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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Der Beschluß des Bundesrath in der Lippischen Thronfolgefrage

Die Lippische Negierung bestritt ihrerseits beim Bundesrat dessen Zu¬
ständigkeit (1. Februar).

Es erging nunmehr folgender Beschluß des Bundesrath:


"an die Fürstlich lippische Regierung das Ersuchen zu richten, zu ver¬
anlassen, daß vor der Beschlußfassung des Bundesrath über den Antrag
von Schaumburg-Lippe der Beratung des dem Lippischen Landtage vor¬
liegenden Gefetzentwurfs, betreffend Thronfolge und Regentschaft im
Fürstentum Lippe, kein Fortgang gegeben werde" (3. März).

Hierbei bestand im Bundesrat Einverständnis darüber, daß der Bundes¬
rat durch diesen Beschluß weder der Frage seiner Zuständigkeit, den Antrag
Schaumburg-Lippe vom 20. Januar zu erledigen, noch einer sachlichen Ent¬
scheidung des Streites vorgreifen wolle.

Trotz dieses Bundesratsbeschlusses kam in Lippe am 23. März unter Hoch¬
druck der Regierung eine Novelle zum Lippischen Negentschaftsgesetz vom
24. April 1895 zu stände, wonach Nachfolger des Grafregenten Ernst in der
Regentschaft sein jeweilig ältester Sohn sein soll. Eine jährliche Abgabe
von achttausend Mark aus dem Domanialeinkommen an die Landeskasse war,
nebenbei bemerkt, der Preis für die Majorität des Lippischen Landtages. Es
ist klar, daß diese Novelle, wenn auch nicht dem Wortlaute, so doch dem Sinne
des Bundesratsbeschlusfes vom 3. März widerspricht.

Bereits am 18. März hatte die Schaumburgische Negierung beim Lippischen
Landtage gegen den Erlaß dieser Novelle protestiert.

Am 18. Mai beantragte sie beim Bundesrate unter Wiederholung des
Antrages vom 20. Januar:


"der Bundesrat möge erklären, daß das Negentschaftsgesetz vom
24. März 1893 für Seine Hochfürstliche Durchlaucht deu Fürsten zu
Schaumburg-Lippe und sein Haus unverbindlich sei, und beschließen, daß
die Fürstlich lipptsche Regierung hiervon verständigt werde."

Was dann noch erfolgte, kann hier nicht weiter interessieren. Es ist ein
reges Austauschen und Überreichen von Schriftsätzen und Rechtsgutachten seitens
der streitenden Teile.

Seit dem 18. Mai sind Monate ins Land gegangen: ein Beweis dafür,
einer wie gründlichen und sorgfältigen Erwägung durch die verbündeten Re¬
gierungen die Angelegenheit unterzogen worden ist.

Der nun mit erdrückender Mehrheit gegen wenige Stimmen (darunter
natürlich die des Fürstentums Lippe) gefaßte Beschluß des Bundesrath lautet
folgendermaßen:

"1. daß -- nachdem die fürstlich Schaumburg-lippische Negierung der
fürstlich lippischen Negierung das Recht bestritten hat. die Thronfolge in
Lippe mit den gesetzgebenden Faktoren des Fürstentums selbständig zu
regeln, nachdem die fürstlich lippische Negierung abgelehnt hat, diesem
Einsprüche der fürstlich Schaumburg-lippischen Regierung Folge zu geben,

Der Beschluß des Bundesrath in der Lippischen Thronfolgefrage

Die Lippische Negierung bestritt ihrerseits beim Bundesrat dessen Zu¬
ständigkeit (1. Februar).

Es erging nunmehr folgender Beschluß des Bundesrath:


„an die Fürstlich lippische Regierung das Ersuchen zu richten, zu ver¬
anlassen, daß vor der Beschlußfassung des Bundesrath über den Antrag
von Schaumburg-Lippe der Beratung des dem Lippischen Landtage vor¬
liegenden Gefetzentwurfs, betreffend Thronfolge und Regentschaft im
Fürstentum Lippe, kein Fortgang gegeben werde" (3. März).

Hierbei bestand im Bundesrat Einverständnis darüber, daß der Bundes¬
rat durch diesen Beschluß weder der Frage seiner Zuständigkeit, den Antrag
Schaumburg-Lippe vom 20. Januar zu erledigen, noch einer sachlichen Ent¬
scheidung des Streites vorgreifen wolle.

Trotz dieses Bundesratsbeschlusses kam in Lippe am 23. März unter Hoch¬
druck der Regierung eine Novelle zum Lippischen Negentschaftsgesetz vom
24. April 1895 zu stände, wonach Nachfolger des Grafregenten Ernst in der
Regentschaft sein jeweilig ältester Sohn sein soll. Eine jährliche Abgabe
von achttausend Mark aus dem Domanialeinkommen an die Landeskasse war,
nebenbei bemerkt, der Preis für die Majorität des Lippischen Landtages. Es
ist klar, daß diese Novelle, wenn auch nicht dem Wortlaute, so doch dem Sinne
des Bundesratsbeschlusfes vom 3. März widerspricht.

Bereits am 18. März hatte die Schaumburgische Negierung beim Lippischen
Landtage gegen den Erlaß dieser Novelle protestiert.

Am 18. Mai beantragte sie beim Bundesrate unter Wiederholung des
Antrages vom 20. Januar:


„der Bundesrat möge erklären, daß das Negentschaftsgesetz vom
24. März 1893 für Seine Hochfürstliche Durchlaucht deu Fürsten zu
Schaumburg-Lippe und sein Haus unverbindlich sei, und beschließen, daß
die Fürstlich lipptsche Regierung hiervon verständigt werde."

Was dann noch erfolgte, kann hier nicht weiter interessieren. Es ist ein
reges Austauschen und Überreichen von Schriftsätzen und Rechtsgutachten seitens
der streitenden Teile.

Seit dem 18. Mai sind Monate ins Land gegangen: ein Beweis dafür,
einer wie gründlichen und sorgfältigen Erwägung durch die verbündeten Re¬
gierungen die Angelegenheit unterzogen worden ist.

Der nun mit erdrückender Mehrheit gegen wenige Stimmen (darunter
natürlich die des Fürstentums Lippe) gefaßte Beschluß des Bundesrath lautet
folgendermaßen:

„1. daß — nachdem die fürstlich Schaumburg-lippische Negierung der
fürstlich lippischen Negierung das Recht bestritten hat. die Thronfolge in
Lippe mit den gesetzgebenden Faktoren des Fürstentums selbständig zu
regeln, nachdem die fürstlich lippische Negierung abgelehnt hat, diesem
Einsprüche der fürstlich Schaumburg-lippischen Regierung Folge zu geben,

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[0132] Der Beschluß des Bundesrath in der Lippischen Thronfolgefrage Die Lippische Negierung bestritt ihrerseits beim Bundesrat dessen Zu¬ ständigkeit (1. Februar). Es erging nunmehr folgender Beschluß des Bundesrath: „an die Fürstlich lippische Regierung das Ersuchen zu richten, zu ver¬ anlassen, daß vor der Beschlußfassung des Bundesrath über den Antrag von Schaumburg-Lippe der Beratung des dem Lippischen Landtage vor¬ liegenden Gefetzentwurfs, betreffend Thronfolge und Regentschaft im Fürstentum Lippe, kein Fortgang gegeben werde" (3. März). Hierbei bestand im Bundesrat Einverständnis darüber, daß der Bundes¬ rat durch diesen Beschluß weder der Frage seiner Zuständigkeit, den Antrag Schaumburg-Lippe vom 20. Januar zu erledigen, noch einer sachlichen Ent¬ scheidung des Streites vorgreifen wolle. Trotz dieses Bundesratsbeschlusses kam in Lippe am 23. März unter Hoch¬ druck der Regierung eine Novelle zum Lippischen Negentschaftsgesetz vom 24. April 1895 zu stände, wonach Nachfolger des Grafregenten Ernst in der Regentschaft sein jeweilig ältester Sohn sein soll. Eine jährliche Abgabe von achttausend Mark aus dem Domanialeinkommen an die Landeskasse war, nebenbei bemerkt, der Preis für die Majorität des Lippischen Landtages. Es ist klar, daß diese Novelle, wenn auch nicht dem Wortlaute, so doch dem Sinne des Bundesratsbeschlusfes vom 3. März widerspricht. Bereits am 18. März hatte die Schaumburgische Negierung beim Lippischen Landtage gegen den Erlaß dieser Novelle protestiert. Am 18. Mai beantragte sie beim Bundesrate unter Wiederholung des Antrages vom 20. Januar: „der Bundesrat möge erklären, daß das Negentschaftsgesetz vom 24. März 1893 für Seine Hochfürstliche Durchlaucht deu Fürsten zu Schaumburg-Lippe und sein Haus unverbindlich sei, und beschließen, daß die Fürstlich lipptsche Regierung hiervon verständigt werde." Was dann noch erfolgte, kann hier nicht weiter interessieren. Es ist ein reges Austauschen und Überreichen von Schriftsätzen und Rechtsgutachten seitens der streitenden Teile. Seit dem 18. Mai sind Monate ins Land gegangen: ein Beweis dafür, einer wie gründlichen und sorgfältigen Erwägung durch die verbündeten Re¬ gierungen die Angelegenheit unterzogen worden ist. Der nun mit erdrückender Mehrheit gegen wenige Stimmen (darunter natürlich die des Fürstentums Lippe) gefaßte Beschluß des Bundesrath lautet folgendermaßen: „1. daß — nachdem die fürstlich Schaumburg-lippische Negierung der fürstlich lippischen Negierung das Recht bestritten hat. die Thronfolge in Lippe mit den gesetzgebenden Faktoren des Fürstentums selbständig zu regeln, nachdem die fürstlich lippische Negierung abgelehnt hat, diesem Einsprüche der fürstlich Schaumburg-lippischen Regierung Folge zu geben,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/132>, abgerufen am 23.07.2024.