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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die imperialistische Bewegung in England

bedenklich keit bei der Wahl seiner Mittel. Selbst einer seiner Lobredner, wie
Mr. Walter Staat, gesteht zu, "daß in manchen Dingen seine ethische Ent¬
wicklung zweifellos etwas zurückgeblieben ist. Die Atmosphäre der Diamanten¬
felder ist nicht gerade ein Treibhaus sür die schönern Gefühle und die zartern
Tugenden der Zivilisation." Rhodes sagte einmal, um anzudeuten, daß der
Mahdi kein Hindernis sei sür die Durchführung seines großen afrikanischen
Telegraphenprojekts: "Ich habe noch nie jemand getroffen, mit dem ich nicht
ein Geschäft machen konnte." Daß er, um einen Widerstand aus seinem Wege
zu entfernen, Bedenken getragen habe, jemand zu kaufen oder zu bestechen, wird
schwerlich jemand glauben. Dennoch war er berechtigt, die "salbungsvolle
Rechtschaffenheit" (Motuous riZiitsonLnoss) seiner Landsleute zu verhöhnen,
die seinen frühern Erfolgen immer zugejubelt hatten und nun, wo der Erfolg
ausgeblieben war, sich mit sittlicher Empörung von einem so verworfnen
Menschen abwandten.

Auch ist wohl nur zu gewiß, daß der Zuwachs an politischer Macht und
materiellem Vorteil für England nicht zugleich auch einen Zuwachs an Ge¬
sittung sür das unterworfne Land bedeutete. Nach Kimberley, Johannesburg
und Rhodesia strömten doch auch eine Unmenge Abenteurer, und in deren
Kreisen wie in denen der von dem Fieber des Erwerbs wie des Genusses be¬
sessenen Spekulanten, in deren Mitte sich doch die afrikanische Existenz von Rhodes
abspielte, herrschten nicht die höchsten sittlichen Begriffe. Mit Abscheu blickten
die sittenstrengen und religiösen holländischen Bauern ans diese neu hinzu¬
kommende industrielle Bevölkerung, die Trunk, Spiel und alle Laster der Zivi¬
lisation in ihre einfachen Verhältnisse gebracht hatte. Die Abneigung der Trans¬
vaalburen, den Neuhinzugekommuen ohne Unterschied alle Rechte ihres Staates
einzuräumen, hat daher ihre guten Gründe, und die Klagen der "Uitlanders,"*)
die im Namen von "Freiheit" und "Gerechtigkeit" gegen die "korrupte" Buren-
vligarchie deklamieren, sollten nicht uneingeschränkt von denen wiederholt werden,
die sehen, daß hier ein tapfres und wackres Völkchen um seiue nationale Existenz
und für seine Sitten kämpft. Auch auf die Eingebornen im Lande der LiKar-
t,<zrsÄ Ooinpg.n^ haben die neuen Zustände vielfach demoralisierend gewirkt.
Daß Neger, unter denen ein Mann wie der Häuptling Khama möglich war,
der es mit seinem Christentum und seinen Pflichten gegen sein Volk so ernst
nahm, wie dieser Fürst, sittlich auf keiner niedern Stufe stehen, wird jedermann
zugeben müssen.

Von der Tugend der Vantufrauen spricht Olive Schreiner mit dem höchsten



") Krüger, der gern in Metaphern spricht, verglich die Uitlanders, die das Wahlrecht
fordern, mit einem Manne, der zu einem Fuhrmann sagte: Gieb mir die Peitsche und die
Zügel: unser Kapital, unser Eigentum, unsre Interessen und unsre Wohnsitze sind auch auf
diesem Wagen. Er aber antwortete: Ja, das ist alles sehr schön. Ich räume ein, eure Sachen
sind auch in dem Wagen. Aber wo werdet ihr mich hinfahren? Und wie kann ich wissen,
daß ihr nicht vorhabt, mich umzuwerfen?
Die imperialistische Bewegung in England

bedenklich keit bei der Wahl seiner Mittel. Selbst einer seiner Lobredner, wie
Mr. Walter Staat, gesteht zu, „daß in manchen Dingen seine ethische Ent¬
wicklung zweifellos etwas zurückgeblieben ist. Die Atmosphäre der Diamanten¬
felder ist nicht gerade ein Treibhaus sür die schönern Gefühle und die zartern
Tugenden der Zivilisation." Rhodes sagte einmal, um anzudeuten, daß der
Mahdi kein Hindernis sei sür die Durchführung seines großen afrikanischen
Telegraphenprojekts: „Ich habe noch nie jemand getroffen, mit dem ich nicht
ein Geschäft machen konnte." Daß er, um einen Widerstand aus seinem Wege
zu entfernen, Bedenken getragen habe, jemand zu kaufen oder zu bestechen, wird
schwerlich jemand glauben. Dennoch war er berechtigt, die „salbungsvolle
Rechtschaffenheit" (Motuous riZiitsonLnoss) seiner Landsleute zu verhöhnen,
die seinen frühern Erfolgen immer zugejubelt hatten und nun, wo der Erfolg
ausgeblieben war, sich mit sittlicher Empörung von einem so verworfnen
Menschen abwandten.

Auch ist wohl nur zu gewiß, daß der Zuwachs an politischer Macht und
materiellem Vorteil für England nicht zugleich auch einen Zuwachs an Ge¬
sittung sür das unterworfne Land bedeutete. Nach Kimberley, Johannesburg
und Rhodesia strömten doch auch eine Unmenge Abenteurer, und in deren
Kreisen wie in denen der von dem Fieber des Erwerbs wie des Genusses be¬
sessenen Spekulanten, in deren Mitte sich doch die afrikanische Existenz von Rhodes
abspielte, herrschten nicht die höchsten sittlichen Begriffe. Mit Abscheu blickten
die sittenstrengen und religiösen holländischen Bauern ans diese neu hinzu¬
kommende industrielle Bevölkerung, die Trunk, Spiel und alle Laster der Zivi¬
lisation in ihre einfachen Verhältnisse gebracht hatte. Die Abneigung der Trans¬
vaalburen, den Neuhinzugekommuen ohne Unterschied alle Rechte ihres Staates
einzuräumen, hat daher ihre guten Gründe, und die Klagen der „Uitlanders,"*)
die im Namen von „Freiheit" und „Gerechtigkeit" gegen die „korrupte" Buren-
vligarchie deklamieren, sollten nicht uneingeschränkt von denen wiederholt werden,
die sehen, daß hier ein tapfres und wackres Völkchen um seiue nationale Existenz
und für seine Sitten kämpft. Auch auf die Eingebornen im Lande der LiKar-
t,<zrsÄ Ooinpg.n^ haben die neuen Zustände vielfach demoralisierend gewirkt.
Daß Neger, unter denen ein Mann wie der Häuptling Khama möglich war,
der es mit seinem Christentum und seinen Pflichten gegen sein Volk so ernst
nahm, wie dieser Fürst, sittlich auf keiner niedern Stufe stehen, wird jedermann
zugeben müssen.

Von der Tugend der Vantufrauen spricht Olive Schreiner mit dem höchsten



«) Krüger, der gern in Metaphern spricht, verglich die Uitlanders, die das Wahlrecht
fordern, mit einem Manne, der zu einem Fuhrmann sagte: Gieb mir die Peitsche und die
Zügel: unser Kapital, unser Eigentum, unsre Interessen und unsre Wohnsitze sind auch auf
diesem Wagen. Er aber antwortete: Ja, das ist alles sehr schön. Ich räume ein, eure Sachen
sind auch in dem Wagen. Aber wo werdet ihr mich hinfahren? Und wie kann ich wissen,
daß ihr nicht vorhabt, mich umzuwerfen?
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[0202] Die imperialistische Bewegung in England bedenklich keit bei der Wahl seiner Mittel. Selbst einer seiner Lobredner, wie Mr. Walter Staat, gesteht zu, „daß in manchen Dingen seine ethische Ent¬ wicklung zweifellos etwas zurückgeblieben ist. Die Atmosphäre der Diamanten¬ felder ist nicht gerade ein Treibhaus sür die schönern Gefühle und die zartern Tugenden der Zivilisation." Rhodes sagte einmal, um anzudeuten, daß der Mahdi kein Hindernis sei sür die Durchführung seines großen afrikanischen Telegraphenprojekts: „Ich habe noch nie jemand getroffen, mit dem ich nicht ein Geschäft machen konnte." Daß er, um einen Widerstand aus seinem Wege zu entfernen, Bedenken getragen habe, jemand zu kaufen oder zu bestechen, wird schwerlich jemand glauben. Dennoch war er berechtigt, die „salbungsvolle Rechtschaffenheit" (Motuous riZiitsonLnoss) seiner Landsleute zu verhöhnen, die seinen frühern Erfolgen immer zugejubelt hatten und nun, wo der Erfolg ausgeblieben war, sich mit sittlicher Empörung von einem so verworfnen Menschen abwandten. Auch ist wohl nur zu gewiß, daß der Zuwachs an politischer Macht und materiellem Vorteil für England nicht zugleich auch einen Zuwachs an Ge¬ sittung sür das unterworfne Land bedeutete. Nach Kimberley, Johannesburg und Rhodesia strömten doch auch eine Unmenge Abenteurer, und in deren Kreisen wie in denen der von dem Fieber des Erwerbs wie des Genusses be¬ sessenen Spekulanten, in deren Mitte sich doch die afrikanische Existenz von Rhodes abspielte, herrschten nicht die höchsten sittlichen Begriffe. Mit Abscheu blickten die sittenstrengen und religiösen holländischen Bauern ans diese neu hinzu¬ kommende industrielle Bevölkerung, die Trunk, Spiel und alle Laster der Zivi¬ lisation in ihre einfachen Verhältnisse gebracht hatte. Die Abneigung der Trans¬ vaalburen, den Neuhinzugekommuen ohne Unterschied alle Rechte ihres Staates einzuräumen, hat daher ihre guten Gründe, und die Klagen der „Uitlanders,"*) die im Namen von „Freiheit" und „Gerechtigkeit" gegen die „korrupte" Buren- vligarchie deklamieren, sollten nicht uneingeschränkt von denen wiederholt werden, die sehen, daß hier ein tapfres und wackres Völkchen um seiue nationale Existenz und für seine Sitten kämpft. Auch auf die Eingebornen im Lande der LiKar- t,<zrsÄ Ooinpg.n^ haben die neuen Zustände vielfach demoralisierend gewirkt. Daß Neger, unter denen ein Mann wie der Häuptling Khama möglich war, der es mit seinem Christentum und seinen Pflichten gegen sein Volk so ernst nahm, wie dieser Fürst, sittlich auf keiner niedern Stufe stehen, wird jedermann zugeben müssen. Von der Tugend der Vantufrauen spricht Olive Schreiner mit dem höchsten «) Krüger, der gern in Metaphern spricht, verglich die Uitlanders, die das Wahlrecht fordern, mit einem Manne, der zu einem Fuhrmann sagte: Gieb mir die Peitsche und die Zügel: unser Kapital, unser Eigentum, unsre Interessen und unsre Wohnsitze sind auch auf diesem Wagen. Er aber antwortete: Ja, das ist alles sehr schön. Ich räume ein, eure Sachen sind auch in dem Wagen. Aber wo werdet ihr mich hinfahren? Und wie kann ich wissen, daß ihr nicht vorhabt, mich umzuwerfen?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/202>, abgerufen am 23.07.2024.