Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die deutsche Geldreform

deutschen Zollverein einzudringen oder den von Preußen gegründeten zu sprengen,
mißlungen war, brachte er am 24. Januar 1857 den Wiener Münzvertrag zu¬
stande, durch den er wenigstens in den Schatten des Zollvereins gelangte, wie
sich Helfferich ausdrückt. Abgesehen von der Einführung einer Haudelsgold-
münze, die mit den auf Silberwährung beruhenden Münzsystemen der vertrag¬
schließenden Staaten in keinen organischen Zusammenhang gebracht wurde,
bestimmte diese Übereinkunft, daß für Norddeutschland der Thalerfuß, für Süd¬
deutschland und Österreich die beiden verschiednen Guldenfüße bleiben, daß aber
die dreierlei Münzen in einem bestimmten Gewichtsverhältnis zu einander aus¬
geprägt werden sollten. Statt der Kölnischen Mark, die in 14 Thaler aus¬
geprägt worden war, wurde das Pfund zu 500 Gramm zu Grunde gelegt;
aus einem Pfunde Feinsilber sollten 30 Thaler, 52^/z süddeutsche und 45 öster¬
reichische Gulden geprägt werden. Das politisch Wichtigste aber war, daß der
Thaler zur Vereiusmünze erklärt, also in sämtlichen Vertragsstaaten gesetzliches
Zahlungsmittel wurde. Österreich, dessen ganzes Silbergeld, Gulden wie
Thaler, auswanderte, hatte davon keinen Gewinn, wohl aber Preußen, das
durch die Beliebtheit, die der Thaler gar bald in Süddeutschland gewann, dort
moralische Eroberungen machte, während der nach Norddeutschland wandernde
österreichische Gulden, als ein handgreiflicher Beweis für die Elendigkeit der
österreichischen Negierung, in Norddeutschland die entgegengesetzte Wirkung
hervorbrachte. Streng genommen hatte man aber in Deutschland nach Her¬
stellung dieser "Einheit" nicht drei, sondern sechs Münzsysteme, denn Bremen,
Hamburg und Lübeck hatten jedes ihr eignes, außerdem liefen, abgesehen von
den einheimischen, viele ausländische Goldmünzen um und eine Unmasse un¬
gedeckte Banknoten und Papierthaler; die "kleinen Raubstaaten" befolgten ge¬
treulich Mephistos Rat: so oft die Negierung Geld brauchte, druckte sie Zettel,
die der geduldige deutsche Michel statt Thalerstücken nahm, obgleich keine Kasse
vorhanden war, die ihm das Papier gegen einen Thaler hätte auslösen können.*)
Im Jahre 1867 wurde der Münzvertrag mit Österreich gelöst, sonderbarer¬
weise aber nicht allein dem österreichischen Vereinsthaler, gegen den sich ja
nichts einwenden ließ, weiterer freier Lauf gelassen, sondern sogar dem Gulden,
der bisher nnr stillschweigend geduldet worden war, die Zulassung bis zum
Jahre 1870 ausdrücklich gesichert. Für das nur formell, nicht thatsächlich
ausgeschlossene Österreich trat 1871 Elsaß-Lothringen mit seinen Franken in
das Deutsche Reich ein, sodaß man wiederum sechs gesetzlich anerkannte Münz¬
systeme neben einem völlig ungeregelten Gold- und Pcipiernmlauf hatte. Daß
das Deutsche Reich, ohne sich vor aller Welt lächerlich zu machen, diesen
Zustand nicht fortbestehen lassen dürfte, und daß seine Bürger die daraus



Wenn ein sehr wohlhabendes Volk bei lebhaftem Geschäftsverkehr um der Silbcrwnhrung
festhält, so droht ihm stets, wegen der Unbequemlichkeit des Silbers bei größer" Zahlungen.
Überschwemmung mit Papiergeld.
Die deutsche Geldreform

deutschen Zollverein einzudringen oder den von Preußen gegründeten zu sprengen,
mißlungen war, brachte er am 24. Januar 1857 den Wiener Münzvertrag zu¬
stande, durch den er wenigstens in den Schatten des Zollvereins gelangte, wie
sich Helfferich ausdrückt. Abgesehen von der Einführung einer Haudelsgold-
münze, die mit den auf Silberwährung beruhenden Münzsystemen der vertrag¬
schließenden Staaten in keinen organischen Zusammenhang gebracht wurde,
bestimmte diese Übereinkunft, daß für Norddeutschland der Thalerfuß, für Süd¬
deutschland und Österreich die beiden verschiednen Guldenfüße bleiben, daß aber
die dreierlei Münzen in einem bestimmten Gewichtsverhältnis zu einander aus¬
geprägt werden sollten. Statt der Kölnischen Mark, die in 14 Thaler aus¬
geprägt worden war, wurde das Pfund zu 500 Gramm zu Grunde gelegt;
aus einem Pfunde Feinsilber sollten 30 Thaler, 52^/z süddeutsche und 45 öster¬
reichische Gulden geprägt werden. Das politisch Wichtigste aber war, daß der
Thaler zur Vereiusmünze erklärt, also in sämtlichen Vertragsstaaten gesetzliches
Zahlungsmittel wurde. Österreich, dessen ganzes Silbergeld, Gulden wie
Thaler, auswanderte, hatte davon keinen Gewinn, wohl aber Preußen, das
durch die Beliebtheit, die der Thaler gar bald in Süddeutschland gewann, dort
moralische Eroberungen machte, während der nach Norddeutschland wandernde
österreichische Gulden, als ein handgreiflicher Beweis für die Elendigkeit der
österreichischen Negierung, in Norddeutschland die entgegengesetzte Wirkung
hervorbrachte. Streng genommen hatte man aber in Deutschland nach Her¬
stellung dieser „Einheit" nicht drei, sondern sechs Münzsysteme, denn Bremen,
Hamburg und Lübeck hatten jedes ihr eignes, außerdem liefen, abgesehen von
den einheimischen, viele ausländische Goldmünzen um und eine Unmasse un¬
gedeckte Banknoten und Papierthaler; die „kleinen Raubstaaten" befolgten ge¬
treulich Mephistos Rat: so oft die Negierung Geld brauchte, druckte sie Zettel,
die der geduldige deutsche Michel statt Thalerstücken nahm, obgleich keine Kasse
vorhanden war, die ihm das Papier gegen einen Thaler hätte auslösen können.*)
Im Jahre 1867 wurde der Münzvertrag mit Österreich gelöst, sonderbarer¬
weise aber nicht allein dem österreichischen Vereinsthaler, gegen den sich ja
nichts einwenden ließ, weiterer freier Lauf gelassen, sondern sogar dem Gulden,
der bisher nnr stillschweigend geduldet worden war, die Zulassung bis zum
Jahre 1870 ausdrücklich gesichert. Für das nur formell, nicht thatsächlich
ausgeschlossene Österreich trat 1871 Elsaß-Lothringen mit seinen Franken in
das Deutsche Reich ein, sodaß man wiederum sechs gesetzlich anerkannte Münz¬
systeme neben einem völlig ungeregelten Gold- und Pcipiernmlauf hatte. Daß
das Deutsche Reich, ohne sich vor aller Welt lächerlich zu machen, diesen
Zustand nicht fortbestehen lassen dürfte, und daß seine Bürger die daraus



Wenn ein sehr wohlhabendes Volk bei lebhaftem Geschäftsverkehr um der Silbcrwnhrung
festhält, so droht ihm stets, wegen der Unbequemlichkeit des Silbers bei größer» Zahlungen.
Überschwemmung mit Papiergeld.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229701"/>
          <fw type="header" place="top"> Die deutsche Geldreform</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_18" prev="#ID_17" next="#ID_19"> deutschen Zollverein einzudringen oder den von Preußen gegründeten zu sprengen,<lb/>
mißlungen war, brachte er am 24. Januar 1857 den Wiener Münzvertrag zu¬<lb/>
stande, durch den er wenigstens in den Schatten des Zollvereins gelangte, wie<lb/>
sich Helfferich ausdrückt. Abgesehen von der Einführung einer Haudelsgold-<lb/>
münze, die mit den auf Silberwährung beruhenden Münzsystemen der vertrag¬<lb/>
schließenden Staaten in keinen organischen Zusammenhang gebracht wurde,<lb/>
bestimmte diese Übereinkunft, daß für Norddeutschland der Thalerfuß, für Süd¬<lb/>
deutschland und Österreich die beiden verschiednen Guldenfüße bleiben, daß aber<lb/>
die dreierlei Münzen in einem bestimmten Gewichtsverhältnis zu einander aus¬<lb/>
geprägt werden sollten. Statt der Kölnischen Mark, die in 14 Thaler aus¬<lb/>
geprägt worden war, wurde das Pfund zu 500 Gramm zu Grunde gelegt;<lb/>
aus einem Pfunde Feinsilber sollten 30 Thaler, 52^/z süddeutsche und 45 öster¬<lb/>
reichische Gulden geprägt werden. Das politisch Wichtigste aber war, daß der<lb/>
Thaler zur Vereiusmünze erklärt, also in sämtlichen Vertragsstaaten gesetzliches<lb/>
Zahlungsmittel wurde. Österreich, dessen ganzes Silbergeld, Gulden wie<lb/>
Thaler, auswanderte, hatte davon keinen Gewinn, wohl aber Preußen, das<lb/>
durch die Beliebtheit, die der Thaler gar bald in Süddeutschland gewann, dort<lb/>
moralische Eroberungen machte, während der nach Norddeutschland wandernde<lb/>
österreichische Gulden, als ein handgreiflicher Beweis für die Elendigkeit der<lb/>
österreichischen Negierung, in Norddeutschland die entgegengesetzte Wirkung<lb/>
hervorbrachte. Streng genommen hatte man aber in Deutschland nach Her¬<lb/>
stellung dieser &#x201E;Einheit" nicht drei, sondern sechs Münzsysteme, denn Bremen,<lb/>
Hamburg und Lübeck hatten jedes ihr eignes, außerdem liefen, abgesehen von<lb/>
den einheimischen, viele ausländische Goldmünzen um und eine Unmasse un¬<lb/>
gedeckte Banknoten und Papierthaler; die &#x201E;kleinen Raubstaaten" befolgten ge¬<lb/>
treulich Mephistos Rat: so oft die Negierung Geld brauchte, druckte sie Zettel,<lb/>
die der geduldige deutsche Michel statt Thalerstücken nahm, obgleich keine Kasse<lb/>
vorhanden war, die ihm das Papier gegen einen Thaler hätte auslösen können.*)<lb/>
Im Jahre 1867 wurde der Münzvertrag mit Österreich gelöst, sonderbarer¬<lb/>
weise aber nicht allein dem österreichischen Vereinsthaler, gegen den sich ja<lb/>
nichts einwenden ließ, weiterer freier Lauf gelassen, sondern sogar dem Gulden,<lb/>
der bisher nnr stillschweigend geduldet worden war, die Zulassung bis zum<lb/>
Jahre 1870 ausdrücklich gesichert. Für das nur formell, nicht thatsächlich<lb/>
ausgeschlossene Österreich trat 1871 Elsaß-Lothringen mit seinen Franken in<lb/>
das Deutsche Reich ein, sodaß man wiederum sechs gesetzlich anerkannte Münz¬<lb/>
systeme neben einem völlig ungeregelten Gold- und Pcipiernmlauf hatte. Daß<lb/>
das Deutsche Reich, ohne sich vor aller Welt lächerlich zu machen, diesen<lb/>
Zustand nicht fortbestehen lassen dürfte, und daß seine Bürger die daraus</p><lb/>
          <note xml:id="FID_3" place="foot"> Wenn ein sehr wohlhabendes Volk bei lebhaftem Geschäftsverkehr um der Silbcrwnhrung<lb/>
festhält, so droht ihm stets, wegen der Unbequemlichkeit des Silbers bei größer» Zahlungen.<lb/>
Überschwemmung mit Papiergeld.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] Die deutsche Geldreform deutschen Zollverein einzudringen oder den von Preußen gegründeten zu sprengen, mißlungen war, brachte er am 24. Januar 1857 den Wiener Münzvertrag zu¬ stande, durch den er wenigstens in den Schatten des Zollvereins gelangte, wie sich Helfferich ausdrückt. Abgesehen von der Einführung einer Haudelsgold- münze, die mit den auf Silberwährung beruhenden Münzsystemen der vertrag¬ schließenden Staaten in keinen organischen Zusammenhang gebracht wurde, bestimmte diese Übereinkunft, daß für Norddeutschland der Thalerfuß, für Süd¬ deutschland und Österreich die beiden verschiednen Guldenfüße bleiben, daß aber die dreierlei Münzen in einem bestimmten Gewichtsverhältnis zu einander aus¬ geprägt werden sollten. Statt der Kölnischen Mark, die in 14 Thaler aus¬ geprägt worden war, wurde das Pfund zu 500 Gramm zu Grunde gelegt; aus einem Pfunde Feinsilber sollten 30 Thaler, 52^/z süddeutsche und 45 öster¬ reichische Gulden geprägt werden. Das politisch Wichtigste aber war, daß der Thaler zur Vereiusmünze erklärt, also in sämtlichen Vertragsstaaten gesetzliches Zahlungsmittel wurde. Österreich, dessen ganzes Silbergeld, Gulden wie Thaler, auswanderte, hatte davon keinen Gewinn, wohl aber Preußen, das durch die Beliebtheit, die der Thaler gar bald in Süddeutschland gewann, dort moralische Eroberungen machte, während der nach Norddeutschland wandernde österreichische Gulden, als ein handgreiflicher Beweis für die Elendigkeit der österreichischen Negierung, in Norddeutschland die entgegengesetzte Wirkung hervorbrachte. Streng genommen hatte man aber in Deutschland nach Her¬ stellung dieser „Einheit" nicht drei, sondern sechs Münzsysteme, denn Bremen, Hamburg und Lübeck hatten jedes ihr eignes, außerdem liefen, abgesehen von den einheimischen, viele ausländische Goldmünzen um und eine Unmasse un¬ gedeckte Banknoten und Papierthaler; die „kleinen Raubstaaten" befolgten ge¬ treulich Mephistos Rat: so oft die Negierung Geld brauchte, druckte sie Zettel, die der geduldige deutsche Michel statt Thalerstücken nahm, obgleich keine Kasse vorhanden war, die ihm das Papier gegen einen Thaler hätte auslösen können.*) Im Jahre 1867 wurde der Münzvertrag mit Österreich gelöst, sonderbarer¬ weise aber nicht allein dem österreichischen Vereinsthaler, gegen den sich ja nichts einwenden ließ, weiterer freier Lauf gelassen, sondern sogar dem Gulden, der bisher nnr stillschweigend geduldet worden war, die Zulassung bis zum Jahre 1870 ausdrücklich gesichert. Für das nur formell, nicht thatsächlich ausgeschlossene Österreich trat 1871 Elsaß-Lothringen mit seinen Franken in das Deutsche Reich ein, sodaß man wiederum sechs gesetzlich anerkannte Münz¬ systeme neben einem völlig ungeregelten Gold- und Pcipiernmlauf hatte. Daß das Deutsche Reich, ohne sich vor aller Welt lächerlich zu machen, diesen Zustand nicht fortbestehen lassen dürfte, und daß seine Bürger die daraus Wenn ein sehr wohlhabendes Volk bei lebhaftem Geschäftsverkehr um der Silbcrwnhrung festhält, so droht ihm stets, wegen der Unbequemlichkeit des Silbers bei größer» Zahlungen. Überschwemmung mit Papiergeld.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/15
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/15>, abgerufen am 23.07.2024.