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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Zukunft Deutsch-Siidwestafrikas

ist, eine ansehnliche Anzahl von Europäern in behaglicher Weise zu ernähren,
daran kann nicht gezweifelt werden, das beweisen die Ersahrungen aus den
von der Natur nicht mehr begünstigten Nachbarländern in Südafrika, das
zeigen eine Reihe von im Namalande seit Jahrzehnten lebenden Farmern und
eine größere Zahl in den letzten Jahren eingewanderter Buren, die sich im
Lande wohlfühlen."

Und ebenso wird in der dem Reichstage jüngst zugeganguen amtlichen
Denkschrift über Deutsch-Südwestafrika (S. 130) berichtet, daß sich zur Zeit
unter den Weißen eine starke Neigung zeige, sich seßhaft zu machen und den
landwirtschaftlichen Beruf zu ergreifen, eine Neigung, die im Interesse des
Schutzgebietes nur mit Freuden begrüßt werden könne. Also Ackerbau und
Gartenkulturen (besonders Weinbau), nicht nur Großviehzucht können, wenn
auch nicht überall, so doch an vielen Punkten des Schutzgebiets mit gutem
Erfolge betrieben werden. Fast jede Post aus Deutsch-Südwestafrika bringt
neue Belege für diese Thatsache. Die Rinderpest, die bis vor kurzem die
Herden in Deutsch-Südwestafrika dezimierte, beweist am besten den großen
Irrtum, in dem Graf Pfeil, Freiherr von Bülow und Dove befangen sind,
wenn sie aus dieser Kolonie lediglich eine Riesenweibe für ein paar Millionen
Rinder machen wollen.

Freilich gehört zu einer Besiedlung mit Kleinbauern eine rationelle Vor¬
bereitung des Landes. Mit dem Bau der Eisenbahn von Swakopmuud nach
Windhoek und der in Aussicht gestellte" Verbesserung des Hafens allein ist
das nicht gethan. Ich habe in verschiednen Abhandlungen*) in eingehender
Weise ausgeführt, welche Vorteile uns gerade dieses Land in kriminal-, kolo¬
nial- und sozialpolitischer Beziehung zu bieten vermöchte, wenn sich nur das
Reich entschlösse, unsre Sträflinge zu deportieren. Ich habe insbesondre
darauf hingewiesen, was von der Negierung zur Ableitung des deutschen
Auswandrerstroms nach Südwestafrika, das zur Zeit noch wenig Verlockendes
bietet, geschehen müßte. Hierzu gehört, wie alle Sachverständigen überein¬
stimmend erklären, außer billige" Transportmitteln und Verkehrswegen vor
allem die Ausführung von Berieselungsanlagen in großem Stile. Daß dann
das Land für die Besiedlung mit Ackerbauern, besonders mit kleinen Leuten
sofort geeignet wäre, wagt auch heute Graf Pfeil**) (Kolonial. Jahrb. IX,




*) Fort mit den Zuchthäusern! (Breslau, 1894), Neu-Deutschland und seine Pioniere
(Breslau, 1890), Die gesetzliche Einführung der Deportation im Deutschen Reiche (Breslau, 1897).
") Auch der Klimatologe Dove, der sich in seiner Abhandlung "Deutsch-Südwestnfrika"
(1896, S. 90) noch völlig auf die landwirtschaftlichen Erfahrungen des Grafen Pfeil verlaßt,
bezeichnet meinen ihm unbequemen Vorschlag als einen aus der Anschauung eines in kolonialen
Angelegenheiten gänzlich unerfahrnen Stubengelehrten hervorgegangnen. In einem im Oktober
1898 in der Kolonialabteilung Zweibrücken gehaltnen Vortrag über Südwestafrika (Kolonial¬
zeitung 1898, S. 432) drückt sich Dove schon weit vorsichtiger aus. Er verneint nicht mehr die Be-
Die Zukunft Deutsch-Siidwestafrikas

ist, eine ansehnliche Anzahl von Europäern in behaglicher Weise zu ernähren,
daran kann nicht gezweifelt werden, das beweisen die Ersahrungen aus den
von der Natur nicht mehr begünstigten Nachbarländern in Südafrika, das
zeigen eine Reihe von im Namalande seit Jahrzehnten lebenden Farmern und
eine größere Zahl in den letzten Jahren eingewanderter Buren, die sich im
Lande wohlfühlen."

Und ebenso wird in der dem Reichstage jüngst zugeganguen amtlichen
Denkschrift über Deutsch-Südwestafrika (S. 130) berichtet, daß sich zur Zeit
unter den Weißen eine starke Neigung zeige, sich seßhaft zu machen und den
landwirtschaftlichen Beruf zu ergreifen, eine Neigung, die im Interesse des
Schutzgebietes nur mit Freuden begrüßt werden könne. Also Ackerbau und
Gartenkulturen (besonders Weinbau), nicht nur Großviehzucht können, wenn
auch nicht überall, so doch an vielen Punkten des Schutzgebiets mit gutem
Erfolge betrieben werden. Fast jede Post aus Deutsch-Südwestafrika bringt
neue Belege für diese Thatsache. Die Rinderpest, die bis vor kurzem die
Herden in Deutsch-Südwestafrika dezimierte, beweist am besten den großen
Irrtum, in dem Graf Pfeil, Freiherr von Bülow und Dove befangen sind,
wenn sie aus dieser Kolonie lediglich eine Riesenweibe für ein paar Millionen
Rinder machen wollen.

Freilich gehört zu einer Besiedlung mit Kleinbauern eine rationelle Vor¬
bereitung des Landes. Mit dem Bau der Eisenbahn von Swakopmuud nach
Windhoek und der in Aussicht gestellte» Verbesserung des Hafens allein ist
das nicht gethan. Ich habe in verschiednen Abhandlungen*) in eingehender
Weise ausgeführt, welche Vorteile uns gerade dieses Land in kriminal-, kolo¬
nial- und sozialpolitischer Beziehung zu bieten vermöchte, wenn sich nur das
Reich entschlösse, unsre Sträflinge zu deportieren. Ich habe insbesondre
darauf hingewiesen, was von der Negierung zur Ableitung des deutschen
Auswandrerstroms nach Südwestafrika, das zur Zeit noch wenig Verlockendes
bietet, geschehen müßte. Hierzu gehört, wie alle Sachverständigen überein¬
stimmend erklären, außer billige» Transportmitteln und Verkehrswegen vor
allem die Ausführung von Berieselungsanlagen in großem Stile. Daß dann
das Land für die Besiedlung mit Ackerbauern, besonders mit kleinen Leuten
sofort geeignet wäre, wagt auch heute Graf Pfeil**) (Kolonial. Jahrb. IX,




*) Fort mit den Zuchthäusern! (Breslau, 1894), Neu-Deutschland und seine Pioniere
(Breslau, 1890), Die gesetzliche Einführung der Deportation im Deutschen Reiche (Breslau, 1897).
«) Auch der Klimatologe Dove, der sich in seiner Abhandlung „Deutsch-Südwestnfrika"
(1896, S. 90) noch völlig auf die landwirtschaftlichen Erfahrungen des Grafen Pfeil verlaßt,
bezeichnet meinen ihm unbequemen Vorschlag als einen aus der Anschauung eines in kolonialen
Angelegenheiten gänzlich unerfahrnen Stubengelehrten hervorgegangnen. In einem im Oktober
1898 in der Kolonialabteilung Zweibrücken gehaltnen Vortrag über Südwestafrika (Kolonial¬
zeitung 1898, S. 432) drückt sich Dove schon weit vorsichtiger aus. Er verneint nicht mehr die Be-
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[0298] Die Zukunft Deutsch-Siidwestafrikas ist, eine ansehnliche Anzahl von Europäern in behaglicher Weise zu ernähren, daran kann nicht gezweifelt werden, das beweisen die Ersahrungen aus den von der Natur nicht mehr begünstigten Nachbarländern in Südafrika, das zeigen eine Reihe von im Namalande seit Jahrzehnten lebenden Farmern und eine größere Zahl in den letzten Jahren eingewanderter Buren, die sich im Lande wohlfühlen." Und ebenso wird in der dem Reichstage jüngst zugeganguen amtlichen Denkschrift über Deutsch-Südwestafrika (S. 130) berichtet, daß sich zur Zeit unter den Weißen eine starke Neigung zeige, sich seßhaft zu machen und den landwirtschaftlichen Beruf zu ergreifen, eine Neigung, die im Interesse des Schutzgebietes nur mit Freuden begrüßt werden könne. Also Ackerbau und Gartenkulturen (besonders Weinbau), nicht nur Großviehzucht können, wenn auch nicht überall, so doch an vielen Punkten des Schutzgebiets mit gutem Erfolge betrieben werden. Fast jede Post aus Deutsch-Südwestafrika bringt neue Belege für diese Thatsache. Die Rinderpest, die bis vor kurzem die Herden in Deutsch-Südwestafrika dezimierte, beweist am besten den großen Irrtum, in dem Graf Pfeil, Freiherr von Bülow und Dove befangen sind, wenn sie aus dieser Kolonie lediglich eine Riesenweibe für ein paar Millionen Rinder machen wollen. Freilich gehört zu einer Besiedlung mit Kleinbauern eine rationelle Vor¬ bereitung des Landes. Mit dem Bau der Eisenbahn von Swakopmuud nach Windhoek und der in Aussicht gestellte» Verbesserung des Hafens allein ist das nicht gethan. Ich habe in verschiednen Abhandlungen*) in eingehender Weise ausgeführt, welche Vorteile uns gerade dieses Land in kriminal-, kolo¬ nial- und sozialpolitischer Beziehung zu bieten vermöchte, wenn sich nur das Reich entschlösse, unsre Sträflinge zu deportieren. Ich habe insbesondre darauf hingewiesen, was von der Negierung zur Ableitung des deutschen Auswandrerstroms nach Südwestafrika, das zur Zeit noch wenig Verlockendes bietet, geschehen müßte. Hierzu gehört, wie alle Sachverständigen überein¬ stimmend erklären, außer billige» Transportmitteln und Verkehrswegen vor allem die Ausführung von Berieselungsanlagen in großem Stile. Daß dann das Land für die Besiedlung mit Ackerbauern, besonders mit kleinen Leuten sofort geeignet wäre, wagt auch heute Graf Pfeil**) (Kolonial. Jahrb. IX, *) Fort mit den Zuchthäusern! (Breslau, 1894), Neu-Deutschland und seine Pioniere (Breslau, 1890), Die gesetzliche Einführung der Deportation im Deutschen Reiche (Breslau, 1897). «) Auch der Klimatologe Dove, der sich in seiner Abhandlung „Deutsch-Südwestnfrika" (1896, S. 90) noch völlig auf die landwirtschaftlichen Erfahrungen des Grafen Pfeil verlaßt, bezeichnet meinen ihm unbequemen Vorschlag als einen aus der Anschauung eines in kolonialen Angelegenheiten gänzlich unerfahrnen Stubengelehrten hervorgegangnen. In einem im Oktober 1898 in der Kolonialabteilung Zweibrücken gehaltnen Vortrag über Südwestafrika (Kolonial¬ zeitung 1898, S. 432) drückt sich Dove schon weit vorsichtiger aus. Er verneint nicht mehr die Be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/298>, abgerufen am 23.07.2024.