Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert Himmels und den rohen Ergötzungen der tierischen Welt die Mitte halten In seinem Werke "Die ersten Grundsätze der schönen Künste überhaupt Die Stellung, die die streng kirchliche Partei, deren Hauptvertreter ein Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert Himmels und den rohen Ergötzungen der tierischen Welt die Mitte halten In seinem Werke „Die ersten Grundsätze der schönen Künste überhaupt Die Stellung, die die streng kirchliche Partei, deren Hauptvertreter ein <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229902"/> <fw type="header" place="top"> Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert</fw><lb/> <p xml:id="ID_875" prev="#ID_874"> Himmels und den rohen Ergötzungen der tierischen Welt die Mitte halten<lb/> und eben deswegen unsrer Natur vorzüglich angemessen sind."</p><lb/> <p xml:id="ID_876"> In seinem Werke „Die ersten Grundsätze der schönen Künste überhaupt<lb/> und der schönen Schreibart insbesondre," das seinen Schülern als Handbuch<lb/> dienen sollte, setzte er ferner seine Ansichten über Kunst und Ästhetik aus¬<lb/> einander: „Es soll, sagt er in der Einleitung, ein Lehrbuch der schönen<lb/> Wissenschaften werden. Unter diesen versteht man die Redekunst und Dicht¬<lb/> kunst, welche aus einigen nicht sehr wichtigen Gründen von den schönen Künsten<lb/> unterschieden werden. Mein Wunsch wäre, das ganze Gebiet des Schönen zu<lb/> umfassen; aber das Bedürfnis meiner Zuhörer und meine Bestimmung fordern,<lb/> daß ich mich bloß auf die schönen Wissenschaften beschränke. Da aber diese,<lb/> ohne die allgemeine Theorie des Schönen vorauszuschicken, nicht können erlernt<lb/> werden, so wird der erste Hauptteil dieses Werkes die Ästhetik sein. Der<lb/> zweite ist der Untersuchung der Sprache in Hinsicht auf schöne Wissenschaften<lb/> gewidmet. Der dritte wird die Dichtkunst, der vierte und letzte die Redekunst<lb/> behandeln."</p><lb/> <p xml:id="ID_877" next="#ID_878"> Die Stellung, die die streng kirchliche Partei, deren Hauptvertreter ein<lb/> großer Teil der Bürgerschaft Kölns, die Kölner Universität und das Kölner<lb/> Domkapitel waren, Schneider gegenüber wegen seines Verhaltens, seiner Lehren,<lb/> seiner Schriften und besonders seiner Gedichte einnahm, führten bekanntlich<lb/> zur Entlassung Schneiders aus seinem Lehramte. Dessen ungeachtet hat<lb/> Schneider selbst Bonn als „die aufgeklärteste Universität im katholischen<lb/> Deutschlande" bezeichnet. Aus diesem Urteil geht hervor, daß nach Schneiders<lb/> Meinung lediglich die Mönchsmoral und die jesuitische Bildung und Erziehung<lb/> der schönen Litteratur im katholischen Deutschland als Hindernis entgegenstehen,<lb/> keineswegs sagt er dies aber von dem Rhein und seinen Bewohnern. Mönche<lb/> und Jesuiten gab es in damaliger Zeit überall. Aber das auffallendste ist,<lb/> daß er gerade die Universität Bonn als die aufgeklärteste im katholischen<lb/> Deutschlnnde rühmte. Es muß daher doch nicht so schlimm mit der littera¬<lb/> rischen Bildung am Rhein beschaffen gewesen sein, es erscheint uns daher<lb/> geradezu unverständlich und übertrieben, wenn man den Rheinlanden im Ver¬<lb/> gleich mit andern Gegenden unsers großen deutschen Vaterlands den Sinn<lb/> und die Empfänglichkeit für unsre nationale Dichtkunst im vorigen Jahrhundert<lb/> abzusprechen sich bemüht hat. Wir verweisen in dieser Beziehung uuter anderen<lb/> auf eine Stelle in Zarnckes Litterarischen Centralblatt (Ur. 20 vom 16. Mai<lb/> 1874), worin bei der Besprechung eines Aufsatzes von Hermann Hüsfer<lb/> „Rheinisch-Westfälische Zustünde zur Zeit der französischen Revolution" (vgl.<lb/> Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 26. S. 1) von<lb/> dem Verfasser der in dem Aufsatz mitgeteilte» Briefe gesagt wird, „er könne<lb/> als Typus des damaligen unter dem Krummstab behaglich dahinlebenden und<lb/> verkommenden Geschlechts gelten, das selbst der Sturm der Revolution nicht</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0216]
Die litterarische Bildung am Rhein im vorigen Jahrhundert
Himmels und den rohen Ergötzungen der tierischen Welt die Mitte halten
und eben deswegen unsrer Natur vorzüglich angemessen sind."
In seinem Werke „Die ersten Grundsätze der schönen Künste überhaupt
und der schönen Schreibart insbesondre," das seinen Schülern als Handbuch
dienen sollte, setzte er ferner seine Ansichten über Kunst und Ästhetik aus¬
einander: „Es soll, sagt er in der Einleitung, ein Lehrbuch der schönen
Wissenschaften werden. Unter diesen versteht man die Redekunst und Dicht¬
kunst, welche aus einigen nicht sehr wichtigen Gründen von den schönen Künsten
unterschieden werden. Mein Wunsch wäre, das ganze Gebiet des Schönen zu
umfassen; aber das Bedürfnis meiner Zuhörer und meine Bestimmung fordern,
daß ich mich bloß auf die schönen Wissenschaften beschränke. Da aber diese,
ohne die allgemeine Theorie des Schönen vorauszuschicken, nicht können erlernt
werden, so wird der erste Hauptteil dieses Werkes die Ästhetik sein. Der
zweite ist der Untersuchung der Sprache in Hinsicht auf schöne Wissenschaften
gewidmet. Der dritte wird die Dichtkunst, der vierte und letzte die Redekunst
behandeln."
Die Stellung, die die streng kirchliche Partei, deren Hauptvertreter ein
großer Teil der Bürgerschaft Kölns, die Kölner Universität und das Kölner
Domkapitel waren, Schneider gegenüber wegen seines Verhaltens, seiner Lehren,
seiner Schriften und besonders seiner Gedichte einnahm, führten bekanntlich
zur Entlassung Schneiders aus seinem Lehramte. Dessen ungeachtet hat
Schneider selbst Bonn als „die aufgeklärteste Universität im katholischen
Deutschlande" bezeichnet. Aus diesem Urteil geht hervor, daß nach Schneiders
Meinung lediglich die Mönchsmoral und die jesuitische Bildung und Erziehung
der schönen Litteratur im katholischen Deutschland als Hindernis entgegenstehen,
keineswegs sagt er dies aber von dem Rhein und seinen Bewohnern. Mönche
und Jesuiten gab es in damaliger Zeit überall. Aber das auffallendste ist,
daß er gerade die Universität Bonn als die aufgeklärteste im katholischen
Deutschlnnde rühmte. Es muß daher doch nicht so schlimm mit der littera¬
rischen Bildung am Rhein beschaffen gewesen sein, es erscheint uns daher
geradezu unverständlich und übertrieben, wenn man den Rheinlanden im Ver¬
gleich mit andern Gegenden unsers großen deutschen Vaterlands den Sinn
und die Empfänglichkeit für unsre nationale Dichtkunst im vorigen Jahrhundert
abzusprechen sich bemüht hat. Wir verweisen in dieser Beziehung uuter anderen
auf eine Stelle in Zarnckes Litterarischen Centralblatt (Ur. 20 vom 16. Mai
1874), worin bei der Besprechung eines Aufsatzes von Hermann Hüsfer
„Rheinisch-Westfälische Zustünde zur Zeit der französischen Revolution" (vgl.
Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, Heft 26. S. 1) von
dem Verfasser der in dem Aufsatz mitgeteilte» Briefe gesagt wird, „er könne
als Typus des damaligen unter dem Krummstab behaglich dahinlebenden und
verkommenden Geschlechts gelten, das selbst der Sturm der Revolution nicht
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