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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Fabel vom Untergang des Handwerks

Frauen im Deutschen Reiche" geleistet. Es ist hier nicht der Raum, auf die
Sache näher einzugehen. Der ganze sensationelle Rummel zerfällt in sich selbst
angesichts der auch Wuttke wohlbekannten Thatsache, daß in der gesamten In¬
dustrie (einschließlich des Kleingewerbes) der Anteil des weiblichen Geschlechts
an der Erwerbsthätigkeit im Hauptberuf nur um winzige 0,75 Prozent von
1882 bis 1893 zugenommen hat. In Preußen hat er sogar abgenommen.
Dabei ist immer zu bedenken, daß es sich um eine Periode handelt, in der
der Übergang von der hauswirtschaftlichen Produktion zur gewerblichen ganz
besonders starke Fortschritte gemacht hat, also eine ganz besonders große
Menge weiblicher Arbeitskraft für das Gewerbe freigeworden ist, und daß die
Periode sich überhaupt durch eine bisher unerhörte Vermehrung der erwerbs¬
thätigen Personen in der Industrie auszeichnet. Was die Zunahme der
Weiberarbeit im Handwerk im besondern betrifft, so fallen hier die im hand¬
werksmäßigen Warenverkauf thätigen Frauen -- meist Familienangehörige --
sehr stark ins Gewicht, namentlich in der Bäckerei und Fleischerei und der¬
gleichen. Es beruht gerade bei diesen Personen die Zunahme zum Teil auch
auf genauerer Zählung.

Für Berlin hatte die gewerbliche Vetriebszühlung vom Juni 1882 er¬
geben, daß an industriellen Betrieben (also ohne die Gärtnerei, nichtlandwirt¬
schaftliche Tierzucht, Fischerei. Handel und Verkehr, aber einschließlich des Klein¬
betriebs) vorhanden waren:

1882
Allcinbctriebe ohne Motoren sowie Mitinhaber- und
Motorenbetriebe ohne Gehilfen......64615 ----- 70,42 Prozent
Betriebe mit 1 bis 10 Gehilfen...... 23275 ------ 25,37
" 11 "50 ,.......3352 ----- 3,65
" über 50 ........ 515 ----- 0,56
Betriebe überhaupt........ 91757 100,00 Prozent

Soweit die Ergebnisse der gewerblichen Betriebszählung vom Juni 1895
bis jetzt vorliegen, fehlen allerdings zahlenmäßig ohne weiteres vergleichbare
Daten, schon weil für 1895 die Betriebsgrößen nach der Zahl der beschäf¬
tigten Personen (einschließlich der Inhaber) gebildet sind, während sie für 1882
nach der Zahl der Gehilfen (ohne die Inhaber) abgegrenzt waren. Trotzdem
ist eine Gegenüberstellung beider Ergebnisse für die Frage, um die es sich hier
handelt, durchaus zulässig und beweisend. Es sind nämlich in Berlin gezählt
worden:

189"
Betriebe mit 1 Person...... 54376 ----- 62,53 Prozent
" 2 bis W Personen . . 27 325 31/13
" 11 " 20 " , , 2 789 ----- 3,21 "
" 21 " 50 " , , 1641 ------ 1,88 "
" über 50 " . . 817 0,95 ..'
Betriebe überhaupt . . . , 86948 ----- 100,00 Prozent

Die Fabel vom Untergang des Handwerks

Frauen im Deutschen Reiche" geleistet. Es ist hier nicht der Raum, auf die
Sache näher einzugehen. Der ganze sensationelle Rummel zerfällt in sich selbst
angesichts der auch Wuttke wohlbekannten Thatsache, daß in der gesamten In¬
dustrie (einschließlich des Kleingewerbes) der Anteil des weiblichen Geschlechts
an der Erwerbsthätigkeit im Hauptberuf nur um winzige 0,75 Prozent von
1882 bis 1893 zugenommen hat. In Preußen hat er sogar abgenommen.
Dabei ist immer zu bedenken, daß es sich um eine Periode handelt, in der
der Übergang von der hauswirtschaftlichen Produktion zur gewerblichen ganz
besonders starke Fortschritte gemacht hat, also eine ganz besonders große
Menge weiblicher Arbeitskraft für das Gewerbe freigeworden ist, und daß die
Periode sich überhaupt durch eine bisher unerhörte Vermehrung der erwerbs¬
thätigen Personen in der Industrie auszeichnet. Was die Zunahme der
Weiberarbeit im Handwerk im besondern betrifft, so fallen hier die im hand¬
werksmäßigen Warenverkauf thätigen Frauen — meist Familienangehörige —
sehr stark ins Gewicht, namentlich in der Bäckerei und Fleischerei und der¬
gleichen. Es beruht gerade bei diesen Personen die Zunahme zum Teil auch
auf genauerer Zählung.

Für Berlin hatte die gewerbliche Vetriebszühlung vom Juni 1882 er¬
geben, daß an industriellen Betrieben (also ohne die Gärtnerei, nichtlandwirt¬
schaftliche Tierzucht, Fischerei. Handel und Verkehr, aber einschließlich des Klein¬
betriebs) vorhanden waren:

1882
Allcinbctriebe ohne Motoren sowie Mitinhaber- und
Motorenbetriebe ohne Gehilfen......64615 ----- 70,42 Prozent
Betriebe mit 1 bis 10 Gehilfen...... 23275 ------ 25,37
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Betriebe überhaupt........ 91757 100,00 Prozent

Soweit die Ergebnisse der gewerblichen Betriebszählung vom Juni 1895
bis jetzt vorliegen, fehlen allerdings zahlenmäßig ohne weiteres vergleichbare
Daten, schon weil für 1895 die Betriebsgrößen nach der Zahl der beschäf¬
tigten Personen (einschließlich der Inhaber) gebildet sind, während sie für 1882
nach der Zahl der Gehilfen (ohne die Inhaber) abgegrenzt waren. Trotzdem
ist eine Gegenüberstellung beider Ergebnisse für die Frage, um die es sich hier
handelt, durchaus zulässig und beweisend. Es sind nämlich in Berlin gezählt
worden:

189»
Betriebe mit 1 Person...... 54376 ----- 62,53 Prozent
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[0248] Die Fabel vom Untergang des Handwerks Frauen im Deutschen Reiche" geleistet. Es ist hier nicht der Raum, auf die Sache näher einzugehen. Der ganze sensationelle Rummel zerfällt in sich selbst angesichts der auch Wuttke wohlbekannten Thatsache, daß in der gesamten In¬ dustrie (einschließlich des Kleingewerbes) der Anteil des weiblichen Geschlechts an der Erwerbsthätigkeit im Hauptberuf nur um winzige 0,75 Prozent von 1882 bis 1893 zugenommen hat. In Preußen hat er sogar abgenommen. Dabei ist immer zu bedenken, daß es sich um eine Periode handelt, in der der Übergang von der hauswirtschaftlichen Produktion zur gewerblichen ganz besonders starke Fortschritte gemacht hat, also eine ganz besonders große Menge weiblicher Arbeitskraft für das Gewerbe freigeworden ist, und daß die Periode sich überhaupt durch eine bisher unerhörte Vermehrung der erwerbs¬ thätigen Personen in der Industrie auszeichnet. Was die Zunahme der Weiberarbeit im Handwerk im besondern betrifft, so fallen hier die im hand¬ werksmäßigen Warenverkauf thätigen Frauen — meist Familienangehörige — sehr stark ins Gewicht, namentlich in der Bäckerei und Fleischerei und der¬ gleichen. Es beruht gerade bei diesen Personen die Zunahme zum Teil auch auf genauerer Zählung. Für Berlin hatte die gewerbliche Vetriebszühlung vom Juni 1882 er¬ geben, daß an industriellen Betrieben (also ohne die Gärtnerei, nichtlandwirt¬ schaftliche Tierzucht, Fischerei. Handel und Verkehr, aber einschließlich des Klein¬ betriebs) vorhanden waren: 1882 Allcinbctriebe ohne Motoren sowie Mitinhaber- und Motorenbetriebe ohne Gehilfen......64615 ----- 70,42 Prozent Betriebe mit 1 bis 10 Gehilfen...... 23275 ------ 25,37 „ 11 „50 ,.......3352 ----- 3,65 „ über 50 ........ 515 ----- 0,56 Betriebe überhaupt........ 91757 100,00 Prozent Soweit die Ergebnisse der gewerblichen Betriebszählung vom Juni 1895 bis jetzt vorliegen, fehlen allerdings zahlenmäßig ohne weiteres vergleichbare Daten, schon weil für 1895 die Betriebsgrößen nach der Zahl der beschäf¬ tigten Personen (einschließlich der Inhaber) gebildet sind, während sie für 1882 nach der Zahl der Gehilfen (ohne die Inhaber) abgegrenzt waren. Trotzdem ist eine Gegenüberstellung beider Ergebnisse für die Frage, um die es sich hier handelt, durchaus zulässig und beweisend. Es sind nämlich in Berlin gezählt worden: 189» Betriebe mit 1 Person...... 54376 ----- 62,53 Prozent „ 2 bis W Personen . . 27 325 31/13 „ 11 „ 20 „ , , 2 789 ----- 3,21 „ „ 21 „ 50 „ , , 1641 ------ 1,88 „ „ über 50 „ . . 817 0,95 ..' Betriebe überhaupt . . . , 86948 ----- 100,00 Prozent

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/248>, abgerufen am 23.07.2024.