Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Reform des Personentarifs der preußischen Eisenbahnen

entwurfs kommt dann noch oft der Verdruß darüber, daß man die Vorteile
der Rückfahrkarten nicht genießen kann, weil gewisse Voraussetzungen nicht zu¬
treffen, oder weil man die Möglichkeit ihrer Benutzung nicht vorher ge¬
kannt hat.

So viel über die gewöhnlichen Rückfahrkarten auf kürzern Strecken bis
zu 200 Kilometern. Beträgt die Entfernung 300 Kilometer, so gelten die
Karten vier Tage und für je 100 Kilometer weiterer Entfernung einen Tag
länger. Hierbei sei zunächst nur nebenher die Ausnahme gestreift, die für
Berlin gilt. Die Rückfahrkarten nach Berlin gelten von 50 Kilometern Ent¬
fernung an je einen Tag länger als nach andern Orten. Warum diese Be¬
vorzugung von Berlin, die doch mit der Forderung desselben Rechts für alle
nicht vereinbar ist? Den Rückfahrkarten mit viertägiger -- und wenn sie
für Berlin gelten, mit fünftägiger Giltigkeit macht eine andre Einrichtung den
Rang streitig, die ebenfalls zur Erleichterung des Reiseverkehrs ersonnen ist,
aber, von dem zweifelhaften Vorteile der Preisermäßigung abgesehen, die ent¬
gegengesetzte Wirkung erzielt, die der "zusammenstellbaren Fahrscheinhefte."
Sie werden ausgegeben, wenn auf der Hin- und Rückreise, die über beliebige
Strecken erfolgen kann, zusammen wenigstens 600 Kilometer zurückgelegt werden.
Da gilt es nun, wenn man die Wahl hat zwischen Rückfahrkarte und Fahr¬
scheinheft, jedesmal Vor- und Nachteile der einen und der andern Art der
Verkehrserleichternng gegen einander abzuwägen.

Die Rückfahrkarte wird wie die gewöhnliche Fahrkarte am Kartenschalter
gelöst. Das Fahrscheinheft muß mindestens sechs Stunden vor der Abreise,
meistens aber schon einige Tage zuvor schriftlich bestellt und kann nicht
immer unmittelbar vor der Abreise in Empfang genommen werden. Die
Rückfahrkarte gilt nur eine beschränkte Zahl von Tagen, das Fahrschein¬
heft wenigstens 45 Tage. Die Rückfahrkarte berechtigt zur unentgeltlichen
Mitnahme von 25 Kilogramm Gepäck im Packwagen, das Fahrscheinheft ge¬
währt kein Freigepäck. Die Rückfahrkarte gestattet eine Unterbrechung der
Reise nur einmal bei der Hin- und einmal bei der Rückfahrt, das Fahrschein¬
heft ans jeder Station. Für das Heft spricht die längere Giltigkeitsdauer und
die Möglichkeit, an jedem beliebigen Orte, der auf der Reise berührt wird,
Aufenthalt zu nehmen; dagegen die Unbequemlichkeit der Lösung des Heftes
und die Nichtgewähr von Freigepäck. Und diese beiden Erwägungen geben
oft genug den Ausschlag für die Rückfahrkarte. Zu einer Reise von Köln
nach Berlin nimmst du, da die achttägige Giltigkeitsdauer zur Erledigung
deiner Geschäfte ausreichend Zeit gewährt, eine Rückfahrkarte. Nun braucht
in Berlin nur ein Ereignis einzutreten, das eine Verlängerung deines Auf¬
enthalts erwünscht macht, und du hast Gelegenheit und Anlaß zum Ärger
über die Buntscheckigkeit unsers Personentarifs, denn du begreifst nicht, warum
Rückfahrkarten nicht ebenso lange gelten wie Fahrscheinhefte, und weshalb


Grenzboten 1 1899 ,--,9
Zur Reform des Personentarifs der preußischen Eisenbahnen

entwurfs kommt dann noch oft der Verdruß darüber, daß man die Vorteile
der Rückfahrkarten nicht genießen kann, weil gewisse Voraussetzungen nicht zu¬
treffen, oder weil man die Möglichkeit ihrer Benutzung nicht vorher ge¬
kannt hat.

So viel über die gewöhnlichen Rückfahrkarten auf kürzern Strecken bis
zu 200 Kilometern. Beträgt die Entfernung 300 Kilometer, so gelten die
Karten vier Tage und für je 100 Kilometer weiterer Entfernung einen Tag
länger. Hierbei sei zunächst nur nebenher die Ausnahme gestreift, die für
Berlin gilt. Die Rückfahrkarten nach Berlin gelten von 50 Kilometern Ent¬
fernung an je einen Tag länger als nach andern Orten. Warum diese Be¬
vorzugung von Berlin, die doch mit der Forderung desselben Rechts für alle
nicht vereinbar ist? Den Rückfahrkarten mit viertägiger — und wenn sie
für Berlin gelten, mit fünftägiger Giltigkeit macht eine andre Einrichtung den
Rang streitig, die ebenfalls zur Erleichterung des Reiseverkehrs ersonnen ist,
aber, von dem zweifelhaften Vorteile der Preisermäßigung abgesehen, die ent¬
gegengesetzte Wirkung erzielt, die der „zusammenstellbaren Fahrscheinhefte."
Sie werden ausgegeben, wenn auf der Hin- und Rückreise, die über beliebige
Strecken erfolgen kann, zusammen wenigstens 600 Kilometer zurückgelegt werden.
Da gilt es nun, wenn man die Wahl hat zwischen Rückfahrkarte und Fahr¬
scheinheft, jedesmal Vor- und Nachteile der einen und der andern Art der
Verkehrserleichternng gegen einander abzuwägen.

Die Rückfahrkarte wird wie die gewöhnliche Fahrkarte am Kartenschalter
gelöst. Das Fahrscheinheft muß mindestens sechs Stunden vor der Abreise,
meistens aber schon einige Tage zuvor schriftlich bestellt und kann nicht
immer unmittelbar vor der Abreise in Empfang genommen werden. Die
Rückfahrkarte gilt nur eine beschränkte Zahl von Tagen, das Fahrschein¬
heft wenigstens 45 Tage. Die Rückfahrkarte berechtigt zur unentgeltlichen
Mitnahme von 25 Kilogramm Gepäck im Packwagen, das Fahrscheinheft ge¬
währt kein Freigepäck. Die Rückfahrkarte gestattet eine Unterbrechung der
Reise nur einmal bei der Hin- und einmal bei der Rückfahrt, das Fahrschein¬
heft ans jeder Station. Für das Heft spricht die längere Giltigkeitsdauer und
die Möglichkeit, an jedem beliebigen Orte, der auf der Reise berührt wird,
Aufenthalt zu nehmen; dagegen die Unbequemlichkeit der Lösung des Heftes
und die Nichtgewähr von Freigepäck. Und diese beiden Erwägungen geben
oft genug den Ausschlag für die Rückfahrkarte. Zu einer Reise von Köln
nach Berlin nimmst du, da die achttägige Giltigkeitsdauer zur Erledigung
deiner Geschäfte ausreichend Zeit gewährt, eine Rückfahrkarte. Nun braucht
in Berlin nur ein Ereignis einzutreten, das eine Verlängerung deines Auf¬
enthalts erwünscht macht, und du hast Gelegenheit und Anlaß zum Ärger
über die Buntscheckigkeit unsers Personentarifs, denn du begreifst nicht, warum
Rückfahrkarten nicht ebenso lange gelten wie Fahrscheinhefte, und weshalb


Grenzboten 1 1899 ,--,9
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0313" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229999"/>
          <fw type="header" place="top"> Zur Reform des Personentarifs der preußischen Eisenbahnen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1268" prev="#ID_1267"> entwurfs kommt dann noch oft der Verdruß darüber, daß man die Vorteile<lb/>
der Rückfahrkarten nicht genießen kann, weil gewisse Voraussetzungen nicht zu¬<lb/>
treffen, oder weil man die Möglichkeit ihrer Benutzung nicht vorher ge¬<lb/>
kannt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1269"> So viel über die gewöhnlichen Rückfahrkarten auf kürzern Strecken bis<lb/>
zu 200 Kilometern. Beträgt die Entfernung 300 Kilometer, so gelten die<lb/>
Karten vier Tage und für je 100 Kilometer weiterer Entfernung einen Tag<lb/>
länger. Hierbei sei zunächst nur nebenher die Ausnahme gestreift, die für<lb/>
Berlin gilt. Die Rückfahrkarten nach Berlin gelten von 50 Kilometern Ent¬<lb/>
fernung an je einen Tag länger als nach andern Orten. Warum diese Be¬<lb/>
vorzugung von Berlin, die doch mit der Forderung desselben Rechts für alle<lb/>
nicht vereinbar ist? Den Rückfahrkarten mit viertägiger &#x2014; und wenn sie<lb/>
für Berlin gelten, mit fünftägiger Giltigkeit macht eine andre Einrichtung den<lb/>
Rang streitig, die ebenfalls zur Erleichterung des Reiseverkehrs ersonnen ist,<lb/>
aber, von dem zweifelhaften Vorteile der Preisermäßigung abgesehen, die ent¬<lb/>
gegengesetzte Wirkung erzielt, die der &#x201E;zusammenstellbaren Fahrscheinhefte."<lb/>
Sie werden ausgegeben, wenn auf der Hin- und Rückreise, die über beliebige<lb/>
Strecken erfolgen kann, zusammen wenigstens 600 Kilometer zurückgelegt werden.<lb/>
Da gilt es nun, wenn man die Wahl hat zwischen Rückfahrkarte und Fahr¬<lb/>
scheinheft, jedesmal Vor- und Nachteile der einen und der andern Art der<lb/>
Verkehrserleichternng gegen einander abzuwägen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1270" next="#ID_1271"> Die Rückfahrkarte wird wie die gewöhnliche Fahrkarte am Kartenschalter<lb/>
gelöst. Das Fahrscheinheft muß mindestens sechs Stunden vor der Abreise,<lb/>
meistens aber schon einige Tage zuvor schriftlich bestellt und kann nicht<lb/>
immer unmittelbar vor der Abreise in Empfang genommen werden. Die<lb/>
Rückfahrkarte gilt nur eine beschränkte Zahl von Tagen, das Fahrschein¬<lb/>
heft wenigstens 45 Tage. Die Rückfahrkarte berechtigt zur unentgeltlichen<lb/>
Mitnahme von 25 Kilogramm Gepäck im Packwagen, das Fahrscheinheft ge¬<lb/>
währt kein Freigepäck. Die Rückfahrkarte gestattet eine Unterbrechung der<lb/>
Reise nur einmal bei der Hin- und einmal bei der Rückfahrt, das Fahrschein¬<lb/>
heft ans jeder Station. Für das Heft spricht die längere Giltigkeitsdauer und<lb/>
die Möglichkeit, an jedem beliebigen Orte, der auf der Reise berührt wird,<lb/>
Aufenthalt zu nehmen; dagegen die Unbequemlichkeit der Lösung des Heftes<lb/>
und die Nichtgewähr von Freigepäck. Und diese beiden Erwägungen geben<lb/>
oft genug den Ausschlag für die Rückfahrkarte. Zu einer Reise von Köln<lb/>
nach Berlin nimmst du, da die achttägige Giltigkeitsdauer zur Erledigung<lb/>
deiner Geschäfte ausreichend Zeit gewährt, eine Rückfahrkarte. Nun braucht<lb/>
in Berlin nur ein Ereignis einzutreten, das eine Verlängerung deines Auf¬<lb/>
enthalts erwünscht macht, und du hast Gelegenheit und Anlaß zum Ärger<lb/>
über die Buntscheckigkeit unsers Personentarifs, denn du begreifst nicht, warum<lb/>
Rückfahrkarten nicht ebenso lange gelten wie Fahrscheinhefte, und weshalb</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1 1899 ,--,9</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0313] Zur Reform des Personentarifs der preußischen Eisenbahnen entwurfs kommt dann noch oft der Verdruß darüber, daß man die Vorteile der Rückfahrkarten nicht genießen kann, weil gewisse Voraussetzungen nicht zu¬ treffen, oder weil man die Möglichkeit ihrer Benutzung nicht vorher ge¬ kannt hat. So viel über die gewöhnlichen Rückfahrkarten auf kürzern Strecken bis zu 200 Kilometern. Beträgt die Entfernung 300 Kilometer, so gelten die Karten vier Tage und für je 100 Kilometer weiterer Entfernung einen Tag länger. Hierbei sei zunächst nur nebenher die Ausnahme gestreift, die für Berlin gilt. Die Rückfahrkarten nach Berlin gelten von 50 Kilometern Ent¬ fernung an je einen Tag länger als nach andern Orten. Warum diese Be¬ vorzugung von Berlin, die doch mit der Forderung desselben Rechts für alle nicht vereinbar ist? Den Rückfahrkarten mit viertägiger — und wenn sie für Berlin gelten, mit fünftägiger Giltigkeit macht eine andre Einrichtung den Rang streitig, die ebenfalls zur Erleichterung des Reiseverkehrs ersonnen ist, aber, von dem zweifelhaften Vorteile der Preisermäßigung abgesehen, die ent¬ gegengesetzte Wirkung erzielt, die der „zusammenstellbaren Fahrscheinhefte." Sie werden ausgegeben, wenn auf der Hin- und Rückreise, die über beliebige Strecken erfolgen kann, zusammen wenigstens 600 Kilometer zurückgelegt werden. Da gilt es nun, wenn man die Wahl hat zwischen Rückfahrkarte und Fahr¬ scheinheft, jedesmal Vor- und Nachteile der einen und der andern Art der Verkehrserleichternng gegen einander abzuwägen. Die Rückfahrkarte wird wie die gewöhnliche Fahrkarte am Kartenschalter gelöst. Das Fahrscheinheft muß mindestens sechs Stunden vor der Abreise, meistens aber schon einige Tage zuvor schriftlich bestellt und kann nicht immer unmittelbar vor der Abreise in Empfang genommen werden. Die Rückfahrkarte gilt nur eine beschränkte Zahl von Tagen, das Fahrschein¬ heft wenigstens 45 Tage. Die Rückfahrkarte berechtigt zur unentgeltlichen Mitnahme von 25 Kilogramm Gepäck im Packwagen, das Fahrscheinheft ge¬ währt kein Freigepäck. Die Rückfahrkarte gestattet eine Unterbrechung der Reise nur einmal bei der Hin- und einmal bei der Rückfahrt, das Fahrschein¬ heft ans jeder Station. Für das Heft spricht die längere Giltigkeitsdauer und die Möglichkeit, an jedem beliebigen Orte, der auf der Reise berührt wird, Aufenthalt zu nehmen; dagegen die Unbequemlichkeit der Lösung des Heftes und die Nichtgewähr von Freigepäck. Und diese beiden Erwägungen geben oft genug den Ausschlag für die Rückfahrkarte. Zu einer Reise von Köln nach Berlin nimmst du, da die achttägige Giltigkeitsdauer zur Erledigung deiner Geschäfte ausreichend Zeit gewährt, eine Rückfahrkarte. Nun braucht in Berlin nur ein Ereignis einzutreten, das eine Verlängerung deines Auf¬ enthalts erwünscht macht, und du hast Gelegenheit und Anlaß zum Ärger über die Buntscheckigkeit unsers Personentarifs, denn du begreifst nicht, warum Rückfahrkarten nicht ebenso lange gelten wie Fahrscheinhefte, und weshalb Grenzboten 1 1899 ,--,9

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/313
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/313>, abgerufen am 23.07.2024.