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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

Leben dieser Stadt und des Rheinlandes so innig verknüpft, daß wir
ihn nur von hier aus betrachten und als den "unsern" bezeichnen können.
Zwei andre Düsseldorfer Poeten, Wilhelm Lindau (geb. 1774), einen frucht¬
baren Romanschriftsteller, und Eduard von Schenk (geb. 1788), den nach¬
maligen bayrischen Minister des Innern und Günstling König Ludwigs, will
ich auch noch erwähnen-*)

Unstreitig aber ist eine Glanzzeit in der deutschen Litteratur die Jacobische
Zeit, die uns Goethe in "Dichtung und Wahrheit" ausführlich geschildert hat.**)
Damals war der Altmeister im Jahre 1774 mit Lavater und Basedow in
leichtem Kahne auf dem Rhein hinabgeschwommen von Koblenz nach Köln.


Prophete rechts, Prophete links.
Das Weltkind in der Mitten,

Im Jahre 1792 sehen wir Goethe abermals in Düsseldorf. Hier finden
wir Herder, die Fürstin Gallitzin, den Denker und "Magus des Nordens"
Hamann, den Reisenden Forster, und als ständigen Gast Heinse, den geistreichen
Verfasser des "Ardinghello." Hier entspann sich der interessante Briefwechsel
zwischen Johann Heinrich Jacobi und Wieland, dein Wandsbecker Boten Claudius,
Lavater, Schiller, Fichte, Wilhelm von Humboldt und andern Größen der
deutschen Litteratur. Georg Jacobi, der Dichter, sang hier seine zartesten
Lieder.

Auch dem Theater hatte man in Düsseldorf früh eine Heimstätte bereitet.
Im siebzehnten Jahrhundert hatte es schon eine italienische Oper (1687). Seit
dem Jahre 1751 wurden regelmäßig Vorstellungen einer fahrenden Schauspieler¬
truppe unter N. Schuchs Leitung gegeben, dann folgt 1753 bis 1755 Geovazio
Sillani mit Lustspielen, 1758 Direktor Karl Theophilus Doebbelin, 1759
Pierre Jacques Ribon, 1767 Am. Heinrich Porsch, 1775 Josephi. 1783
(19. Februar) wird Hamlet gegeben, 1788 finden wir die Truppe der Witwe
Böhm. Unter Immermanns Leitung wurde später das Düsseldorfer Theater
eine Musteranstalt für ganz Deutschland. (Vgl. Geschichte der Stadt
Düsseldorf, herausgegeben vom Düsseldorfer Geschichtsverein. Düsseldorf,
1888, bei Kraus.) Im übrigen erschien schon 1745 die Stadt-Düsseldorfer
Post-Zeitung, der 1760 das Jülich-Bergische Wochenblatt folgte.

Der Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus und der Kölnische Kurfürst
Maximilian Franz ließen es sich in Koblenz angelegen sein, für die geistige
Hebung des Volkes thätig zu sein und hierbei die Musik zur Blüte zu ent¬
falten.***) In der Residenz der Kölnischen Kurfürsten zu Bonn wurde ebenfalls





Als Dichter hat sich Schenk besonders durch sein 1W<> erschienenes Trauerspiel "Belisar"
bekannt gemacht. Die Sammlung seiner "Schauspiele" umfaßt drei Bände, (Stuttgart, 1829--3S.)
Teil 111, Buch 14.
Koblenz hatte schon um 1780 ein Theater, in dem dreimal wöchentlich deutsches Schau¬
spiel und Singspiel abwechselte. Vgl, von Wakkerbart, "Rheinreise," Halberstadt, 1794, dem
Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert

Leben dieser Stadt und des Rheinlandes so innig verknüpft, daß wir
ihn nur von hier aus betrachten und als den „unsern" bezeichnen können.
Zwei andre Düsseldorfer Poeten, Wilhelm Lindau (geb. 1774), einen frucht¬
baren Romanschriftsteller, und Eduard von Schenk (geb. 1788), den nach¬
maligen bayrischen Minister des Innern und Günstling König Ludwigs, will
ich auch noch erwähnen-*)

Unstreitig aber ist eine Glanzzeit in der deutschen Litteratur die Jacobische
Zeit, die uns Goethe in „Dichtung und Wahrheit" ausführlich geschildert hat.**)
Damals war der Altmeister im Jahre 1774 mit Lavater und Basedow in
leichtem Kahne auf dem Rhein hinabgeschwommen von Koblenz nach Köln.


Prophete rechts, Prophete links.
Das Weltkind in der Mitten,

Im Jahre 1792 sehen wir Goethe abermals in Düsseldorf. Hier finden
wir Herder, die Fürstin Gallitzin, den Denker und „Magus des Nordens"
Hamann, den Reisenden Forster, und als ständigen Gast Heinse, den geistreichen
Verfasser des „Ardinghello." Hier entspann sich der interessante Briefwechsel
zwischen Johann Heinrich Jacobi und Wieland, dein Wandsbecker Boten Claudius,
Lavater, Schiller, Fichte, Wilhelm von Humboldt und andern Größen der
deutschen Litteratur. Georg Jacobi, der Dichter, sang hier seine zartesten
Lieder.

Auch dem Theater hatte man in Düsseldorf früh eine Heimstätte bereitet.
Im siebzehnten Jahrhundert hatte es schon eine italienische Oper (1687). Seit
dem Jahre 1751 wurden regelmäßig Vorstellungen einer fahrenden Schauspieler¬
truppe unter N. Schuchs Leitung gegeben, dann folgt 1753 bis 1755 Geovazio
Sillani mit Lustspielen, 1758 Direktor Karl Theophilus Doebbelin, 1759
Pierre Jacques Ribon, 1767 Am. Heinrich Porsch, 1775 Josephi. 1783
(19. Februar) wird Hamlet gegeben, 1788 finden wir die Truppe der Witwe
Böhm. Unter Immermanns Leitung wurde später das Düsseldorfer Theater
eine Musteranstalt für ganz Deutschland. (Vgl. Geschichte der Stadt
Düsseldorf, herausgegeben vom Düsseldorfer Geschichtsverein. Düsseldorf,
1888, bei Kraus.) Im übrigen erschien schon 1745 die Stadt-Düsseldorfer
Post-Zeitung, der 1760 das Jülich-Bergische Wochenblatt folgte.

Der Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus und der Kölnische Kurfürst
Maximilian Franz ließen es sich in Koblenz angelegen sein, für die geistige
Hebung des Volkes thätig zu sein und hierbei die Musik zur Blüte zu ent¬
falten.***) In der Residenz der Kölnischen Kurfürsten zu Bonn wurde ebenfalls





Als Dichter hat sich Schenk besonders durch sein 1W<> erschienenes Trauerspiel „Belisar"
bekannt gemacht. Die Sammlung seiner „Schauspiele" umfaßt drei Bände, (Stuttgart, 1829—3S.)
Teil 111, Buch 14.
Koblenz hatte schon um 1780 ein Theater, in dem dreimal wöchentlich deutsches Schau¬
spiel und Singspiel abwechselte. Vgl, von Wakkerbart, „Rheinreise," Halberstadt, 1794, dem
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[0219] Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert Leben dieser Stadt und des Rheinlandes so innig verknüpft, daß wir ihn nur von hier aus betrachten und als den „unsern" bezeichnen können. Zwei andre Düsseldorfer Poeten, Wilhelm Lindau (geb. 1774), einen frucht¬ baren Romanschriftsteller, und Eduard von Schenk (geb. 1788), den nach¬ maligen bayrischen Minister des Innern und Günstling König Ludwigs, will ich auch noch erwähnen-*) Unstreitig aber ist eine Glanzzeit in der deutschen Litteratur die Jacobische Zeit, die uns Goethe in „Dichtung und Wahrheit" ausführlich geschildert hat.**) Damals war der Altmeister im Jahre 1774 mit Lavater und Basedow in leichtem Kahne auf dem Rhein hinabgeschwommen von Koblenz nach Köln. Prophete rechts, Prophete links. Das Weltkind in der Mitten, Im Jahre 1792 sehen wir Goethe abermals in Düsseldorf. Hier finden wir Herder, die Fürstin Gallitzin, den Denker und „Magus des Nordens" Hamann, den Reisenden Forster, und als ständigen Gast Heinse, den geistreichen Verfasser des „Ardinghello." Hier entspann sich der interessante Briefwechsel zwischen Johann Heinrich Jacobi und Wieland, dein Wandsbecker Boten Claudius, Lavater, Schiller, Fichte, Wilhelm von Humboldt und andern Größen der deutschen Litteratur. Georg Jacobi, der Dichter, sang hier seine zartesten Lieder. Auch dem Theater hatte man in Düsseldorf früh eine Heimstätte bereitet. Im siebzehnten Jahrhundert hatte es schon eine italienische Oper (1687). Seit dem Jahre 1751 wurden regelmäßig Vorstellungen einer fahrenden Schauspieler¬ truppe unter N. Schuchs Leitung gegeben, dann folgt 1753 bis 1755 Geovazio Sillani mit Lustspielen, 1758 Direktor Karl Theophilus Doebbelin, 1759 Pierre Jacques Ribon, 1767 Am. Heinrich Porsch, 1775 Josephi. 1783 (19. Februar) wird Hamlet gegeben, 1788 finden wir die Truppe der Witwe Böhm. Unter Immermanns Leitung wurde später das Düsseldorfer Theater eine Musteranstalt für ganz Deutschland. (Vgl. Geschichte der Stadt Düsseldorf, herausgegeben vom Düsseldorfer Geschichtsverein. Düsseldorf, 1888, bei Kraus.) Im übrigen erschien schon 1745 die Stadt-Düsseldorfer Post-Zeitung, der 1760 das Jülich-Bergische Wochenblatt folgte. Der Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus und der Kölnische Kurfürst Maximilian Franz ließen es sich in Koblenz angelegen sein, für die geistige Hebung des Volkes thätig zu sein und hierbei die Musik zur Blüte zu ent¬ falten.***) In der Residenz der Kölnischen Kurfürsten zu Bonn wurde ebenfalls Als Dichter hat sich Schenk besonders durch sein 1W<> erschienenes Trauerspiel „Belisar" bekannt gemacht. Die Sammlung seiner „Schauspiele" umfaßt drei Bände, (Stuttgart, 1829—3S.) Teil 111, Buch 14. Koblenz hatte schon um 1780 ein Theater, in dem dreimal wöchentlich deutsches Schau¬ spiel und Singspiel abwechselte. Vgl, von Wakkerbart, „Rheinreise," Halberstadt, 1794, dem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/219>, abgerufen am 03.07.2024.