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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Moritz Busch und Fürst Bismarck

erklärt, und ihn für das, was er in der Unzurechnungsfähigkeit gethan haben
soll, einen Schurken und einen Lügner nennt? Die Artikel in den Leipziger
Neuesten Nachrichten, eine Anhäufung unwürdiger Schimpfereien, schmücken sich
auch mit dieser Perle. Wie kläglich ist der Vorwurf, den man gegen Busch
erhebt, insbesondre der Geldschneiderei gegenüber, die mit den Bismarckschen
Memoiren betrieben wird, wenn man behauptet, er habe seine Publikationen
allein des schnöden Geldgewinns wegen gemacht! Ich glaube nicht, daß einer von
unsern novellistischen Größen einen Roman billiger verkaufen würde, als Busch
seine Bände nach England hergegeben hat, für die englische und alle andern
Ausgaben und Auflagen zusammen, und ich kann es wohl am besten bezeugen,
ob ihm der Geldgewinn jemals das Ausschlaggebende bei seiner Arbeit gewesen
ist; ich habe die Erfahrung auch nicht einmal gemacht, daß es der Fall gewesen
wäre. Können alle die, die bei der Veröffentlichung der Memoiren beteiligt
sind, etwas ähnliches von sich behaupten?*) Freilich, im Auftrag des Fürsten
haben wohl auch sie gehandelt, wenngleich die überhastete Ausgabe seltsam
berührt. Aber sie sind es, die es bestreiten, daß Busch im Auftrage des
Fürsten gehandelt habe -- der es gethan hat lange vor der Zeit, wo der
Fürst "niemand um sich hatte, der schreiben konnte," weil ihm eben Busch und
Bücher fehlten.

Ich habe das deutsche Originalmanuskript der Tagebuchblätter Buschs
von dem englischen Verleger gekauft, um es in der Form zu veröffentlichen,
in der es geboten werden kann, weil ich dem deutschen Volke damit einen Schatz
zugänglich mache, der durch nichts andres ersetzt werden kann, auch nicht durch
die eignen Memoiren des Fürsten selbst. Denn es ist klar, daß dieser anders
zeichnet und Andres, als jemand, der ihn zeichnet. Der Fürst tritt uns
aus Buschs Aufzeichnungen nicht in der Philistergestalt mit Schlafrock und
langer Pfeife entgegen, als die ihn der Philister zu betrachten liebt; als den
soll ihn die Nachwelt nicht betrachten lernen, sie soll ihn sehen mit seinen
Ecken und Kanten, sie soll ihn sehen bei seiner Gedankenarbeit und soll daraus
verstehen lernen, was er gewollt, und wofür er gekämpft und gelitten hat mit
seinem Haß und seiner Liebe; sie soll ihn sehen als den Mann, der von sich
gesagt hat: MI nunriwi g. wo -Msnum xuw. Nichts andres hat Busch zeigen
wollen, und er ist der einzige, der es gezeigt hat. trotz der Memoiren, deren
I- Grunow unschätzbare Ergänzung sein Buch ist.





*) Oder die billigen Leute Liman und Grousilliers. die es sür sine "ehrenvolle Aufgabe"
dein deutschen Volk gegenüber betrachten, die "Gedanken und Erinnerungen" für ein ^"epoche¬
machendes" Dreimarkbuch auszuschlachten? Wenn es wahr ist. daß Herr Liman der Verfasser
d" Artikel der Leipziger Neuesten Nachrichten ist, so lasst das ziemlich lief blicken, ebenso d.e
Rolle, die Herr Schweninger in den Artikeln spielt, Liman und Schweninger!
Moritz Busch und Fürst Bismarck

erklärt, und ihn für das, was er in der Unzurechnungsfähigkeit gethan haben
soll, einen Schurken und einen Lügner nennt? Die Artikel in den Leipziger
Neuesten Nachrichten, eine Anhäufung unwürdiger Schimpfereien, schmücken sich
auch mit dieser Perle. Wie kläglich ist der Vorwurf, den man gegen Busch
erhebt, insbesondre der Geldschneiderei gegenüber, die mit den Bismarckschen
Memoiren betrieben wird, wenn man behauptet, er habe seine Publikationen
allein des schnöden Geldgewinns wegen gemacht! Ich glaube nicht, daß einer von
unsern novellistischen Größen einen Roman billiger verkaufen würde, als Busch
seine Bände nach England hergegeben hat, für die englische und alle andern
Ausgaben und Auflagen zusammen, und ich kann es wohl am besten bezeugen,
ob ihm der Geldgewinn jemals das Ausschlaggebende bei seiner Arbeit gewesen
ist; ich habe die Erfahrung auch nicht einmal gemacht, daß es der Fall gewesen
wäre. Können alle die, die bei der Veröffentlichung der Memoiren beteiligt
sind, etwas ähnliches von sich behaupten?*) Freilich, im Auftrag des Fürsten
haben wohl auch sie gehandelt, wenngleich die überhastete Ausgabe seltsam
berührt. Aber sie sind es, die es bestreiten, daß Busch im Auftrage des
Fürsten gehandelt habe — der es gethan hat lange vor der Zeit, wo der
Fürst „niemand um sich hatte, der schreiben konnte," weil ihm eben Busch und
Bücher fehlten.

Ich habe das deutsche Originalmanuskript der Tagebuchblätter Buschs
von dem englischen Verleger gekauft, um es in der Form zu veröffentlichen,
in der es geboten werden kann, weil ich dem deutschen Volke damit einen Schatz
zugänglich mache, der durch nichts andres ersetzt werden kann, auch nicht durch
die eignen Memoiren des Fürsten selbst. Denn es ist klar, daß dieser anders
zeichnet und Andres, als jemand, der ihn zeichnet. Der Fürst tritt uns
aus Buschs Aufzeichnungen nicht in der Philistergestalt mit Schlafrock und
langer Pfeife entgegen, als die ihn der Philister zu betrachten liebt; als den
soll ihn die Nachwelt nicht betrachten lernen, sie soll ihn sehen mit seinen
Ecken und Kanten, sie soll ihn sehen bei seiner Gedankenarbeit und soll daraus
verstehen lernen, was er gewollt, und wofür er gekämpft und gelitten hat mit
seinem Haß und seiner Liebe; sie soll ihn sehen als den Mann, der von sich
gesagt hat: MI nunriwi g. wo -Msnum xuw. Nichts andres hat Busch zeigen
wollen, und er ist der einzige, der es gezeigt hat. trotz der Memoiren, deren
I- Grunow unschätzbare Ergänzung sein Buch ist.





*) Oder die billigen Leute Liman und Grousilliers. die es sür sine „ehrenvolle Aufgabe"
dein deutschen Volk gegenüber betrachten, die „Gedanken und Erinnerungen" für ein ^„epoche¬
machendes" Dreimarkbuch auszuschlachten? Wenn es wahr ist. daß Herr Liman der Verfasser
d« Artikel der Leipziger Neuesten Nachrichten ist, so lasst das ziemlich lief blicken, ebenso d.e
Rolle, die Herr Schweninger in den Artikeln spielt, Liman und Schweninger!
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[0037] Moritz Busch und Fürst Bismarck erklärt, und ihn für das, was er in der Unzurechnungsfähigkeit gethan haben soll, einen Schurken und einen Lügner nennt? Die Artikel in den Leipziger Neuesten Nachrichten, eine Anhäufung unwürdiger Schimpfereien, schmücken sich auch mit dieser Perle. Wie kläglich ist der Vorwurf, den man gegen Busch erhebt, insbesondre der Geldschneiderei gegenüber, die mit den Bismarckschen Memoiren betrieben wird, wenn man behauptet, er habe seine Publikationen allein des schnöden Geldgewinns wegen gemacht! Ich glaube nicht, daß einer von unsern novellistischen Größen einen Roman billiger verkaufen würde, als Busch seine Bände nach England hergegeben hat, für die englische und alle andern Ausgaben und Auflagen zusammen, und ich kann es wohl am besten bezeugen, ob ihm der Geldgewinn jemals das Ausschlaggebende bei seiner Arbeit gewesen ist; ich habe die Erfahrung auch nicht einmal gemacht, daß es der Fall gewesen wäre. Können alle die, die bei der Veröffentlichung der Memoiren beteiligt sind, etwas ähnliches von sich behaupten?*) Freilich, im Auftrag des Fürsten haben wohl auch sie gehandelt, wenngleich die überhastete Ausgabe seltsam berührt. Aber sie sind es, die es bestreiten, daß Busch im Auftrage des Fürsten gehandelt habe — der es gethan hat lange vor der Zeit, wo der Fürst „niemand um sich hatte, der schreiben konnte," weil ihm eben Busch und Bücher fehlten. Ich habe das deutsche Originalmanuskript der Tagebuchblätter Buschs von dem englischen Verleger gekauft, um es in der Form zu veröffentlichen, in der es geboten werden kann, weil ich dem deutschen Volke damit einen Schatz zugänglich mache, der durch nichts andres ersetzt werden kann, auch nicht durch die eignen Memoiren des Fürsten selbst. Denn es ist klar, daß dieser anders zeichnet und Andres, als jemand, der ihn zeichnet. Der Fürst tritt uns aus Buschs Aufzeichnungen nicht in der Philistergestalt mit Schlafrock und langer Pfeife entgegen, als die ihn der Philister zu betrachten liebt; als den soll ihn die Nachwelt nicht betrachten lernen, sie soll ihn sehen mit seinen Ecken und Kanten, sie soll ihn sehen bei seiner Gedankenarbeit und soll daraus verstehen lernen, was er gewollt, und wofür er gekämpft und gelitten hat mit seinem Haß und seiner Liebe; sie soll ihn sehen als den Mann, der von sich gesagt hat: MI nunriwi g. wo -Msnum xuw. Nichts andres hat Busch zeigen wollen, und er ist der einzige, der es gezeigt hat. trotz der Memoiren, deren I- Grunow unschätzbare Ergänzung sein Buch ist. *) Oder die billigen Leute Liman und Grousilliers. die es sür sine „ehrenvolle Aufgabe" dein deutschen Volk gegenüber betrachten, die „Gedanken und Erinnerungen" für ein ^„epoche¬ machendes" Dreimarkbuch auszuschlachten? Wenn es wahr ist. daß Herr Liman der Verfasser d« Artikel der Leipziger Neuesten Nachrichten ist, so lasst das ziemlich lief blicken, ebenso d.e Rolle, die Herr Schweninger in den Artikeln spielt, Liman und Schweninger!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/37>, abgerufen am 23.07.2024.