Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unnmßgebliches Gewehre entschied sich das Geschick des Tages." Als sich der anwesende Schul¬ Ich weiß, daß seine Flut so mächtig fließet, Daß Hollen, Himmel, Völker sie beqießet; Obgleichs bei Nacht ist. Weiß, daß er einen Strom aus sich gebaret, Der sich ihm gleich um Füll und Macht bewähret, Obgleichs bei Nacht ist usw. Sozialreformerischc Schriften haben wir in Deutschland so viele, daß sich der Orenzboten IV 1898W
Maßgebliches und Unnmßgebliches Gewehre entschied sich das Geschick des Tages.« Als sich der anwesende Schul¬ Ich weiß, daß seine Flut so mächtig fließet, Daß Hollen, Himmel, Völker sie beqießet; Obgleichs bei Nacht ist. Weiß, daß er einen Strom aus sich gebaret, Der sich ihm gleich um Füll und Macht bewähret, Obgleichs bei Nacht ist usw. Sozialreformerischc Schriften haben wir in Deutschland so viele, daß sich der Orenzboten IV 1898W
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0724" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229673"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unnmßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2519" prev="#ID_2518"> Gewehre entschied sich das Geschick des Tages.« Als sich der anwesende Schul¬<lb/> inspektor erkundigte, was das bedeute, mußte er ungesähr zwanzig Kinder fragen,<lb/> bevor eine Antwort erfolgte." — Von Naumanns Zeitnngspredigten, die unter<lb/> dem Titel Gvtteshilfe bei Vandenhoeck und Ruprecht in Göttingen gesondert er¬<lb/> scheinen, hat ein andrer Rezensent im Jahrgang 1896, Seite 523 des 2. Bandes<lb/> gesagt, auch wer mit des Verfassers sozialpolitischer Thätigkeit uicht einverstanden<lb/> sei, werde aus der ersten Spalte seines Wochenblatts Erbauung und Frende schöpfen.<lb/> Dasselbe wird man dem vorliegende» dritten Bcindchcn der originellen Predigt-<lb/> sammlung zugestehen müssen. — Mit Christentums Ende (Hann.-Münden,<lb/> Reinhold Werther, 1398) meint der Verfasser, Friedrich Nonnemann, daß das<lb/> kirchliche Christentum in ein wahrhaftiges, subjektives, dem der enden Mystiker ähn¬<lb/> liches auslausen soll. Er hat die dialogische Form gewählt; der tiefgläubige Titus<lb/> bekehrt deu Weltmann Lau und deu Zweifler Thomas. — Woher nun auch deu<lb/> vielen ratlosem Christen unsrer Zeit zuletzt Rat und Hilfe kommen mag, sicherlich<lb/> wird sie uicht aus der Theologie kommen, die, wie es scheint, nur aufzulösen ver¬<lb/> steht. Das sehen mir wieder aus des Kirchenrechtslehrers Thudichum Schrift:<lb/> Kirchliche Fälschungen (Stuttgart, E. Hauff, 1898). Das vorliegende erste<lb/> Heft behandelt das apostolische und das athanasicinische Glaubensbekenntnis als<lb/> Fälschungen. Gewiß ist es bei der Entstehung aller kirchliche» Glaubensbekenntnisse<lb/> recht menschlich zugegangen, trotzdem aber sind diese ein Schatz ewiger Wahrheiten.<lb/> In der „Zeugung" des Sohnes sieht der Verfasser eine „unheilige" aus der grie¬<lb/> chischen Mythologie geschöpfte, höchst anstößige Vorstellung. Warum nicht in ihr<lb/> den Ausdruck der metaphysischen Wahrheit sehen, daß Gott vor der Schöpfung<lb/> differenzirt gedacht werden muß, wenn er überhaupt gedacht, und persönlich gedacht<lb/> werden soll? Und warum uicht die menschliche Zeugung, die gar nichts Unheiliges,<lb/> sondern etwas sehr Heiliges ist, als das irdische Abbild des für uns unerforsch-<lb/> lichen vorweltlichen Prozesses im Schoße der Gottheit auffasse»? Warum an die<lb/> Mythen von Kronos und Zeus (die übrigens ebenfalls Abbilder des Urbildes sind)<lb/> denken, wenn man christliche Gedichte hat wie den „Urquell" von Johannes vom<lb/> Kreuz? Darin heißt es u. a.:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_23" type="poem"> <l> Ich weiß, daß seine Flut so mächtig fließet,<lb/> Daß Hollen, Himmel, Völker sie beqießet;<lb/> Obgleichs bei Nacht ist.</l> <l> Weiß, daß er einen Strom aus sich gebaret,<lb/> Der sich ihm gleich um Füll und Macht bewähret,<lb/> Obgleichs bei Nacht ist usw.</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2520"> Sozialreformerischc Schriften haben wir in Deutschland so viele, daß sich der<lb/> Dr. M', E. Münstermann die Mühe, eine „nntorisirte deutsche Ausgabe" des<lb/> Freiheit und soziale Pflichten betitelten Buches von Adolf Prius, Univer-<lb/> sitätsprofessor und Generalinspektor des königlich belgischen Justizministeriums<lb/> (Berlin, Otto Liebmann, 1897) zu veranstalte«, hätte ersparen können. — Von<lb/> deutschen Büchern dieser Art, die ja ebenfalls zur Popularphilosophic gehören,<lb/> nennen wir heute: Deutsche Ziele und Aufgaben von Dr. G. Stille (Berlin<lb/> und Leipzig, Friedrich Luckhardt, 1898). Der Verfasser spricht die Hauptprobleme<lb/> unsers Volks- und Staatslebens aus ehrlicher Gesinnung und verständig durch,<lb/> ohne etwas neues beizubringen; er ist überzeugter Antisemit und glaubt dem Bunde<lb/> der Landwirte ein' wenig zu viel.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Orenzboten IV 1898W</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0724]
Maßgebliches und Unnmßgebliches
Gewehre entschied sich das Geschick des Tages.« Als sich der anwesende Schul¬
inspektor erkundigte, was das bedeute, mußte er ungesähr zwanzig Kinder fragen,
bevor eine Antwort erfolgte." — Von Naumanns Zeitnngspredigten, die unter
dem Titel Gvtteshilfe bei Vandenhoeck und Ruprecht in Göttingen gesondert er¬
scheinen, hat ein andrer Rezensent im Jahrgang 1896, Seite 523 des 2. Bandes
gesagt, auch wer mit des Verfassers sozialpolitischer Thätigkeit uicht einverstanden
sei, werde aus der ersten Spalte seines Wochenblatts Erbauung und Frende schöpfen.
Dasselbe wird man dem vorliegende» dritten Bcindchcn der originellen Predigt-
sammlung zugestehen müssen. — Mit Christentums Ende (Hann.-Münden,
Reinhold Werther, 1398) meint der Verfasser, Friedrich Nonnemann, daß das
kirchliche Christentum in ein wahrhaftiges, subjektives, dem der enden Mystiker ähn¬
liches auslausen soll. Er hat die dialogische Form gewählt; der tiefgläubige Titus
bekehrt deu Weltmann Lau und deu Zweifler Thomas. — Woher nun auch deu
vielen ratlosem Christen unsrer Zeit zuletzt Rat und Hilfe kommen mag, sicherlich
wird sie uicht aus der Theologie kommen, die, wie es scheint, nur aufzulösen ver¬
steht. Das sehen mir wieder aus des Kirchenrechtslehrers Thudichum Schrift:
Kirchliche Fälschungen (Stuttgart, E. Hauff, 1898). Das vorliegende erste
Heft behandelt das apostolische und das athanasicinische Glaubensbekenntnis als
Fälschungen. Gewiß ist es bei der Entstehung aller kirchliche» Glaubensbekenntnisse
recht menschlich zugegangen, trotzdem aber sind diese ein Schatz ewiger Wahrheiten.
In der „Zeugung" des Sohnes sieht der Verfasser eine „unheilige" aus der grie¬
chischen Mythologie geschöpfte, höchst anstößige Vorstellung. Warum nicht in ihr
den Ausdruck der metaphysischen Wahrheit sehen, daß Gott vor der Schöpfung
differenzirt gedacht werden muß, wenn er überhaupt gedacht, und persönlich gedacht
werden soll? Und warum uicht die menschliche Zeugung, die gar nichts Unheiliges,
sondern etwas sehr Heiliges ist, als das irdische Abbild des für uns unerforsch-
lichen vorweltlichen Prozesses im Schoße der Gottheit auffasse»? Warum an die
Mythen von Kronos und Zeus (die übrigens ebenfalls Abbilder des Urbildes sind)
denken, wenn man christliche Gedichte hat wie den „Urquell" von Johannes vom
Kreuz? Darin heißt es u. a.:
Ich weiß, daß seine Flut so mächtig fließet,
Daß Hollen, Himmel, Völker sie beqießet;
Obgleichs bei Nacht ist. Weiß, daß er einen Strom aus sich gebaret,
Der sich ihm gleich um Füll und Macht bewähret,
Obgleichs bei Nacht ist usw.
Sozialreformerischc Schriften haben wir in Deutschland so viele, daß sich der
Dr. M', E. Münstermann die Mühe, eine „nntorisirte deutsche Ausgabe" des
Freiheit und soziale Pflichten betitelten Buches von Adolf Prius, Univer-
sitätsprofessor und Generalinspektor des königlich belgischen Justizministeriums
(Berlin, Otto Liebmann, 1897) zu veranstalte«, hätte ersparen können. — Von
deutschen Büchern dieser Art, die ja ebenfalls zur Popularphilosophic gehören,
nennen wir heute: Deutsche Ziele und Aufgaben von Dr. G. Stille (Berlin
und Leipzig, Friedrich Luckhardt, 1898). Der Verfasser spricht die Hauptprobleme
unsers Volks- und Staatslebens aus ehrlicher Gesinnung und verständig durch,
ohne etwas neues beizubringen; er ist überzeugter Antisemit und glaubt dem Bunde
der Landwirte ein' wenig zu viel.
Orenzboten IV 1898W
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |