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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Aus dem Gberelsaß

und der Bauer hatte seinen Viehjuden nach schlechter deutscher Sitte. Diese
heimatlosen Eindringlinge spielten aber, sobald die französische Revolution die
Gleichberechtigung gebracht hatte, dank ihrer angebornen Anmaßung und durch
ihre Befähigung, sich den gegebnen Verhältnissen anzupassen, eine große Rolle.
Der gutmütige Elsässer nahm diese fremde Gesellschaft, die durch Geld- und
Viehwucher reich geworden war, harmlos als gleichstehende Genossen im Er¬
werbsleben auf, und jetzt stehen die Juden überall an der Spitze der Protestler,
indem sie sich als wütende Franzosenfreunde und Stockelsässer gebärden. In
Frankreich sind die Elsässer, wie die Dreyfußangelegenheit sattsam dargethan
hat, mit Recht durch ihre jüdischen Genossen schon in Verruf gekommen, und
bezeichnenderweise wird in Schilderungen des französischen Lebens der Jude
jedesmal durch seinen deutschen Namen gekennzeichnet. Der feinere Jude, der
von Amsterdam nach Paris gewandert ist, trägt den vornehmern portugiesischen
Namen. Es darf deshalb nicht wunder nehmen, daß der altdeutsche Jude
seinen elsässischen Glaubensgenossen beneidet und sich flugs nach seiner Ein¬
wanderung aus dem Osten als geborner Franzose gebärdet. Das Geschäft ist
nicht schlecht, und die Kundschaft fordert diese Verwandlung aus dem schmutzigen
polnischen Juden in einen Pariser Gigerl. So ist ein reicher jüdischer Händler
in Kolmar noch barfuß aus Königsberg in Kolmar eingewandert, der jetzt als
"Walles" und Stütze des Protestlertnms auftritt. Diese jüdischen Schreier
sind einflußreicher und zahlreicher, als man ahnt. Übrigens wirkt das Ge¬
schäft auch bei gebornen Elscisfern in derselben Weise auf die politische Ge¬
sinnung ein. Es ist auffüllig, wie groß die Zahl der Rechtsanwälte ist, die
sich als französisch-demokratische Führer vorstellen. Diese Erscheinung ist
menschlich; die Kundschaft verlangt eben solche politischen Anschauungen, und
schließlich ist man selbst von deren Richtigkeit überzeugt. Aus solchen Leuten
setzt sich hauptsächlich die sogenannte elsässische Volkspartei zusammen, die das
besondre Wohlwollen der geistesverwandten Frankfurter Zeitung genießt. Man
wird nicht behaupten können, daß ein derartiges Gemisch von geschäftlichen
Interessen und politischem Radikalismus auf behutsame Schonung bei der
Regierung Anspruch habe. Diese Erkenntnis scheint aber an den zuständigen
Stellen noch nicht zur Richtschnur des Handelns geworden zu sein, obschon
diese Thatsachen allgemein bekannt sind.

Bedenkt man, daß Kolmar der Sitz des höchsten Gerichts und der Bezirks¬
verwaltung ist, so scheint der persönliche Einfluß der Behörden völlig wirkungs¬
los geblieben zu sein. Die aus örtlichen Gründen beabsichtigte Verlegung des
Oberlandesgerichts mehr in die Mitte des Landes ist deshalb auch gleichgiltig,
obschon gerade die Gerichtsrüte wohl imstande gewesen wären, den einheimischen
gebildeten Mittelstand an seine deutsche Pflicht zu erinnern. Sogar die Rechts¬
anwälte dieses Gerichtshofs sind Französlinge geworden, wie es der Reichstags¬
abgeordnete Preiß zeigt. Das altdeutsche Beamtentum hat eben vollständig


Aus dem Gberelsaß

und der Bauer hatte seinen Viehjuden nach schlechter deutscher Sitte. Diese
heimatlosen Eindringlinge spielten aber, sobald die französische Revolution die
Gleichberechtigung gebracht hatte, dank ihrer angebornen Anmaßung und durch
ihre Befähigung, sich den gegebnen Verhältnissen anzupassen, eine große Rolle.
Der gutmütige Elsässer nahm diese fremde Gesellschaft, die durch Geld- und
Viehwucher reich geworden war, harmlos als gleichstehende Genossen im Er¬
werbsleben auf, und jetzt stehen die Juden überall an der Spitze der Protestler,
indem sie sich als wütende Franzosenfreunde und Stockelsässer gebärden. In
Frankreich sind die Elsässer, wie die Dreyfußangelegenheit sattsam dargethan
hat, mit Recht durch ihre jüdischen Genossen schon in Verruf gekommen, und
bezeichnenderweise wird in Schilderungen des französischen Lebens der Jude
jedesmal durch seinen deutschen Namen gekennzeichnet. Der feinere Jude, der
von Amsterdam nach Paris gewandert ist, trägt den vornehmern portugiesischen
Namen. Es darf deshalb nicht wunder nehmen, daß der altdeutsche Jude
seinen elsässischen Glaubensgenossen beneidet und sich flugs nach seiner Ein¬
wanderung aus dem Osten als geborner Franzose gebärdet. Das Geschäft ist
nicht schlecht, und die Kundschaft fordert diese Verwandlung aus dem schmutzigen
polnischen Juden in einen Pariser Gigerl. So ist ein reicher jüdischer Händler
in Kolmar noch barfuß aus Königsberg in Kolmar eingewandert, der jetzt als
„Walles" und Stütze des Protestlertnms auftritt. Diese jüdischen Schreier
sind einflußreicher und zahlreicher, als man ahnt. Übrigens wirkt das Ge¬
schäft auch bei gebornen Elscisfern in derselben Weise auf die politische Ge¬
sinnung ein. Es ist auffüllig, wie groß die Zahl der Rechtsanwälte ist, die
sich als französisch-demokratische Führer vorstellen. Diese Erscheinung ist
menschlich; die Kundschaft verlangt eben solche politischen Anschauungen, und
schließlich ist man selbst von deren Richtigkeit überzeugt. Aus solchen Leuten
setzt sich hauptsächlich die sogenannte elsässische Volkspartei zusammen, die das
besondre Wohlwollen der geistesverwandten Frankfurter Zeitung genießt. Man
wird nicht behaupten können, daß ein derartiges Gemisch von geschäftlichen
Interessen und politischem Radikalismus auf behutsame Schonung bei der
Regierung Anspruch habe. Diese Erkenntnis scheint aber an den zuständigen
Stellen noch nicht zur Richtschnur des Handelns geworden zu sein, obschon
diese Thatsachen allgemein bekannt sind.

Bedenkt man, daß Kolmar der Sitz des höchsten Gerichts und der Bezirks¬
verwaltung ist, so scheint der persönliche Einfluß der Behörden völlig wirkungs¬
los geblieben zu sein. Die aus örtlichen Gründen beabsichtigte Verlegung des
Oberlandesgerichts mehr in die Mitte des Landes ist deshalb auch gleichgiltig,
obschon gerade die Gerichtsrüte wohl imstande gewesen wären, den einheimischen
gebildeten Mittelstand an seine deutsche Pflicht zu erinnern. Sogar die Rechts¬
anwälte dieses Gerichtshofs sind Französlinge geworden, wie es der Reichstags¬
abgeordnete Preiß zeigt. Das altdeutsche Beamtentum hat eben vollständig


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[0485] Aus dem Gberelsaß und der Bauer hatte seinen Viehjuden nach schlechter deutscher Sitte. Diese heimatlosen Eindringlinge spielten aber, sobald die französische Revolution die Gleichberechtigung gebracht hatte, dank ihrer angebornen Anmaßung und durch ihre Befähigung, sich den gegebnen Verhältnissen anzupassen, eine große Rolle. Der gutmütige Elsässer nahm diese fremde Gesellschaft, die durch Geld- und Viehwucher reich geworden war, harmlos als gleichstehende Genossen im Er¬ werbsleben auf, und jetzt stehen die Juden überall an der Spitze der Protestler, indem sie sich als wütende Franzosenfreunde und Stockelsässer gebärden. In Frankreich sind die Elsässer, wie die Dreyfußangelegenheit sattsam dargethan hat, mit Recht durch ihre jüdischen Genossen schon in Verruf gekommen, und bezeichnenderweise wird in Schilderungen des französischen Lebens der Jude jedesmal durch seinen deutschen Namen gekennzeichnet. Der feinere Jude, der von Amsterdam nach Paris gewandert ist, trägt den vornehmern portugiesischen Namen. Es darf deshalb nicht wunder nehmen, daß der altdeutsche Jude seinen elsässischen Glaubensgenossen beneidet und sich flugs nach seiner Ein¬ wanderung aus dem Osten als geborner Franzose gebärdet. Das Geschäft ist nicht schlecht, und die Kundschaft fordert diese Verwandlung aus dem schmutzigen polnischen Juden in einen Pariser Gigerl. So ist ein reicher jüdischer Händler in Kolmar noch barfuß aus Königsberg in Kolmar eingewandert, der jetzt als „Walles" und Stütze des Protestlertnms auftritt. Diese jüdischen Schreier sind einflußreicher und zahlreicher, als man ahnt. Übrigens wirkt das Ge¬ schäft auch bei gebornen Elscisfern in derselben Weise auf die politische Ge¬ sinnung ein. Es ist auffüllig, wie groß die Zahl der Rechtsanwälte ist, die sich als französisch-demokratische Führer vorstellen. Diese Erscheinung ist menschlich; die Kundschaft verlangt eben solche politischen Anschauungen, und schließlich ist man selbst von deren Richtigkeit überzeugt. Aus solchen Leuten setzt sich hauptsächlich die sogenannte elsässische Volkspartei zusammen, die das besondre Wohlwollen der geistesverwandten Frankfurter Zeitung genießt. Man wird nicht behaupten können, daß ein derartiges Gemisch von geschäftlichen Interessen und politischem Radikalismus auf behutsame Schonung bei der Regierung Anspruch habe. Diese Erkenntnis scheint aber an den zuständigen Stellen noch nicht zur Richtschnur des Handelns geworden zu sein, obschon diese Thatsachen allgemein bekannt sind. Bedenkt man, daß Kolmar der Sitz des höchsten Gerichts und der Bezirks¬ verwaltung ist, so scheint der persönliche Einfluß der Behörden völlig wirkungs¬ los geblieben zu sein. Die aus örtlichen Gründen beabsichtigte Verlegung des Oberlandesgerichts mehr in die Mitte des Landes ist deshalb auch gleichgiltig, obschon gerade die Gerichtsrüte wohl imstande gewesen wären, den einheimischen gebildeten Mittelstand an seine deutsche Pflicht zu erinnern. Sogar die Rechts¬ anwälte dieses Gerichtshofs sind Französlinge geworden, wie es der Reichstags¬ abgeordnete Preiß zeigt. Das altdeutsche Beamtentum hat eben vollständig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/485>, abgerufen am 23.07.2024.