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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die imperialistische Bewegung in England

Lobe. "Nach einem Kriege anfangs der neunziger Jahre -- erzählt sie --
war ein ganzes Regiment im Herzen eines unterworfnen Bantustammes während
Monaten stationiert. Nicht nur war das Ergebnis der Berührung von Sol¬
daten mit eingebornen Frauen in Beziehung auf uneheliche Geburten gleich null,
sondern es war thatsächlich für die Soldaten während der ganzen Zeit un¬
möglich, Frauen für schändliche Zwecke zu kaufen." Hierzu macht die Schrei¬
berin 1896 den bittern Zusatz: "Ich beziehe mich nicht auf das, was statt¬
findet, wenn Engländer, ungehemmt durch eine öffentliche Meinung oder durch
die britische Herrschaft, unumschränkt über eine zermalmte Eingebornenrasse
herrschen, wie heute in den Gebieten nördlich des Limpopo." Der einzige
Segen für das unterworfne Land besteht für den Angenblick wohl darin, daß
hier Friede, Sicherheit und Ordnung herrschen, wahrend früher die friedlichen
Maschonas von den kriegerischen Matabeles in jeder Weise bedrückt und mi߬
handelt wurden. Es ist zu hoffen, daß auch die übrigen Segnungen früher
oder später eintreten werden, die niemals ganz ausgeblieben sind, wo englische
Macht und englisches Gesetz die Vorbedingungen für Gesittung schufen.

^- Ächlufzbetrachtungen

Wir sind auf Cecil Rhodes so ausführlich eingegangen, weil die ganze
Persönlichkeit des Mannes in hohem Maße zu dem Erfolg der von ihm ver-
tretnen Ideen beigetragen hat. Diese waren durchaus nicht neu. Sir George
Grey, der seinerzeit in Neuseeland durch seine Einsicht einen der größten Fehler
der heimischen Regierung gut gemacht und ein andres mal durch die selbständige
Entsendung von Truppen nach Indien zur Zeit des großen Militäraufstandes
vermutlich Indien für England gerettet hat, Sir George Grey durfte sich
rühmen, daß er ohne das Eingreifen der englischen Regierung im Jahre 1854
eine Vereinigung der südafrikanischen Staaten zu stände gebracht hätte. Auch
war diese auf derselben Grundlage wie die von Rhodes geplant. Überhaupt
ist dieser auf keinem Gebiete eigentlich schöpferisch. Er ist wesentlich ein prak¬
tischer Geist. Unbeirrt von Schulmeinungen übersieht er mit klarem, offnem
Auge die thatsächlichen Verhältnisse und richtet darnach seine Vorschläge ein.
Man wird ihn daher immer mit Nutzen und Interesse hören, sei es, daß er
über die Frage der Zölle, sei es, daß er über gesetzliche Bestimmungen für
die Eingebornen spricht: aber was ihn auszeichnet, ist wesentlich sein großer,
nüchterner Verstand und sein praktischer Blick, nicht aber Originalität in höherm
Sinne. Und für seine Zwecke genügten jene. Daneben kam ihm aber auch
die Gunst der Zeit reichlich zu statten.

In den achtziger Jahren beginnt das Problem des Imperialismus erhöhte
Bedeutung zu gewinnen. Die allgemeine Weltlage und die Homerulepolitik
Gladstones, die auf eine Zerbröckluug des Reichs hinauszulaufen schien, zwang
alle ernsten Männer der Nation, über die Zukunft des Reichs und das Ver¬
hältnis aller seiner Teile nachzudenken. In hohem Maße bezeichnend ist darum


Die imperialistische Bewegung in England

Lobe. „Nach einem Kriege anfangs der neunziger Jahre — erzählt sie —
war ein ganzes Regiment im Herzen eines unterworfnen Bantustammes während
Monaten stationiert. Nicht nur war das Ergebnis der Berührung von Sol¬
daten mit eingebornen Frauen in Beziehung auf uneheliche Geburten gleich null,
sondern es war thatsächlich für die Soldaten während der ganzen Zeit un¬
möglich, Frauen für schändliche Zwecke zu kaufen." Hierzu macht die Schrei¬
berin 1896 den bittern Zusatz: „Ich beziehe mich nicht auf das, was statt¬
findet, wenn Engländer, ungehemmt durch eine öffentliche Meinung oder durch
die britische Herrschaft, unumschränkt über eine zermalmte Eingebornenrasse
herrschen, wie heute in den Gebieten nördlich des Limpopo." Der einzige
Segen für das unterworfne Land besteht für den Angenblick wohl darin, daß
hier Friede, Sicherheit und Ordnung herrschen, wahrend früher die friedlichen
Maschonas von den kriegerischen Matabeles in jeder Weise bedrückt und mi߬
handelt wurden. Es ist zu hoffen, daß auch die übrigen Segnungen früher
oder später eintreten werden, die niemals ganz ausgeblieben sind, wo englische
Macht und englisches Gesetz die Vorbedingungen für Gesittung schufen.

^- Ächlufzbetrachtungen

Wir sind auf Cecil Rhodes so ausführlich eingegangen, weil die ganze
Persönlichkeit des Mannes in hohem Maße zu dem Erfolg der von ihm ver-
tretnen Ideen beigetragen hat. Diese waren durchaus nicht neu. Sir George
Grey, der seinerzeit in Neuseeland durch seine Einsicht einen der größten Fehler
der heimischen Regierung gut gemacht und ein andres mal durch die selbständige
Entsendung von Truppen nach Indien zur Zeit des großen Militäraufstandes
vermutlich Indien für England gerettet hat, Sir George Grey durfte sich
rühmen, daß er ohne das Eingreifen der englischen Regierung im Jahre 1854
eine Vereinigung der südafrikanischen Staaten zu stände gebracht hätte. Auch
war diese auf derselben Grundlage wie die von Rhodes geplant. Überhaupt
ist dieser auf keinem Gebiete eigentlich schöpferisch. Er ist wesentlich ein prak¬
tischer Geist. Unbeirrt von Schulmeinungen übersieht er mit klarem, offnem
Auge die thatsächlichen Verhältnisse und richtet darnach seine Vorschläge ein.
Man wird ihn daher immer mit Nutzen und Interesse hören, sei es, daß er
über die Frage der Zölle, sei es, daß er über gesetzliche Bestimmungen für
die Eingebornen spricht: aber was ihn auszeichnet, ist wesentlich sein großer,
nüchterner Verstand und sein praktischer Blick, nicht aber Originalität in höherm
Sinne. Und für seine Zwecke genügten jene. Daneben kam ihm aber auch
die Gunst der Zeit reichlich zu statten.

In den achtziger Jahren beginnt das Problem des Imperialismus erhöhte
Bedeutung zu gewinnen. Die allgemeine Weltlage und die Homerulepolitik
Gladstones, die auf eine Zerbröckluug des Reichs hinauszulaufen schien, zwang
alle ernsten Männer der Nation, über die Zukunft des Reichs und das Ver¬
hältnis aller seiner Teile nachzudenken. In hohem Maße bezeichnend ist darum


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[0203] Die imperialistische Bewegung in England Lobe. „Nach einem Kriege anfangs der neunziger Jahre — erzählt sie — war ein ganzes Regiment im Herzen eines unterworfnen Bantustammes während Monaten stationiert. Nicht nur war das Ergebnis der Berührung von Sol¬ daten mit eingebornen Frauen in Beziehung auf uneheliche Geburten gleich null, sondern es war thatsächlich für die Soldaten während der ganzen Zeit un¬ möglich, Frauen für schändliche Zwecke zu kaufen." Hierzu macht die Schrei¬ berin 1896 den bittern Zusatz: „Ich beziehe mich nicht auf das, was statt¬ findet, wenn Engländer, ungehemmt durch eine öffentliche Meinung oder durch die britische Herrschaft, unumschränkt über eine zermalmte Eingebornenrasse herrschen, wie heute in den Gebieten nördlich des Limpopo." Der einzige Segen für das unterworfne Land besteht für den Angenblick wohl darin, daß hier Friede, Sicherheit und Ordnung herrschen, wahrend früher die friedlichen Maschonas von den kriegerischen Matabeles in jeder Weise bedrückt und mi߬ handelt wurden. Es ist zu hoffen, daß auch die übrigen Segnungen früher oder später eintreten werden, die niemals ganz ausgeblieben sind, wo englische Macht und englisches Gesetz die Vorbedingungen für Gesittung schufen. ^- Ächlufzbetrachtungen Wir sind auf Cecil Rhodes so ausführlich eingegangen, weil die ganze Persönlichkeit des Mannes in hohem Maße zu dem Erfolg der von ihm ver- tretnen Ideen beigetragen hat. Diese waren durchaus nicht neu. Sir George Grey, der seinerzeit in Neuseeland durch seine Einsicht einen der größten Fehler der heimischen Regierung gut gemacht und ein andres mal durch die selbständige Entsendung von Truppen nach Indien zur Zeit des großen Militäraufstandes vermutlich Indien für England gerettet hat, Sir George Grey durfte sich rühmen, daß er ohne das Eingreifen der englischen Regierung im Jahre 1854 eine Vereinigung der südafrikanischen Staaten zu stände gebracht hätte. Auch war diese auf derselben Grundlage wie die von Rhodes geplant. Überhaupt ist dieser auf keinem Gebiete eigentlich schöpferisch. Er ist wesentlich ein prak¬ tischer Geist. Unbeirrt von Schulmeinungen übersieht er mit klarem, offnem Auge die thatsächlichen Verhältnisse und richtet darnach seine Vorschläge ein. Man wird ihn daher immer mit Nutzen und Interesse hören, sei es, daß er über die Frage der Zölle, sei es, daß er über gesetzliche Bestimmungen für die Eingebornen spricht: aber was ihn auszeichnet, ist wesentlich sein großer, nüchterner Verstand und sein praktischer Blick, nicht aber Originalität in höherm Sinne. Und für seine Zwecke genügten jene. Daneben kam ihm aber auch die Gunst der Zeit reichlich zu statten. In den achtziger Jahren beginnt das Problem des Imperialismus erhöhte Bedeutung zu gewinnen. Die allgemeine Weltlage und die Homerulepolitik Gladstones, die auf eine Zerbröckluug des Reichs hinauszulaufen schien, zwang alle ernsten Männer der Nation, über die Zukunft des Reichs und das Ver¬ hältnis aller seiner Teile nachzudenken. In hohem Maße bezeichnend ist darum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/203>, abgerufen am 23.07.2024.