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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die imperialistische Bewegung in England

Annäherung Englands an Amerika zusammengewirkt hat. Wir verzeichnen hier
bloß die Thatsache, daß die meisten Vertreter des Imperialismus, von der
ältern Generation des Sir George Grey an bis zu den heute tonangebenden
wie Chamberlain, immer einem Zusammengehen mit Amerika das Wort redeten.
Und wie stark das Band zwischen beiden Ländern ist, zeigte sich darin, daß
das verletzende Auftreten Nordamerikas in der Venezuelafrage nnr eine flüch¬
tige Trübung in den Beziehungen bewirkte und in England alles aufgeboten
wurde, um einem Bruch vorzubeugen. "Die englische Rasse darf in einem
besondern Sinne als der Bannerträger des Allmächtigen gelten, und ihr Ziel
ist die Verbreitung der großen Prinzipien des Friedens, der Gerechtigkeit und
Freiheit über die ganze Welt. Das ist etwas von dem bloß-britischen Impe¬
rialismus weit Verschiednes, denn es ist ebensowohl ein amerikanischer als ein
englischer Gedanke, und er geht die zwei großen Zweige der englischredenden
Rasse an als die rechte und linke Hand der Vorsehung, die die Geschicke der
Welt formt."

So wenig religiös nun auch Rhodes sein mochte: das Unglaubliche ge¬
schah, er wurde zum Propheten dieses Glaubens ausgerufen. Mr. Stead,
von dem man sich schon solcher Dinge gewärtigen konnte, verkündete im Jahre
1891 der Welt die "Rhodestsche Religion." Rhodes Patriotismus ist, hören
wir hier, seine Religion. "Aber Rhodes glaubt nicht nur wie ein Römer an
sein Land. In seiner obersten Leidenschaft ist mehr als eine Spur von der
Verehrung der Hebräer für das Land der Verheißung. Sein Israel sind die
englisch redenden Menschen, wo immer sie sich finden zu Land oder Wasser,
und in ihnen sieht er das Volk der Vorsehung, die Erwählten Gottes, die
vorausbestimmten Herrscher der Welt." Diese Überzeugung ist aber auch
wissenschaftlich begründet: die Englischredenden sind die ersten unter allen
Völkern nach dem Darwinischen Grundsatz, daß immer die Tauglichsten über¬
leben. Denn überall in der ganzen Welt haben sie alle andern Völker über¬
flügelt, auch die Völker, die einmal einen Vorsprung vor ihnen hatten. Aber
sie sind auch die würdigsten. Denn sie vertreten den Jndustrialismus gegen¬
über dem Militarismus des Kontinents und haben eine tiefe, eingeborne Ver¬
ehrung für Gesetz und Gerechtigkeit und Ordnung. "Darum, wenn wir viel¬
leicht auch den Schliff des Franzosen, die Wissenschaft des Deutschen oder die
Kunst des Jtalieners nicht haben, so steht doch Rhodes in der Rasse, die
Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit vertritt, die Instrumente der Vorsehung
für die Besserung der Welt. Es ist die alte hebräische Idee. Rhodes zweifelt
ebenso wenig an der göttlichen Sendung des englischen Volkes als Josua an
der göttlichen Berufung des alten Israel. Keine Beweisführung wird ihn je
überzeugen, daß der Lenker des Weltalls vorhatte, daß die erlesensten Teile
seiner Schöpfung auf immer von Portugiesen oder Zwergen beunruhigt sein
sollen. Indem daher Rhodes mit umfassenden Blicke alles überschaute, ist
er zu dem Schlüsse gelangt, daß, wenn es einen Gott giebt, der über die


Die imperialistische Bewegung in England

Annäherung Englands an Amerika zusammengewirkt hat. Wir verzeichnen hier
bloß die Thatsache, daß die meisten Vertreter des Imperialismus, von der
ältern Generation des Sir George Grey an bis zu den heute tonangebenden
wie Chamberlain, immer einem Zusammengehen mit Amerika das Wort redeten.
Und wie stark das Band zwischen beiden Ländern ist, zeigte sich darin, daß
das verletzende Auftreten Nordamerikas in der Venezuelafrage nnr eine flüch¬
tige Trübung in den Beziehungen bewirkte und in England alles aufgeboten
wurde, um einem Bruch vorzubeugen. „Die englische Rasse darf in einem
besondern Sinne als der Bannerträger des Allmächtigen gelten, und ihr Ziel
ist die Verbreitung der großen Prinzipien des Friedens, der Gerechtigkeit und
Freiheit über die ganze Welt. Das ist etwas von dem bloß-britischen Impe¬
rialismus weit Verschiednes, denn es ist ebensowohl ein amerikanischer als ein
englischer Gedanke, und er geht die zwei großen Zweige der englischredenden
Rasse an als die rechte und linke Hand der Vorsehung, die die Geschicke der
Welt formt."

So wenig religiös nun auch Rhodes sein mochte: das Unglaubliche ge¬
schah, er wurde zum Propheten dieses Glaubens ausgerufen. Mr. Stead,
von dem man sich schon solcher Dinge gewärtigen konnte, verkündete im Jahre
1891 der Welt die „Rhodestsche Religion." Rhodes Patriotismus ist, hören
wir hier, seine Religion. „Aber Rhodes glaubt nicht nur wie ein Römer an
sein Land. In seiner obersten Leidenschaft ist mehr als eine Spur von der
Verehrung der Hebräer für das Land der Verheißung. Sein Israel sind die
englisch redenden Menschen, wo immer sie sich finden zu Land oder Wasser,
und in ihnen sieht er das Volk der Vorsehung, die Erwählten Gottes, die
vorausbestimmten Herrscher der Welt." Diese Überzeugung ist aber auch
wissenschaftlich begründet: die Englischredenden sind die ersten unter allen
Völkern nach dem Darwinischen Grundsatz, daß immer die Tauglichsten über¬
leben. Denn überall in der ganzen Welt haben sie alle andern Völker über¬
flügelt, auch die Völker, die einmal einen Vorsprung vor ihnen hatten. Aber
sie sind auch die würdigsten. Denn sie vertreten den Jndustrialismus gegen¬
über dem Militarismus des Kontinents und haben eine tiefe, eingeborne Ver¬
ehrung für Gesetz und Gerechtigkeit und Ordnung. „Darum, wenn wir viel¬
leicht auch den Schliff des Franzosen, die Wissenschaft des Deutschen oder die
Kunst des Jtalieners nicht haben, so steht doch Rhodes in der Rasse, die
Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit vertritt, die Instrumente der Vorsehung
für die Besserung der Welt. Es ist die alte hebräische Idee. Rhodes zweifelt
ebenso wenig an der göttlichen Sendung des englischen Volkes als Josua an
der göttlichen Berufung des alten Israel. Keine Beweisführung wird ihn je
überzeugen, daß der Lenker des Weltalls vorhatte, daß die erlesensten Teile
seiner Schöpfung auf immer von Portugiesen oder Zwergen beunruhigt sein
sollen. Indem daher Rhodes mit umfassenden Blicke alles überschaute, ist
er zu dem Schlüsse gelangt, daß, wenn es einen Gott giebt, der über die


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[0205] Die imperialistische Bewegung in England Annäherung Englands an Amerika zusammengewirkt hat. Wir verzeichnen hier bloß die Thatsache, daß die meisten Vertreter des Imperialismus, von der ältern Generation des Sir George Grey an bis zu den heute tonangebenden wie Chamberlain, immer einem Zusammengehen mit Amerika das Wort redeten. Und wie stark das Band zwischen beiden Ländern ist, zeigte sich darin, daß das verletzende Auftreten Nordamerikas in der Venezuelafrage nnr eine flüch¬ tige Trübung in den Beziehungen bewirkte und in England alles aufgeboten wurde, um einem Bruch vorzubeugen. „Die englische Rasse darf in einem besondern Sinne als der Bannerträger des Allmächtigen gelten, und ihr Ziel ist die Verbreitung der großen Prinzipien des Friedens, der Gerechtigkeit und Freiheit über die ganze Welt. Das ist etwas von dem bloß-britischen Impe¬ rialismus weit Verschiednes, denn es ist ebensowohl ein amerikanischer als ein englischer Gedanke, und er geht die zwei großen Zweige der englischredenden Rasse an als die rechte und linke Hand der Vorsehung, die die Geschicke der Welt formt." So wenig religiös nun auch Rhodes sein mochte: das Unglaubliche ge¬ schah, er wurde zum Propheten dieses Glaubens ausgerufen. Mr. Stead, von dem man sich schon solcher Dinge gewärtigen konnte, verkündete im Jahre 1891 der Welt die „Rhodestsche Religion." Rhodes Patriotismus ist, hören wir hier, seine Religion. „Aber Rhodes glaubt nicht nur wie ein Römer an sein Land. In seiner obersten Leidenschaft ist mehr als eine Spur von der Verehrung der Hebräer für das Land der Verheißung. Sein Israel sind die englisch redenden Menschen, wo immer sie sich finden zu Land oder Wasser, und in ihnen sieht er das Volk der Vorsehung, die Erwählten Gottes, die vorausbestimmten Herrscher der Welt." Diese Überzeugung ist aber auch wissenschaftlich begründet: die Englischredenden sind die ersten unter allen Völkern nach dem Darwinischen Grundsatz, daß immer die Tauglichsten über¬ leben. Denn überall in der ganzen Welt haben sie alle andern Völker über¬ flügelt, auch die Völker, die einmal einen Vorsprung vor ihnen hatten. Aber sie sind auch die würdigsten. Denn sie vertreten den Jndustrialismus gegen¬ über dem Militarismus des Kontinents und haben eine tiefe, eingeborne Ver¬ ehrung für Gesetz und Gerechtigkeit und Ordnung. „Darum, wenn wir viel¬ leicht auch den Schliff des Franzosen, die Wissenschaft des Deutschen oder die Kunst des Jtalieners nicht haben, so steht doch Rhodes in der Rasse, die Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit vertritt, die Instrumente der Vorsehung für die Besserung der Welt. Es ist die alte hebräische Idee. Rhodes zweifelt ebenso wenig an der göttlichen Sendung des englischen Volkes als Josua an der göttlichen Berufung des alten Israel. Keine Beweisführung wird ihn je überzeugen, daß der Lenker des Weltalls vorhatte, daß die erlesensten Teile seiner Schöpfung auf immer von Portugiesen oder Zwergen beunruhigt sein sollen. Indem daher Rhodes mit umfassenden Blicke alles überschaute, ist er zu dem Schlüsse gelangt, daß, wenn es einen Gott giebt, der über die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/205>, abgerufen am 23.07.2024.