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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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vie Zukunft Deutsch-Südwestafrikas

Deutsch-Südwestafrika vergrößert hat, und wie kostspielig er dadurch geworden
ist. Aber diese komplizierte Verwaltung arbeitet in einem menschenleeren
Lande. Sie ist reiner Selbstzweck. Sicher haben die bisher aufgewandten
großen Opfer dem Reich noch nicht den geringsten Nutzen gebracht.*) Die
Thätigkeit der großen Land- und Minengesellschaften ist gleich Null.**) Ver¬
hältnismäßig geringfügige Dinge werden in der den Erwerbsgcsellschaften er¬
gebner Tagespresse zu erfreulichen, das Aufblühen der jungen Kolonie be¬
weisenden Erfolgen aufgebauscht. Wie oft haben wir nicht schon gelesen, daß
in der Lüderitzbucht ein Dampflondcnser aufgestellt werden wird und endlich
aufgestellt worden ist zur Freude der Zugochsen. I" Spitzkopje hat die Ko¬
lonialgesellschaft eine Farm für Viehwirtschaft eingerichtet, eine Viehtränke in
Gestalt einer kleinen Stauanlage errichtet und um vier Stellen mit Erfolg nach
Wasser gegraben. In der Nähe von Windhoek hat die Siedlungsgesellschaft
eine Mnstcrfarm gegründet. Schon ist eine Anzahl aus Deutschland stammender
Schafe, Puten, Hühner und Gänse angesiedelt worden, sodaß, wie die Zeitungs¬
berichte melden, "eine erfreuliche Nachzucht zu erwarten steht, die nur bei den
Gänsen durch den Tod des Gänserichs mehr als in Frage gestellt ist."

Das Gouvernement beschränkt sich darauf, das Schutzgebiet fast aus¬
schließlich mit einem Teile der alljährlich zur Entlassung kommenden Mann¬
schaften der Schutztruppe zu besiedeln, und dabei ist nicht einmal ein deutscher
Nachwuchs gesichert, denn es ist unmöglich, diese Art Ansiedler mit weißen,
geschweige denn deutschen Frauen zu versorgen. Aber dreizehn deutsche Mädchen
sind ja schon auf dem Wege nach Swakvpmuud. Freue dich, Neu-Deutsch¬
land! Deine Zukunft ist nun gesichert. Im nächsten Jahre werden wir
wieder von dergleichen Nachschüben aus Deutschland lesen. Ich sehe schon,
das viel ersehnte Maskulinum, den Nachfolger des leider zu früh verstorbnen
Gänserichs, in Swakvpmuud landen und dann einsam durch das menschenleere
ungeheure Land in der Richtung auf Windhoek zu marschieren in dem er¬
hebenden Bewußtsein seiner großen Mission. Als Nachtrab erscheint dann
vielleicht wieder ein Dutzend ehrsamer deutscher Jungfrauen, die Hoffnung der
deutschen Reiter unsrer Schutztruppe. Wie viele Jahrhunderte müßte wohl
Deutschland warten, wenn in solcher Weise die Besiedlung von Deutsch-Süd¬
westafrika vor sich gehen soll?

Es tragen eben alle Maßnahmen der Gesellschaften und auch der Regie-




*) Zur Zeit betraffen die Kosten der Verwaltung fünfmal soviel als die Einnahmen, und
diese Einnahmen setzen sich zum großen Teil aus den Zöllen zusammen, die von den Schutz¬
truppen und Beamten aufgebracht werden.
"*) Das giebt auch der Berichterstatter über den diesjährigen Etat für Südwestafrika im
Ausschuß der deutschen Kolvnialgesellschaft, Geheimrat Simon, mit den Worten zu: "Die eng¬
lischen Gesellschaften hätten für die Entwicklung des Schutzgebiets durchaus noch nichts Erkenn¬
bares gethan/' Deutsche Kolonialzeitung 1M0, S, 18,
vie Zukunft Deutsch-Südwestafrikas

Deutsch-Südwestafrika vergrößert hat, und wie kostspielig er dadurch geworden
ist. Aber diese komplizierte Verwaltung arbeitet in einem menschenleeren
Lande. Sie ist reiner Selbstzweck. Sicher haben die bisher aufgewandten
großen Opfer dem Reich noch nicht den geringsten Nutzen gebracht.*) Die
Thätigkeit der großen Land- und Minengesellschaften ist gleich Null.**) Ver¬
hältnismäßig geringfügige Dinge werden in der den Erwerbsgcsellschaften er¬
gebner Tagespresse zu erfreulichen, das Aufblühen der jungen Kolonie be¬
weisenden Erfolgen aufgebauscht. Wie oft haben wir nicht schon gelesen, daß
in der Lüderitzbucht ein Dampflondcnser aufgestellt werden wird und endlich
aufgestellt worden ist zur Freude der Zugochsen. I» Spitzkopje hat die Ko¬
lonialgesellschaft eine Farm für Viehwirtschaft eingerichtet, eine Viehtränke in
Gestalt einer kleinen Stauanlage errichtet und um vier Stellen mit Erfolg nach
Wasser gegraben. In der Nähe von Windhoek hat die Siedlungsgesellschaft
eine Mnstcrfarm gegründet. Schon ist eine Anzahl aus Deutschland stammender
Schafe, Puten, Hühner und Gänse angesiedelt worden, sodaß, wie die Zeitungs¬
berichte melden, „eine erfreuliche Nachzucht zu erwarten steht, die nur bei den
Gänsen durch den Tod des Gänserichs mehr als in Frage gestellt ist."

Das Gouvernement beschränkt sich darauf, das Schutzgebiet fast aus¬
schließlich mit einem Teile der alljährlich zur Entlassung kommenden Mann¬
schaften der Schutztruppe zu besiedeln, und dabei ist nicht einmal ein deutscher
Nachwuchs gesichert, denn es ist unmöglich, diese Art Ansiedler mit weißen,
geschweige denn deutschen Frauen zu versorgen. Aber dreizehn deutsche Mädchen
sind ja schon auf dem Wege nach Swakvpmuud. Freue dich, Neu-Deutsch¬
land! Deine Zukunft ist nun gesichert. Im nächsten Jahre werden wir
wieder von dergleichen Nachschüben aus Deutschland lesen. Ich sehe schon,
das viel ersehnte Maskulinum, den Nachfolger des leider zu früh verstorbnen
Gänserichs, in Swakvpmuud landen und dann einsam durch das menschenleere
ungeheure Land in der Richtung auf Windhoek zu marschieren in dem er¬
hebenden Bewußtsein seiner großen Mission. Als Nachtrab erscheint dann
vielleicht wieder ein Dutzend ehrsamer deutscher Jungfrauen, die Hoffnung der
deutschen Reiter unsrer Schutztruppe. Wie viele Jahrhunderte müßte wohl
Deutschland warten, wenn in solcher Weise die Besiedlung von Deutsch-Süd¬
westafrika vor sich gehen soll?

Es tragen eben alle Maßnahmen der Gesellschaften und auch der Regie-




*) Zur Zeit betraffen die Kosten der Verwaltung fünfmal soviel als die Einnahmen, und
diese Einnahmen setzen sich zum großen Teil aus den Zöllen zusammen, die von den Schutz¬
truppen und Beamten aufgebracht werden.
"*) Das giebt auch der Berichterstatter über den diesjährigen Etat für Südwestafrika im
Ausschuß der deutschen Kolvnialgesellschaft, Geheimrat Simon, mit den Worten zu: „Die eng¬
lischen Gesellschaften hätten für die Entwicklung des Schutzgebiets durchaus noch nichts Erkenn¬
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[0303] vie Zukunft Deutsch-Südwestafrikas Deutsch-Südwestafrika vergrößert hat, und wie kostspielig er dadurch geworden ist. Aber diese komplizierte Verwaltung arbeitet in einem menschenleeren Lande. Sie ist reiner Selbstzweck. Sicher haben die bisher aufgewandten großen Opfer dem Reich noch nicht den geringsten Nutzen gebracht.*) Die Thätigkeit der großen Land- und Minengesellschaften ist gleich Null.**) Ver¬ hältnismäßig geringfügige Dinge werden in der den Erwerbsgcsellschaften er¬ gebner Tagespresse zu erfreulichen, das Aufblühen der jungen Kolonie be¬ weisenden Erfolgen aufgebauscht. Wie oft haben wir nicht schon gelesen, daß in der Lüderitzbucht ein Dampflondcnser aufgestellt werden wird und endlich aufgestellt worden ist zur Freude der Zugochsen. I» Spitzkopje hat die Ko¬ lonialgesellschaft eine Farm für Viehwirtschaft eingerichtet, eine Viehtränke in Gestalt einer kleinen Stauanlage errichtet und um vier Stellen mit Erfolg nach Wasser gegraben. In der Nähe von Windhoek hat die Siedlungsgesellschaft eine Mnstcrfarm gegründet. Schon ist eine Anzahl aus Deutschland stammender Schafe, Puten, Hühner und Gänse angesiedelt worden, sodaß, wie die Zeitungs¬ berichte melden, „eine erfreuliche Nachzucht zu erwarten steht, die nur bei den Gänsen durch den Tod des Gänserichs mehr als in Frage gestellt ist." Das Gouvernement beschränkt sich darauf, das Schutzgebiet fast aus¬ schließlich mit einem Teile der alljährlich zur Entlassung kommenden Mann¬ schaften der Schutztruppe zu besiedeln, und dabei ist nicht einmal ein deutscher Nachwuchs gesichert, denn es ist unmöglich, diese Art Ansiedler mit weißen, geschweige denn deutschen Frauen zu versorgen. Aber dreizehn deutsche Mädchen sind ja schon auf dem Wege nach Swakvpmuud. Freue dich, Neu-Deutsch¬ land! Deine Zukunft ist nun gesichert. Im nächsten Jahre werden wir wieder von dergleichen Nachschüben aus Deutschland lesen. Ich sehe schon, das viel ersehnte Maskulinum, den Nachfolger des leider zu früh verstorbnen Gänserichs, in Swakvpmuud landen und dann einsam durch das menschenleere ungeheure Land in der Richtung auf Windhoek zu marschieren in dem er¬ hebenden Bewußtsein seiner großen Mission. Als Nachtrab erscheint dann vielleicht wieder ein Dutzend ehrsamer deutscher Jungfrauen, die Hoffnung der deutschen Reiter unsrer Schutztruppe. Wie viele Jahrhunderte müßte wohl Deutschland warten, wenn in solcher Weise die Besiedlung von Deutsch-Süd¬ westafrika vor sich gehen soll? Es tragen eben alle Maßnahmen der Gesellschaften und auch der Regie- *) Zur Zeit betraffen die Kosten der Verwaltung fünfmal soviel als die Einnahmen, und diese Einnahmen setzen sich zum großen Teil aus den Zöllen zusammen, die von den Schutz¬ truppen und Beamten aufgebracht werden. "*) Das giebt auch der Berichterstatter über den diesjährigen Etat für Südwestafrika im Ausschuß der deutschen Kolvnialgesellschaft, Geheimrat Simon, mit den Worten zu: „Die eng¬ lischen Gesellschaften hätten für die Entwicklung des Schutzgebiets durchaus noch nichts Erkenn¬ bares gethan/' Deutsche Kolonialzeitung 1M0, S, 18,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/303>, abgerufen am 23.07.2024.