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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Die vereinigten Staaten im Kampfe für Freiheit und Humanität

Amerika näher verwandt als Freiscinwollen und Sichsclbstbeherrscheu, damit
auch andre frei sein könnten-

Vor der großen Operation des Bürgerkrieges von 1861 bis 1865, der
den Krebsschaden der Sklaverei ein für allemal heilte, stand es also den Ameri¬
kanern schlecht an, sich als Hüter der freien Menschenrechte zu geberden. Die
Befreiung der südamerikanischen Kolonien von der spanische" Herrschaft gab
von neuem Anlaß, das Gefühl der Einmütigkeit mit den um politische Un¬
abhängigkeit ringenden zu betonen. Die Vereinigten Staaten waren die ersten,
die 1822 diese improvisirten Staaten anerkannten, und die ihre damalige" Ver¬
bündeten, die Engländer, zu gleichem Vorgehen bestimmten. Damals handelte
es sich allerdings um die Wahrung der konstitutionellen Freiheiten gegenüber
der "heiligen Allianz," gegen die sich England mit Amerika verband. Die
Mitglieder der heiligen Allianz verstanden ihre Zeit nicht. Sie sahen in dem
überall hervortretenden Bestreben der Mitregierung der Völker mit den nach
der Niederwerfung Napoleons unumschränkten Fürsten daS Grinsen der Re¬
volution, in jedem Lande mit konstitutionellen Freiheiten einen natürlichen und
gefährlichen Feind. Gelang es doch der "heiligen Allianz," von Frankreich
aus den konstitutionellen König vo" Spanien, Ferdinand VII., abzusetzen und
als absolutem Herrscher wieder einzusetzen. Damals war allerdings die Furcht
berechtigt, dieses Vorgehen könnte sich auch auf amerikanischem Boden wieder¬
holen, wo es sich nicht nnr um konstitutionelle Monarchien handelte. Etwas
Ideales ist deshalb der Monroelehre nicht abzusprechen, die aus Anlaß dieser
Ereignisse das Band Amerikas und Europas zu lockern verlangte und zum
Leitstern der amerikanischen Politik machte. Amerika mit eigentümlichen Inter¬
essen, nämlich denen republikanischer Freiheiten. Europa gegenüberzustellen.
Man erkannte, welche Festigung es der eignen freien Verfassung gewährte, wenn
jede monarchische Herrschaft vom amerikanischen Festlande verschwände. Man
hatte es fortan nur mit Republiken zu thun und konnte sich mit ihnen leichter
verstündigen als mit den zum Teil mächtigen Monarchien Europas. So sehr
demnach 'diese Anerkennung im Interesse der Amerikaner lag, so anmaßend und
thöricht ist es. wenn begeisterte amerikanische Geschichtschreiber und Politiker
"och heute die Monroelehre durchs Vergrößerungsglas sehen und als ein
leuchtendes Blatt in der Menschheitsgeschichte verherrlichen möchten. "Wie
bei Belsazars Fest glühten die Worte des denkwürdigen Dokuments vor den
stummem Erschrecken harrenden Völkern der Erde." so schildert einer von
ihnen. Schouler. die Bedeutung dieser Lehre, von der er meint, ste habe die
Vereinigten Staaten zur Großmacht erhoben. Eine recht bittere Ironie ist es.
daß alsbald die südlichen Sklavenhalter das Recht der Einmischung in süd¬
amerikanische Angelegenheiten, das der eigentliche Sinn der Monroelehre war.
"l Anspruch zu nehmen begannen, um auch in diesen Staaten die Sklaverei
einzuführen und dadurch mit dieser Einrichtung zugleich ihre eigne Macht zu


Grenzboten IV 1898 ^'
Die vereinigten Staaten im Kampfe für Freiheit und Humanität

Amerika näher verwandt als Freiscinwollen und Sichsclbstbeherrscheu, damit
auch andre frei sein könnten-

Vor der großen Operation des Bürgerkrieges von 1861 bis 1865, der
den Krebsschaden der Sklaverei ein für allemal heilte, stand es also den Ameri¬
kanern schlecht an, sich als Hüter der freien Menschenrechte zu geberden. Die
Befreiung der südamerikanischen Kolonien von der spanische» Herrschaft gab
von neuem Anlaß, das Gefühl der Einmütigkeit mit den um politische Un¬
abhängigkeit ringenden zu betonen. Die Vereinigten Staaten waren die ersten,
die 1822 diese improvisirten Staaten anerkannten, und die ihre damalige» Ver¬
bündeten, die Engländer, zu gleichem Vorgehen bestimmten. Damals handelte
es sich allerdings um die Wahrung der konstitutionellen Freiheiten gegenüber
der „heiligen Allianz," gegen die sich England mit Amerika verband. Die
Mitglieder der heiligen Allianz verstanden ihre Zeit nicht. Sie sahen in dem
überall hervortretenden Bestreben der Mitregierung der Völker mit den nach
der Niederwerfung Napoleons unumschränkten Fürsten daS Grinsen der Re¬
volution, in jedem Lande mit konstitutionellen Freiheiten einen natürlichen und
gefährlichen Feind. Gelang es doch der „heiligen Allianz," von Frankreich
aus den konstitutionellen König vo» Spanien, Ferdinand VII., abzusetzen und
als absolutem Herrscher wieder einzusetzen. Damals war allerdings die Furcht
berechtigt, dieses Vorgehen könnte sich auch auf amerikanischem Boden wieder¬
holen, wo es sich nicht nnr um konstitutionelle Monarchien handelte. Etwas
Ideales ist deshalb der Monroelehre nicht abzusprechen, die aus Anlaß dieser
Ereignisse das Band Amerikas und Europas zu lockern verlangte und zum
Leitstern der amerikanischen Politik machte. Amerika mit eigentümlichen Inter¬
essen, nämlich denen republikanischer Freiheiten. Europa gegenüberzustellen.
Man erkannte, welche Festigung es der eignen freien Verfassung gewährte, wenn
jede monarchische Herrschaft vom amerikanischen Festlande verschwände. Man
hatte es fortan nur mit Republiken zu thun und konnte sich mit ihnen leichter
verstündigen als mit den zum Teil mächtigen Monarchien Europas. So sehr
demnach 'diese Anerkennung im Interesse der Amerikaner lag, so anmaßend und
thöricht ist es. wenn begeisterte amerikanische Geschichtschreiber und Politiker
"och heute die Monroelehre durchs Vergrößerungsglas sehen und als ein
leuchtendes Blatt in der Menschheitsgeschichte verherrlichen möchten. „Wie
bei Belsazars Fest glühten die Worte des denkwürdigen Dokuments vor den
stummem Erschrecken harrenden Völkern der Erde." so schildert einer von
ihnen. Schouler. die Bedeutung dieser Lehre, von der er meint, ste habe die
Vereinigten Staaten zur Großmacht erhoben. Eine recht bittere Ironie ist es.
daß alsbald die südlichen Sklavenhalter das Recht der Einmischung in süd¬
amerikanische Angelegenheiten, das der eigentliche Sinn der Monroelehre war.
"l Anspruch zu nehmen begannen, um auch in diesen Staaten die Sklaverei
einzuführen und dadurch mit dieser Einrichtung zugleich ihre eigne Macht zu


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[0692] Die vereinigten Staaten im Kampfe für Freiheit und Humanität Amerika näher verwandt als Freiscinwollen und Sichsclbstbeherrscheu, damit auch andre frei sein könnten- Vor der großen Operation des Bürgerkrieges von 1861 bis 1865, der den Krebsschaden der Sklaverei ein für allemal heilte, stand es also den Ameri¬ kanern schlecht an, sich als Hüter der freien Menschenrechte zu geberden. Die Befreiung der südamerikanischen Kolonien von der spanische» Herrschaft gab von neuem Anlaß, das Gefühl der Einmütigkeit mit den um politische Un¬ abhängigkeit ringenden zu betonen. Die Vereinigten Staaten waren die ersten, die 1822 diese improvisirten Staaten anerkannten, und die ihre damalige» Ver¬ bündeten, die Engländer, zu gleichem Vorgehen bestimmten. Damals handelte es sich allerdings um die Wahrung der konstitutionellen Freiheiten gegenüber der „heiligen Allianz," gegen die sich England mit Amerika verband. Die Mitglieder der heiligen Allianz verstanden ihre Zeit nicht. Sie sahen in dem überall hervortretenden Bestreben der Mitregierung der Völker mit den nach der Niederwerfung Napoleons unumschränkten Fürsten daS Grinsen der Re¬ volution, in jedem Lande mit konstitutionellen Freiheiten einen natürlichen und gefährlichen Feind. Gelang es doch der „heiligen Allianz," von Frankreich aus den konstitutionellen König vo» Spanien, Ferdinand VII., abzusetzen und als absolutem Herrscher wieder einzusetzen. Damals war allerdings die Furcht berechtigt, dieses Vorgehen könnte sich auch auf amerikanischem Boden wieder¬ holen, wo es sich nicht nnr um konstitutionelle Monarchien handelte. Etwas Ideales ist deshalb der Monroelehre nicht abzusprechen, die aus Anlaß dieser Ereignisse das Band Amerikas und Europas zu lockern verlangte und zum Leitstern der amerikanischen Politik machte. Amerika mit eigentümlichen Inter¬ essen, nämlich denen republikanischer Freiheiten. Europa gegenüberzustellen. Man erkannte, welche Festigung es der eignen freien Verfassung gewährte, wenn jede monarchische Herrschaft vom amerikanischen Festlande verschwände. Man hatte es fortan nur mit Republiken zu thun und konnte sich mit ihnen leichter verstündigen als mit den zum Teil mächtigen Monarchien Europas. So sehr demnach 'diese Anerkennung im Interesse der Amerikaner lag, so anmaßend und thöricht ist es. wenn begeisterte amerikanische Geschichtschreiber und Politiker "och heute die Monroelehre durchs Vergrößerungsglas sehen und als ein leuchtendes Blatt in der Menschheitsgeschichte verherrlichen möchten. „Wie bei Belsazars Fest glühten die Worte des denkwürdigen Dokuments vor den stummem Erschrecken harrenden Völkern der Erde." so schildert einer von ihnen. Schouler. die Bedeutung dieser Lehre, von der er meint, ste habe die Vereinigten Staaten zur Großmacht erhoben. Eine recht bittere Ironie ist es. daß alsbald die südlichen Sklavenhalter das Recht der Einmischung in süd¬ amerikanische Angelegenheiten, das der eigentliche Sinn der Monroelehre war. "l Anspruch zu nehmen begannen, um auch in diesen Staaten die Sklaverei einzuführen und dadurch mit dieser Einrichtung zugleich ihre eigne Macht zu Grenzboten IV 1898 ^'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/692>, abgerufen am 24.07.2024.