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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

Verdünnter Stadt Bonn habe sich nicht eher ein Buchbinder befunden, als
bis in Königswinter Dr. Augusti einen gemietet."

Die im vorigen Jahrhundert (am 1. Dezember 1787) in Bonn gegründete
"Lesegesellschaft" vereinigte die Liebhaber der schönen Litteratur und Wissen¬
schaften (weit über hundert Mitglieder) zu einer litterarischen Vereinigung,
deren Bedeutung bei unsrer Frage nicht unterschätzt werden kann. Jedem
Litteraturfreund stand damals der Besuch frei. In dieser Gesellschaft wurde
auch die Aufstellung des Bildnisses des Kurfürsten durch den Vortrag einer
schwungvollen Ode von Professor Eulogius Schneider*) begleitet (2. Dezember
1789). Der Sekretär der Gesellschaft von Mastiaux hob in seiner Rede hervor,
"daß dieses Institut durch gemeinschaftliche Kräfte unterstützt, Litteratur, nütz¬
liche Kenntnisse unter den Gliedern verbreite und seinen wohlthätigen Einfluß
durch Geselligkeit und wissenschaftliche Kultur auf das Wohl des ganzen Landes
ausgieße." Professor von der Schüren hob hervor: "Um den Fortschritt der
Wissenschaften in unserm Vaterlande bewirken zu können, haben sich hier die
Litteraturfreunde verbrüdert." Im Laufe der Zeit wurde die Gesellschaft denn
auch von den größern Geistern der Zeit gelegentlich besucht, so u. a. von
Haydn, Humboldt, Wallraf, Sulpiz Boisseree usw. Führen wir endlich noch
an, daß der Kurfürst Clemens August für das Theater in Bonn allein jährlich
über fünfzigtausend Reichsthaler ausgab, so kann man sich ungefähr einen
Begriff von dem damaligen geistigen Leben machen. (Vgl. Euren, Geschichte
von Stadt und Kurstaat Köln. 1856, II. Band, S. 364.)

Auch Hermann Hüffer betont in seiner Abhandlung über "P. I. Boosfeld
und die Stadt Bonn unter französischer Herrschaft" (Annalen des historischen
Vereins für den Niederrhein, Heft 13, 1863, S. 145), daß sich die Form
der von Boosfeld geschriebnen Briefe vor den meisten auszeichne, die damals
in der Rheinprovinz geschrieben wurden. Dadurch solle aber gewiß nicht an¬
gedeutet werden, als sei die Bildung dort im Verhältnis zum übrigen Deutsch¬
land ungewöhnlich niedrig gewesen, die erst fremder Einwirkung alles verdanken
mußte. Schon damals lebte in den Rheinlanden eine große Zahl von geistig
bedeutenden, hochgebildeten Männern, die, auch der litterarischen Bewegung
nahestehend, der Sprache in ausgezeichneter Weise Meister waren. Den
besten Beweis dafür giebt der kürzlich veröffentlichte Briefwechsel der Boissere-es,
dem sich aber noch manches anreihen ließe. Im Besitze Hermann Hüffers ist
noch ein Exemplar der Vossischen Übersetzung der Odyssee von 1781, das mit
Anmerkungen von Boosfelds Hand reichlich ausgestattet ist. Peter Joseph
Maria Boosfeld, 1750 in Bonn geboren, war 1772 Advokat bei der Hofrats-



Das Verzeichnis der 14ö Subskribenten für dessen Gedichte beweist, dnsz in den weitesten
Kreisen Borns wohl einiges Interesse sür die poetische Litteratur vorhanden war, Vgl, Annalen
des historischen Vereins für den Niederrhein, 61. Heft (1895), S, 3.
Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

Verdünnter Stadt Bonn habe sich nicht eher ein Buchbinder befunden, als
bis in Königswinter Dr. Augusti einen gemietet."

Die im vorigen Jahrhundert (am 1. Dezember 1787) in Bonn gegründete
„Lesegesellschaft" vereinigte die Liebhaber der schönen Litteratur und Wissen¬
schaften (weit über hundert Mitglieder) zu einer litterarischen Vereinigung,
deren Bedeutung bei unsrer Frage nicht unterschätzt werden kann. Jedem
Litteraturfreund stand damals der Besuch frei. In dieser Gesellschaft wurde
auch die Aufstellung des Bildnisses des Kurfürsten durch den Vortrag einer
schwungvollen Ode von Professor Eulogius Schneider*) begleitet (2. Dezember
1789). Der Sekretär der Gesellschaft von Mastiaux hob in seiner Rede hervor,
„daß dieses Institut durch gemeinschaftliche Kräfte unterstützt, Litteratur, nütz¬
liche Kenntnisse unter den Gliedern verbreite und seinen wohlthätigen Einfluß
durch Geselligkeit und wissenschaftliche Kultur auf das Wohl des ganzen Landes
ausgieße." Professor von der Schüren hob hervor: „Um den Fortschritt der
Wissenschaften in unserm Vaterlande bewirken zu können, haben sich hier die
Litteraturfreunde verbrüdert." Im Laufe der Zeit wurde die Gesellschaft denn
auch von den größern Geistern der Zeit gelegentlich besucht, so u. a. von
Haydn, Humboldt, Wallraf, Sulpiz Boisseree usw. Führen wir endlich noch
an, daß der Kurfürst Clemens August für das Theater in Bonn allein jährlich
über fünfzigtausend Reichsthaler ausgab, so kann man sich ungefähr einen
Begriff von dem damaligen geistigen Leben machen. (Vgl. Euren, Geschichte
von Stadt und Kurstaat Köln. 1856, II. Band, S. 364.)

Auch Hermann Hüffer betont in seiner Abhandlung über „P. I. Boosfeld
und die Stadt Bonn unter französischer Herrschaft" (Annalen des historischen
Vereins für den Niederrhein, Heft 13, 1863, S. 145), daß sich die Form
der von Boosfeld geschriebnen Briefe vor den meisten auszeichne, die damals
in der Rheinprovinz geschrieben wurden. Dadurch solle aber gewiß nicht an¬
gedeutet werden, als sei die Bildung dort im Verhältnis zum übrigen Deutsch¬
land ungewöhnlich niedrig gewesen, die erst fremder Einwirkung alles verdanken
mußte. Schon damals lebte in den Rheinlanden eine große Zahl von geistig
bedeutenden, hochgebildeten Männern, die, auch der litterarischen Bewegung
nahestehend, der Sprache in ausgezeichneter Weise Meister waren. Den
besten Beweis dafür giebt der kürzlich veröffentlichte Briefwechsel der Boissere-es,
dem sich aber noch manches anreihen ließe. Im Besitze Hermann Hüffers ist
noch ein Exemplar der Vossischen Übersetzung der Odyssee von 1781, das mit
Anmerkungen von Boosfelds Hand reichlich ausgestattet ist. Peter Joseph
Maria Boosfeld, 1750 in Bonn geboren, war 1772 Advokat bei der Hofrats-



Das Verzeichnis der 14ö Subskribenten für dessen Gedichte beweist, dnsz in den weitesten
Kreisen Borns wohl einiges Interesse sür die poetische Litteratur vorhanden war, Vgl, Annalen
des historischen Vereins für den Niederrhein, 61. Heft (1895), S, 3.
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[0278] Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert Verdünnter Stadt Bonn habe sich nicht eher ein Buchbinder befunden, als bis in Königswinter Dr. Augusti einen gemietet." Die im vorigen Jahrhundert (am 1. Dezember 1787) in Bonn gegründete „Lesegesellschaft" vereinigte die Liebhaber der schönen Litteratur und Wissen¬ schaften (weit über hundert Mitglieder) zu einer litterarischen Vereinigung, deren Bedeutung bei unsrer Frage nicht unterschätzt werden kann. Jedem Litteraturfreund stand damals der Besuch frei. In dieser Gesellschaft wurde auch die Aufstellung des Bildnisses des Kurfürsten durch den Vortrag einer schwungvollen Ode von Professor Eulogius Schneider*) begleitet (2. Dezember 1789). Der Sekretär der Gesellschaft von Mastiaux hob in seiner Rede hervor, „daß dieses Institut durch gemeinschaftliche Kräfte unterstützt, Litteratur, nütz¬ liche Kenntnisse unter den Gliedern verbreite und seinen wohlthätigen Einfluß durch Geselligkeit und wissenschaftliche Kultur auf das Wohl des ganzen Landes ausgieße." Professor von der Schüren hob hervor: „Um den Fortschritt der Wissenschaften in unserm Vaterlande bewirken zu können, haben sich hier die Litteraturfreunde verbrüdert." Im Laufe der Zeit wurde die Gesellschaft denn auch von den größern Geistern der Zeit gelegentlich besucht, so u. a. von Haydn, Humboldt, Wallraf, Sulpiz Boisseree usw. Führen wir endlich noch an, daß der Kurfürst Clemens August für das Theater in Bonn allein jährlich über fünfzigtausend Reichsthaler ausgab, so kann man sich ungefähr einen Begriff von dem damaligen geistigen Leben machen. (Vgl. Euren, Geschichte von Stadt und Kurstaat Köln. 1856, II. Band, S. 364.) Auch Hermann Hüffer betont in seiner Abhandlung über „P. I. Boosfeld und die Stadt Bonn unter französischer Herrschaft" (Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 13, 1863, S. 145), daß sich die Form der von Boosfeld geschriebnen Briefe vor den meisten auszeichne, die damals in der Rheinprovinz geschrieben wurden. Dadurch solle aber gewiß nicht an¬ gedeutet werden, als sei die Bildung dort im Verhältnis zum übrigen Deutsch¬ land ungewöhnlich niedrig gewesen, die erst fremder Einwirkung alles verdanken mußte. Schon damals lebte in den Rheinlanden eine große Zahl von geistig bedeutenden, hochgebildeten Männern, die, auch der litterarischen Bewegung nahestehend, der Sprache in ausgezeichneter Weise Meister waren. Den besten Beweis dafür giebt der kürzlich veröffentlichte Briefwechsel der Boissere-es, dem sich aber noch manches anreihen ließe. Im Besitze Hermann Hüffers ist noch ein Exemplar der Vossischen Übersetzung der Odyssee von 1781, das mit Anmerkungen von Boosfelds Hand reichlich ausgestattet ist. Peter Joseph Maria Boosfeld, 1750 in Bonn geboren, war 1772 Advokat bei der Hofrats- Das Verzeichnis der 14ö Subskribenten für dessen Gedichte beweist, dnsz in den weitesten Kreisen Borns wohl einiges Interesse sür die poetische Litteratur vorhanden war, Vgl, Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, 61. Heft (1895), S, 3.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/278>, abgerufen am 23.07.2024.