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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Ache Schönheit verbürgt um einmal -- nicht beim Einzelnen aber bei der
Rasse -- die höhere geistige Anlage. Gewiß verdient die Gesinnung eines
Palacky höchste Anerkennung. "Wenn ich, sagt er einmal, aus einem Zigeuner¬
stamme entsprossen und sein letzter Abkömmling wäre, ich hielte es doch für
meine Pflicht, auf alle mögliche Art und Weise dafür zu arbeiten, daß wenig¬
stens ein ehrenvolles Gedenken an ihn in der Geschichte der Menschheit übrig
bliebe." Gewiß sind der Bienenfleiß, die Energie und die zähe Ausdauer be¬
wunderungswürdig, womit die Tschechen ihre nach der Schlacht auf dem Weißen
Berge vernichtete Nationalität und Sprache zu einer politischen Macht empor¬
gearbeitet haben, nachdem Josephs II. stürmischer Germauisirungs- und Zen-
tralisirungseifer die noch glimmenden Funken des verschütteten Nationalgefühls
zur Flamme entfacht hatte. Aber beides kann an der Thatsache nichts ändern,
daß die Deutschen eine jahrtausendalte eigne Kultur, die Tschechen nur eme
"nportirte und geborgte haben, daß jeder gebildete Engländer und Franzose
die Meisterwerke der deutschen Litteratur wenigstens dem Namen nach kennen
'muß, während es eine tschechische Litteratur, deren Kenntnis zur Bildung ge¬
hörte, nicht giebt, daß endlich das deutsche Volk zehnmal so zahlreich ist als
das tschechische und in der Welt eine gebietende Stellung einnimmt, und daß
>-'s schou aus diesem Grunde weite Gebiete giebt, in denen die Kenntnis der
deutschen Sprache zum Fortkomme" notwendig ist, während man nirgends in
der Welt zu seinem Fortkommen des Tschechischen bedarf, wofern nur nicht --
die österreichische Regierung es für ein paar von ihren Ländern ausdrücklich
befiehlt. Es ist einfach lächerlich, was ein Sozialdemokrat sagt, den Vrba
öltirt: ..Die Tschechen sind hente auch kulturell so entwickelt, daß sie als
Nation die Deutschen ebenso wenig brauchen wie die Deutschen sie." Wie
würde eine tschechische Universität aussehen, an der keine Werke von deutschen
Gelehrten gebraucht würden? Bedarf dagegen der deutsche Student auch nur
eines einzigen tschechischen Autors? Und wie viel Stellen in Handluugshausern
und Fabriken, in Bergwerken oder Elektrizitütsanlagen. bei Bahn- und Brucken-
bauten stehen einem tschechischen Kaufmann oder Techniker oder Ingenieur, der
nicht deutsch kaun, offen? Wie viel oder vielmehr wie wenig dagegen verliert
der stellesuchende junge Deutsche, wenn er nicht tschechisch kann? Also was
Vrba über diesen Gegenstand sagt und was hundert andre noch darüber sagen
würm. das ist alles müßiges Gerede; der Schöpfer und die Weltgeschichte
haben das ein für allemal entschieden. Was aber die von Tschechen und von
Deutschen gegen einander verübten Gewaltthätigkeiten anlangt, denen Vrba
viele Seiten widmet, so wären die Fragen, welche Partei daran dre größte
Schuld trügt, was davon wahr, was Zeituugslüge oder Übertreibung ist, nur
dann zu entscheiden, wenn man jahrelang an Ort und Stelle beobachten
könnte, und überdies sind diese Dinge von ganz untergeordneter Bedeutung.

Dagegen scheint zweierlei, was mir beim Lesen des Sammelsuriums klar


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Ache Schönheit verbürgt um einmal — nicht beim Einzelnen aber bei der
Rasse — die höhere geistige Anlage. Gewiß verdient die Gesinnung eines
Palacky höchste Anerkennung. „Wenn ich, sagt er einmal, aus einem Zigeuner¬
stamme entsprossen und sein letzter Abkömmling wäre, ich hielte es doch für
meine Pflicht, auf alle mögliche Art und Weise dafür zu arbeiten, daß wenig¬
stens ein ehrenvolles Gedenken an ihn in der Geschichte der Menschheit übrig
bliebe." Gewiß sind der Bienenfleiß, die Energie und die zähe Ausdauer be¬
wunderungswürdig, womit die Tschechen ihre nach der Schlacht auf dem Weißen
Berge vernichtete Nationalität und Sprache zu einer politischen Macht empor¬
gearbeitet haben, nachdem Josephs II. stürmischer Germauisirungs- und Zen-
tralisirungseifer die noch glimmenden Funken des verschütteten Nationalgefühls
zur Flamme entfacht hatte. Aber beides kann an der Thatsache nichts ändern,
daß die Deutschen eine jahrtausendalte eigne Kultur, die Tschechen nur eme
"nportirte und geborgte haben, daß jeder gebildete Engländer und Franzose
die Meisterwerke der deutschen Litteratur wenigstens dem Namen nach kennen
'muß, während es eine tschechische Litteratur, deren Kenntnis zur Bildung ge¬
hörte, nicht giebt, daß endlich das deutsche Volk zehnmal so zahlreich ist als
das tschechische und in der Welt eine gebietende Stellung einnimmt, und daß
>-'s schou aus diesem Grunde weite Gebiete giebt, in denen die Kenntnis der
deutschen Sprache zum Fortkomme» notwendig ist, während man nirgends in
der Welt zu seinem Fortkommen des Tschechischen bedarf, wofern nur nicht —
die österreichische Regierung es für ein paar von ihren Ländern ausdrücklich
befiehlt. Es ist einfach lächerlich, was ein Sozialdemokrat sagt, den Vrba
öltirt: ..Die Tschechen sind hente auch kulturell so entwickelt, daß sie als
Nation die Deutschen ebenso wenig brauchen wie die Deutschen sie." Wie
würde eine tschechische Universität aussehen, an der keine Werke von deutschen
Gelehrten gebraucht würden? Bedarf dagegen der deutsche Student auch nur
eines einzigen tschechischen Autors? Und wie viel Stellen in Handluugshausern
und Fabriken, in Bergwerken oder Elektrizitütsanlagen. bei Bahn- und Brucken-
bauten stehen einem tschechischen Kaufmann oder Techniker oder Ingenieur, der
nicht deutsch kaun, offen? Wie viel oder vielmehr wie wenig dagegen verliert
der stellesuchende junge Deutsche, wenn er nicht tschechisch kann? Also was
Vrba über diesen Gegenstand sagt und was hundert andre noch darüber sagen
würm. das ist alles müßiges Gerede; der Schöpfer und die Weltgeschichte
haben das ein für allemal entschieden. Was aber die von Tschechen und von
Deutschen gegen einander verübten Gewaltthätigkeiten anlangt, denen Vrba
viele Seiten widmet, so wären die Fragen, welche Partei daran dre größte
Schuld trügt, was davon wahr, was Zeituugslüge oder Übertreibung ist, nur
dann zu entscheiden, wenn man jahrelang an Ort und Stelle beobachten
könnte, und überdies sind diese Dinge von ganz untergeordneter Bedeutung.

Dagegen scheint zweierlei, was mir beim Lesen des Sammelsuriums klar


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[0698] vrba Ache Schönheit verbürgt um einmal — nicht beim Einzelnen aber bei der Rasse — die höhere geistige Anlage. Gewiß verdient die Gesinnung eines Palacky höchste Anerkennung. „Wenn ich, sagt er einmal, aus einem Zigeuner¬ stamme entsprossen und sein letzter Abkömmling wäre, ich hielte es doch für meine Pflicht, auf alle mögliche Art und Weise dafür zu arbeiten, daß wenig¬ stens ein ehrenvolles Gedenken an ihn in der Geschichte der Menschheit übrig bliebe." Gewiß sind der Bienenfleiß, die Energie und die zähe Ausdauer be¬ wunderungswürdig, womit die Tschechen ihre nach der Schlacht auf dem Weißen Berge vernichtete Nationalität und Sprache zu einer politischen Macht empor¬ gearbeitet haben, nachdem Josephs II. stürmischer Germauisirungs- und Zen- tralisirungseifer die noch glimmenden Funken des verschütteten Nationalgefühls zur Flamme entfacht hatte. Aber beides kann an der Thatsache nichts ändern, daß die Deutschen eine jahrtausendalte eigne Kultur, die Tschechen nur eme "nportirte und geborgte haben, daß jeder gebildete Engländer und Franzose die Meisterwerke der deutschen Litteratur wenigstens dem Namen nach kennen 'muß, während es eine tschechische Litteratur, deren Kenntnis zur Bildung ge¬ hörte, nicht giebt, daß endlich das deutsche Volk zehnmal so zahlreich ist als das tschechische und in der Welt eine gebietende Stellung einnimmt, und daß >-'s schou aus diesem Grunde weite Gebiete giebt, in denen die Kenntnis der deutschen Sprache zum Fortkomme» notwendig ist, während man nirgends in der Welt zu seinem Fortkommen des Tschechischen bedarf, wofern nur nicht — die österreichische Regierung es für ein paar von ihren Ländern ausdrücklich befiehlt. Es ist einfach lächerlich, was ein Sozialdemokrat sagt, den Vrba öltirt: ..Die Tschechen sind hente auch kulturell so entwickelt, daß sie als Nation die Deutschen ebenso wenig brauchen wie die Deutschen sie." Wie würde eine tschechische Universität aussehen, an der keine Werke von deutschen Gelehrten gebraucht würden? Bedarf dagegen der deutsche Student auch nur eines einzigen tschechischen Autors? Und wie viel Stellen in Handluugshausern und Fabriken, in Bergwerken oder Elektrizitütsanlagen. bei Bahn- und Brucken- bauten stehen einem tschechischen Kaufmann oder Techniker oder Ingenieur, der nicht deutsch kaun, offen? Wie viel oder vielmehr wie wenig dagegen verliert der stellesuchende junge Deutsche, wenn er nicht tschechisch kann? Also was Vrba über diesen Gegenstand sagt und was hundert andre noch darüber sagen würm. das ist alles müßiges Gerede; der Schöpfer und die Weltgeschichte haben das ein für allemal entschieden. Was aber die von Tschechen und von Deutschen gegen einander verübten Gewaltthätigkeiten anlangt, denen Vrba viele Seiten widmet, so wären die Fragen, welche Partei daran dre größte Schuld trügt, was davon wahr, was Zeituugslüge oder Übertreibung ist, nur dann zu entscheiden, wenn man jahrelang an Ort und Stelle beobachten könnte, und überdies sind diese Dinge von ganz untergeordneter Bedeutung. Dagegen scheint zweierlei, was mir beim Lesen des Sammelsuriums klar

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/698>, abgerufen am 24.07.2024.