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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr.

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Der Beschluß des Bundesrath in der Lixpischen Thronfolgefrage

Der angeführte Schaumburgische Protest hatte nun zur Folge, daß die
Lippische Regierung im Lippischen Landtag einen Gesetzentwurf einbrachte, durch
den namentlich Thronfolge und Regentschaft geregelt und vor allem die Sohne
des Grafen Ernst für fueeessionsberechtigt erklärt werden sollten (28. Oktober).

Gegen den Erlaß dieses Gesetzes und von neuem gegen die Ebenbürtigkeit
der Kinder des Grafen Ernst protestierte der Fürst zu Schaumburg-Lippe
(12. November).

Die Antwort des Landtags war folgender Beschluß:

1. daß der Landtag kein Bedenken in die Ebenbürtigkeit der erlauchten
Söhne des Grafregenten setzt;
2. daß der Landtag die Herstellung dauernder Zustände für eine Not¬
wendigkeit und so dringend hält, daß baldige Klärung der Sachlage
durch alle gesetzlichen Mittel unvermeidlich ist, und daß hierzu auch der
Weg der Gesetzgebung gerechnet wird;
3. daß der Landtag deshalb erwarten darf, daß Seine Durchlaucht
der Fürst zu Schaumburg-Lippe bis spätestens zum 1. Februar 1893 zur
Geltendmachung den Weg gerichtlicher Entscheidung betritt;
4. daß, falls eine Klage innerhalb obiger Frist nicht erfolgt ist, der
Landtag den Protest Seiner Durchlaucht serner nicht berücksichtigen und
versuchen wird, mit Seiner Erlaucht dem Grafregenten Vereinbarungen
zum Zwecke der Ordnung der Thronfolge- und Negentschaftsfrage zu
schließen (20. November).

Bei diesem Beschluß ist der Lippische Landtag offenbar von der unzweifel¬
haft irrigen Ansicht ausgegangen, es handle sich um einen Streit "privat¬
rechtlicher Natur," den der Fürst zu Schaumburg-Lippe durch Klageerhebung
bei einem bürgerlichen Gerichte zur Entscheidung zu bringen in der Lage sei.
Indessen kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß jedes ordentliche Gericht
auf eine derartige Klage den Rechtsweg, weil es sich nicht um eine Klage
privatrechtlicher Natur handelte, für unzulässig hätte erklären müssen (§ 17 des
Gerichtsverfasfungsgesetzes), sobald gegnerischerseits die entsprechende proze߬
hindernde Einrede vorgebracht worden wäre (Z 247 der Zivilprozeßordnung).

Da dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe mit diesem Landtagsbeschluß eine
unerfüllbare Bedingung auferlegt worden war, erhob die Schaumburg-Lippische
Staatsregierung bei der Regierung des Fürstentums Lippe Einspruch gegen das
beabsichtigte Gesetz, indem sie der Negierung das Recht bestritt, die Thronfolge
in Lippe mit dem Landtage ohne Zustimmung der Agnaten selbständig zu regeln
(4. Januar 1898).

Als die Lippische Regierung hierauf ablehnend antwortete (11. Januar), rief
endlich die Schaumburg-Lippische Staatsregierung auf Grund des Artikels 76,
Absatz 1 der Reichsverfassung die Entscheidung des Bundesrath an und be¬
antragte, die Lippische Regierung zur Zurückziehung des eingebrachten Gesetz¬
entwurfs zu veranlassen (20. Januar).


Der Beschluß des Bundesrath in der Lixpischen Thronfolgefrage

Der angeführte Schaumburgische Protest hatte nun zur Folge, daß die
Lippische Regierung im Lippischen Landtag einen Gesetzentwurf einbrachte, durch
den namentlich Thronfolge und Regentschaft geregelt und vor allem die Sohne
des Grafen Ernst für fueeessionsberechtigt erklärt werden sollten (28. Oktober).

Gegen den Erlaß dieses Gesetzes und von neuem gegen die Ebenbürtigkeit
der Kinder des Grafen Ernst protestierte der Fürst zu Schaumburg-Lippe
(12. November).

Die Antwort des Landtags war folgender Beschluß:

1. daß der Landtag kein Bedenken in die Ebenbürtigkeit der erlauchten
Söhne des Grafregenten setzt;
2. daß der Landtag die Herstellung dauernder Zustände für eine Not¬
wendigkeit und so dringend hält, daß baldige Klärung der Sachlage
durch alle gesetzlichen Mittel unvermeidlich ist, und daß hierzu auch der
Weg der Gesetzgebung gerechnet wird;
3. daß der Landtag deshalb erwarten darf, daß Seine Durchlaucht
der Fürst zu Schaumburg-Lippe bis spätestens zum 1. Februar 1893 zur
Geltendmachung den Weg gerichtlicher Entscheidung betritt;
4. daß, falls eine Klage innerhalb obiger Frist nicht erfolgt ist, der
Landtag den Protest Seiner Durchlaucht serner nicht berücksichtigen und
versuchen wird, mit Seiner Erlaucht dem Grafregenten Vereinbarungen
zum Zwecke der Ordnung der Thronfolge- und Negentschaftsfrage zu
schließen (20. November).

Bei diesem Beschluß ist der Lippische Landtag offenbar von der unzweifel¬
haft irrigen Ansicht ausgegangen, es handle sich um einen Streit „privat¬
rechtlicher Natur," den der Fürst zu Schaumburg-Lippe durch Klageerhebung
bei einem bürgerlichen Gerichte zur Entscheidung zu bringen in der Lage sei.
Indessen kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß jedes ordentliche Gericht
auf eine derartige Klage den Rechtsweg, weil es sich nicht um eine Klage
privatrechtlicher Natur handelte, für unzulässig hätte erklären müssen (§ 17 des
Gerichtsverfasfungsgesetzes), sobald gegnerischerseits die entsprechende proze߬
hindernde Einrede vorgebracht worden wäre (Z 247 der Zivilprozeßordnung).

Da dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe mit diesem Landtagsbeschluß eine
unerfüllbare Bedingung auferlegt worden war, erhob die Schaumburg-Lippische
Staatsregierung bei der Regierung des Fürstentums Lippe Einspruch gegen das
beabsichtigte Gesetz, indem sie der Negierung das Recht bestritt, die Thronfolge
in Lippe mit dem Landtage ohne Zustimmung der Agnaten selbständig zu regeln
(4. Januar 1898).

Als die Lippische Regierung hierauf ablehnend antwortete (11. Januar), rief
endlich die Schaumburg-Lippische Staatsregierung auf Grund des Artikels 76,
Absatz 1 der Reichsverfassung die Entscheidung des Bundesrath an und be¬
antragte, die Lippische Regierung zur Zurückziehung des eingebrachten Gesetz¬
entwurfs zu veranlassen (20. Januar).


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[0131] Der Beschluß des Bundesrath in der Lixpischen Thronfolgefrage Der angeführte Schaumburgische Protest hatte nun zur Folge, daß die Lippische Regierung im Lippischen Landtag einen Gesetzentwurf einbrachte, durch den namentlich Thronfolge und Regentschaft geregelt und vor allem die Sohne des Grafen Ernst für fueeessionsberechtigt erklärt werden sollten (28. Oktober). Gegen den Erlaß dieses Gesetzes und von neuem gegen die Ebenbürtigkeit der Kinder des Grafen Ernst protestierte der Fürst zu Schaumburg-Lippe (12. November). Die Antwort des Landtags war folgender Beschluß: 1. daß der Landtag kein Bedenken in die Ebenbürtigkeit der erlauchten Söhne des Grafregenten setzt; 2. daß der Landtag die Herstellung dauernder Zustände für eine Not¬ wendigkeit und so dringend hält, daß baldige Klärung der Sachlage durch alle gesetzlichen Mittel unvermeidlich ist, und daß hierzu auch der Weg der Gesetzgebung gerechnet wird; 3. daß der Landtag deshalb erwarten darf, daß Seine Durchlaucht der Fürst zu Schaumburg-Lippe bis spätestens zum 1. Februar 1893 zur Geltendmachung den Weg gerichtlicher Entscheidung betritt; 4. daß, falls eine Klage innerhalb obiger Frist nicht erfolgt ist, der Landtag den Protest Seiner Durchlaucht serner nicht berücksichtigen und versuchen wird, mit Seiner Erlaucht dem Grafregenten Vereinbarungen zum Zwecke der Ordnung der Thronfolge- und Negentschaftsfrage zu schließen (20. November). Bei diesem Beschluß ist der Lippische Landtag offenbar von der unzweifel¬ haft irrigen Ansicht ausgegangen, es handle sich um einen Streit „privat¬ rechtlicher Natur," den der Fürst zu Schaumburg-Lippe durch Klageerhebung bei einem bürgerlichen Gerichte zur Entscheidung zu bringen in der Lage sei. Indessen kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß jedes ordentliche Gericht auf eine derartige Klage den Rechtsweg, weil es sich nicht um eine Klage privatrechtlicher Natur handelte, für unzulässig hätte erklären müssen (§ 17 des Gerichtsverfasfungsgesetzes), sobald gegnerischerseits die entsprechende proze߬ hindernde Einrede vorgebracht worden wäre (Z 247 der Zivilprozeßordnung). Da dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe mit diesem Landtagsbeschluß eine unerfüllbare Bedingung auferlegt worden war, erhob die Schaumburg-Lippische Staatsregierung bei der Regierung des Fürstentums Lippe Einspruch gegen das beabsichtigte Gesetz, indem sie der Negierung das Recht bestritt, die Thronfolge in Lippe mit dem Landtage ohne Zustimmung der Agnaten selbständig zu regeln (4. Januar 1898). Als die Lippische Regierung hierauf ablehnend antwortete (11. Januar), rief endlich die Schaumburg-Lippische Staatsregierung auf Grund des Artikels 76, Absatz 1 der Reichsverfassung die Entscheidung des Bundesrath an und be¬ antragte, die Lippische Regierung zur Zurückziehung des eingebrachten Gesetz¬ entwurfs zu veranlassen (20. Januar).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_229685/131>, abgerufen am 23.07.2024.