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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Line Schulrede am Sedantage zu Bismarcks Gedächtnis

plastische Anschaulichkeit seiner Bilder, die scharse Ironie und der treffende
Witz, die hinreißende Leidenschaft und das nationale Pathos, die er abwechselnd
anzuwenden verstand. Er war auf der Rednerbühne als Gegner nicht weniger
furchtbar wie im Kabinett und auf dem Schlachtfelde; die er traf, die wanden
sich unter den Keulenschlägen seiner Worte und zuckten empor unter seinen
scharfen Pfeilen.

Das preußische Abgeordnetenhaus kannte, bewunderte oder fürchtete thu
schou längst, aber vor der deutscheu Nation erschien er als Streitredner zuerst
im koustituirenden Reichstage des Norddeutschen Bundes und im Zollparlament.
Am 9. März 1367 war der Entwurf zur neuen Bundesverfassung, wie er
auf der Grundlage Bismarcks von den Negierungsvertretern angenommen worden
war, dem Reichstage vorgelegt worden, und 27 Redner hatten sich dafür, 17
dagegen zum Worte gemeldet. Aus den verschiedensten Gründen bekämpften
Fortschrittler, Partikularsten und Doktrinäre den Entwurf; den einen war er
zu wenig freiheitlich, den andern zu unitarisch, den dritten nicht unitarisch
genug; insbesondre verlangten preußische Abgeordnete, daß der preußische Landtag
eine entscheidende Stimme darüber haben sollte.

Da griff Graf Bismarck am 11. März mit einer großen Rede in den
Kampf ein. "Glauben Sie wirklich -- sagte er da unter andern: --, daß die
großartige Bewegung, die die Völker vom Belt bis an die Meere Siziliens,
vom Rhein bis an den Pruth und den Dnjester zum Kampfe führte, zu dem
eisernen Würfelspiel, in dem um Königs- und Kaiserkronen gespielt wurde, daß
die Millionen deutscher Krieger, die gegen einander gekämpft und geblutet
haben vom Rhein bis zu den Karpathen, daß die Tausende und Abertausende
von Gebliebnen und der Seuche erlegnen, die durch ihren Tod diese nationale
Entscheidung besiegelt haben, mit einer Landtagsresolution e>.et Ave^ geschrieben
werden können?" Und er schloß mit den berühmten Worten: "Setzen wir
Deutschland in den Sattel, reiten wird es schon können!" Wenn er hier die
harten Thatsachen der Politik und des Schlachtfeldes dem doktrinären parla¬
mentarischen Gerede entgegengesetzt hatte, so schlag er gegenüber dem furcht¬
samen Kleinmut, der noch immer nicht begreifen wollte, daß die deutschen
Stämme anfingen, eine Nation, also eine Macht zu werden, den kräftigen Ton
patriotischen Stolzes an, als im Zollparlament ein süddeutscher Abgeordneter,
Probst von Stuttgart, am 18. Mai 1868 vor jedem Versuche, das Zoll¬
parlament zu benutzen, um den Anschluß der Südstaaten an den Norddeutschen
Bund zu erreichen, mit dem Hinweis auf die Gegner draußen warnte. Daß
die alten Schwaben einst des Reiches Sturmfcchue führten, hatte der moderne
Schwabe in der selbstzufriednem Enge seines kleinen Staats vergessen. Da rief
ihm Graf Bismarck unter dem jubelnden Beifall des Hauses zu: "Dem Herrn
Vorredner gebe ich zu bedenken, daß ein Appell an die Furcht in deutscheu
Herzen niemals ein Echo findet." Wenige Jahre später fanden auch die Schwaben
den alten Stolz wieder, und auf dem Schlachtfelde von Wörth am 6. August


Line Schulrede am Sedantage zu Bismarcks Gedächtnis

plastische Anschaulichkeit seiner Bilder, die scharse Ironie und der treffende
Witz, die hinreißende Leidenschaft und das nationale Pathos, die er abwechselnd
anzuwenden verstand. Er war auf der Rednerbühne als Gegner nicht weniger
furchtbar wie im Kabinett und auf dem Schlachtfelde; die er traf, die wanden
sich unter den Keulenschlägen seiner Worte und zuckten empor unter seinen
scharfen Pfeilen.

Das preußische Abgeordnetenhaus kannte, bewunderte oder fürchtete thu
schou längst, aber vor der deutscheu Nation erschien er als Streitredner zuerst
im koustituirenden Reichstage des Norddeutschen Bundes und im Zollparlament.
Am 9. März 1367 war der Entwurf zur neuen Bundesverfassung, wie er
auf der Grundlage Bismarcks von den Negierungsvertretern angenommen worden
war, dem Reichstage vorgelegt worden, und 27 Redner hatten sich dafür, 17
dagegen zum Worte gemeldet. Aus den verschiedensten Gründen bekämpften
Fortschrittler, Partikularsten und Doktrinäre den Entwurf; den einen war er
zu wenig freiheitlich, den andern zu unitarisch, den dritten nicht unitarisch
genug; insbesondre verlangten preußische Abgeordnete, daß der preußische Landtag
eine entscheidende Stimme darüber haben sollte.

Da griff Graf Bismarck am 11. März mit einer großen Rede in den
Kampf ein. „Glauben Sie wirklich — sagte er da unter andern: —, daß die
großartige Bewegung, die die Völker vom Belt bis an die Meere Siziliens,
vom Rhein bis an den Pruth und den Dnjester zum Kampfe führte, zu dem
eisernen Würfelspiel, in dem um Königs- und Kaiserkronen gespielt wurde, daß
die Millionen deutscher Krieger, die gegen einander gekämpft und geblutet
haben vom Rhein bis zu den Karpathen, daß die Tausende und Abertausende
von Gebliebnen und der Seuche erlegnen, die durch ihren Tod diese nationale
Entscheidung besiegelt haben, mit einer Landtagsresolution e>.et Ave^ geschrieben
werden können?" Und er schloß mit den berühmten Worten: „Setzen wir
Deutschland in den Sattel, reiten wird es schon können!" Wenn er hier die
harten Thatsachen der Politik und des Schlachtfeldes dem doktrinären parla¬
mentarischen Gerede entgegengesetzt hatte, so schlag er gegenüber dem furcht¬
samen Kleinmut, der noch immer nicht begreifen wollte, daß die deutschen
Stämme anfingen, eine Nation, also eine Macht zu werden, den kräftigen Ton
patriotischen Stolzes an, als im Zollparlament ein süddeutscher Abgeordneter,
Probst von Stuttgart, am 18. Mai 1868 vor jedem Versuche, das Zoll¬
parlament zu benutzen, um den Anschluß der Südstaaten an den Norddeutschen
Bund zu erreichen, mit dem Hinweis auf die Gegner draußen warnte. Daß
die alten Schwaben einst des Reiches Sturmfcchue führten, hatte der moderne
Schwabe in der selbstzufriednem Enge seines kleinen Staats vergessen. Da rief
ihm Graf Bismarck unter dem jubelnden Beifall des Hauses zu: „Dem Herrn
Vorredner gebe ich zu bedenken, daß ein Appell an die Furcht in deutscheu
Herzen niemals ein Echo findet." Wenige Jahre später fanden auch die Schwaben
den alten Stolz wieder, und auf dem Schlachtfelde von Wörth am 6. August


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/685>, abgerufen am 24.07.2024.