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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen

am Besitze der Macht zu groß, als daß jemand eine solche Beeinträchtigung
mit günstigen Augen betrachten sollte. Lehnen sich andre Behörden gegen das
störende Eingreifen der Generalkommissionen auf, so ziehen sie meistens den
Kürzern, und das kann nicht überraschen. Die Generalkommissionen haben in
diesen Zuständigkeitsfragen die reichsten Erfahrungen und wissen in der Regel,
wie weit sie ihre Ansprüche auszudehnen haben. Sie kennen auch die Zu¬
ständigkeit und den Geschäftsgang der andern Behörden, mit denen sie in
Streitigkeiten geraten, während diese von den Befugnissen und demi Geschäfts¬
betriebe der Auseinandersetzungsbehörden häufig nur recht mangelhaft unter¬
richtet sind. Holen sie sich nun bei dem Kompetenzgerichtshof oder bei der
sonst entscheidenden höhern Stelle eine abweichende Entscheidung, so wird das
Mißvergnügen über die Machtvollkommenheit der Generalkommissionen nur
vermehrt.

Weshalb der Großgrundbesitz die Generalkommissionen mit unfreundlichen
Augen betrachtet, leuchtet leicht ein. Sie sind es ja, die durch Aufhebung der
Dienste wie überhaupt durch die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Ver¬
hältnisse die Macht des Großgrundbesitzes in den östlichen Landesteilen er¬
heblich eingeschränkt, ja seine ganze Stellung von Grund aus verändert haben.
Noch vor kurzem schrieb ein Großgrundbesitzer an den Verfasser dieses Auf¬
satzes, das Gesetz vom 2. März 1850. betreffend die Ablösung der Reallasten
und die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse, sei nicht
für die Großgrundbesitzer gemacht. Wie weit die Abneigung gegen die General¬
kommissionen geht, hat sich bei den vor zwei Jahren gepflognen Laudtags-
verhcmolungen über die Gründung einer neuen Generalkommissivn in Königsberg
klar gezeigt. Besonders die Äußerungen einzelner Redner des Herrenhauses
lassen über die Stimmung, von der manche Mitglieder des hohen Hauses gegen
diese Behörden durchdrungen sind, nicht den geringsten Zweifel. Einer der
Redner vergleicht in höchst geschmackvoller Weise die Einsetzung einer neuen
Generalkommission in einer Provinz mit der Eröffnung eines neuen Wirts¬
hauses in einem Dorfe. Nicht minder deutlich äußert sich ein andrer Herr in
einer ungehaltncn Rede, die in Ur. 107 der Kreuzzeitung vom 4. März 1896
unter der Überschrift "Generalkommission rsclivivg," abgedruckt ist. Hier wird
den Generalkommissionen auch der Vorwurf gemacht, daß sie sich schon in der
achtunovierziger Bewegung keineswegs durchweg als Träger der königlichen
Autorität bewährt Hütten. Die Ansicht, daß die Gencralkommissionen nur aus
"Liberalen" zusammengesetzt seien, herrscht überhaupt wunderbarerweise noch in
manchen Kreisen des Beanuentums und des Großgrundbesitzes. Ein ostelbischer
Landrat soll sie nach glaubhafter Mitteilung kurz aber klar "rote Behörden"
bezeichnet haben. Und doch ist nichts unrichtiger als diese Anschauung. Die
Generalkommissionen als solche sind natürlich weder liberal noch konservativ.
Ihre Mitglieder und Beamten befassen sich im allgemeinen wenig mit Politik,
weil sie der Ansicht sind, daß sie sich unparteiisch zwischen den verschiednen


Die Unbeliebtheit der Generalkommissionen

am Besitze der Macht zu groß, als daß jemand eine solche Beeinträchtigung
mit günstigen Augen betrachten sollte. Lehnen sich andre Behörden gegen das
störende Eingreifen der Generalkommissionen auf, so ziehen sie meistens den
Kürzern, und das kann nicht überraschen. Die Generalkommissionen haben in
diesen Zuständigkeitsfragen die reichsten Erfahrungen und wissen in der Regel,
wie weit sie ihre Ansprüche auszudehnen haben. Sie kennen auch die Zu¬
ständigkeit und den Geschäftsgang der andern Behörden, mit denen sie in
Streitigkeiten geraten, während diese von den Befugnissen und demi Geschäfts¬
betriebe der Auseinandersetzungsbehörden häufig nur recht mangelhaft unter¬
richtet sind. Holen sie sich nun bei dem Kompetenzgerichtshof oder bei der
sonst entscheidenden höhern Stelle eine abweichende Entscheidung, so wird das
Mißvergnügen über die Machtvollkommenheit der Generalkommissionen nur
vermehrt.

Weshalb der Großgrundbesitz die Generalkommissionen mit unfreundlichen
Augen betrachtet, leuchtet leicht ein. Sie sind es ja, die durch Aufhebung der
Dienste wie überhaupt durch die Regulierung der gutsherrlich-bäuerlichen Ver¬
hältnisse die Macht des Großgrundbesitzes in den östlichen Landesteilen er¬
heblich eingeschränkt, ja seine ganze Stellung von Grund aus verändert haben.
Noch vor kurzem schrieb ein Großgrundbesitzer an den Verfasser dieses Auf¬
satzes, das Gesetz vom 2. März 1850. betreffend die Ablösung der Reallasten
und die Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse, sei nicht
für die Großgrundbesitzer gemacht. Wie weit die Abneigung gegen die General¬
kommissionen geht, hat sich bei den vor zwei Jahren gepflognen Laudtags-
verhcmolungen über die Gründung einer neuen Generalkommissivn in Königsberg
klar gezeigt. Besonders die Äußerungen einzelner Redner des Herrenhauses
lassen über die Stimmung, von der manche Mitglieder des hohen Hauses gegen
diese Behörden durchdrungen sind, nicht den geringsten Zweifel. Einer der
Redner vergleicht in höchst geschmackvoller Weise die Einsetzung einer neuen
Generalkommission in einer Provinz mit der Eröffnung eines neuen Wirts¬
hauses in einem Dorfe. Nicht minder deutlich äußert sich ein andrer Herr in
einer ungehaltncn Rede, die in Ur. 107 der Kreuzzeitung vom 4. März 1896
unter der Überschrift „Generalkommission rsclivivg," abgedruckt ist. Hier wird
den Generalkommissionen auch der Vorwurf gemacht, daß sie sich schon in der
achtunovierziger Bewegung keineswegs durchweg als Träger der königlichen
Autorität bewährt Hütten. Die Ansicht, daß die Gencralkommissionen nur aus
„Liberalen" zusammengesetzt seien, herrscht überhaupt wunderbarerweise noch in
manchen Kreisen des Beanuentums und des Großgrundbesitzes. Ein ostelbischer
Landrat soll sie nach glaubhafter Mitteilung kurz aber klar „rote Behörden"
bezeichnet haben. Und doch ist nichts unrichtiger als diese Anschauung. Die
Generalkommissionen als solche sind natürlich weder liberal noch konservativ.
Ihre Mitglieder und Beamten befassen sich im allgemeinen wenig mit Politik,
weil sie der Ansicht sind, daß sie sich unparteiisch zwischen den verschiednen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/144>, abgerufen am 03.07.2024.