, während die zahlreichen andern Zeitungen täglich ausgegeben werden. Dabei ist die Redeweise des Herausgebers, des Geistlichen Wetterle, natürlich Wetterle geschrieben, der seine Mitbürger verhetzt, so Volks- und landesverräterisch, daß eine scharfe Preßpolizei ihm leicht an den Kragen könnte. Übrigens hat er schon selbst deutsche Anzeigen auf¬ nehmen müssen; also scheinen seine Leser die deutsche Sprache für ihre Ge¬ schäfte doch allmählich vorzuziehen. Noch schlimmer liegen die Verhältnisse in Mülhausen, wo es auch eine täg¬ lich erscheinende französische Zeitung giebt, freilich mit einer deutschen Ausgabe, die aber um die Hälfte schmächtiger ist als die französischen Spalten. Mülhausen hat ganz vergessen, daß es noch vor hundert Jahren eine freie deutsche Reichs¬ stadt gewesen ist. Freilich ist der wirtschaftliche Aufschwung seiner Baumwoll¬ spinnereien ein Werk der beiden Bonapartes gewesen, und so war auch Frank¬ reich das hauptsächlichste Absatzgebiet der oberelsässischen Erzeugnisse. Die neue Grenze hat aber den Fabrikanten zu dem französischen auch noch den viel aufnahmefähigern deutschen Markt gewonnen. Als Dank dafür sind sie nur um so französischer geworden und schicken ihre Sohne und Töchter zur Erziehung in französische Schulen und Klöster. Die Blüte der deutschen In¬ dustrie ist ihnen ebenso wie Altdeutschland selbst zu gute gekommen, und die deutsche Negierung ist in die Fußstapfen ihrer französischen Vorgängerin ge¬ treten. Aus Landesmitteln sind namhafte Beihilfen zur Anlage von Stau¬ weihern gewährt worden, die den Fabriken fast kostenlos die Triebkraft liefern. Die soziale Gesetzgebung hat die Lebenshaltung der Arbeiter gehoben und deren Zukunft gesichert. Der Auslandsmarkt erstreckt sich über den Erdball, während zur französischen Zeit der auswärtige Absatz nur beschränkt war. Die reichgewordnen biedern Mülhüuser können also jedenfalls nicht be¬ haupten, daß das Reich ihnen ihre nationalen Unarten für wirtschaftliche Schädigungen nachsehen müsse. Vielmehr hat das Vaterland das Recht und die Pflicht, ihnen ihre französische Vorliebe bei fortgesetzter Störrigkeit auch ge¬ waltsam auszutreiben. Es ist sogar für uns geboten, den außergeschäftlichen Verkehr dieser Französlinge über die Grenze möglichst zu unterbinden. Diese Leute, die ihren Wohlstand dem deutschen Boden verdanken, sollen ihr Geld nicht in Paris ausgeben, nur weil ihnen ihr angestammtes Vaterland nicht gut genug erscheint. Es giebt Mittel genug, sie zur Vernunft zu bringen. Die Bevölkerung ist nach Abstammung und Bildung deutsch gewesen, ehe wir das Land wieder besetzt haben. Schon um ihrer Arbeiter und Dienstboten willen konnten die mit Recht berüchtigten vaterlandslosen Notabeln ihre Muttersprache nicht ganz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/486>, abgerufen am 23.07.2024.