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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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von Hohenzollern eifrig gefördert, "im Interesse Deutschlands," wie er sagte,
d. h. wohl: er wollte Spanien dem französischen Einfluß möglichst entziehen
und dort einen Fürsten auf den Thron bringen, der das vermöchte, wenn er
auch von Spanien keine Hilfe erwartete. Daß die Franzosen die ungeheure
Thorheit begehen würden, um dieser spanischen Sache willen in diesem Augen¬
blick, wo jenes Kriegsbündnis noch gar nicht fest abgeschlossen war, den Krieg
zu beginnen, das hat Bismarck nicht vorausgesetzt. Wenn er den Krieg durchaus
herbeiführen wollte, so brauchte er nur etwa Baden in den Norddeutschen Bund
aufzunehmen, und das hatte er eben im März 1870 abgelehnt.

Aber als die Thorheit nun doch geschah, als Graf Benedetti in Ems am
13- Juli, nachdem Prinz Leopold bereits verzichtet hatte, dem König die un¬
ziemliche Forderung stellte, dem Kaiser Napoleon schriftlich sein Bedauern über
diese Bewerbung auszusprechen. also Abbitte zu leisten, und auch sür die Zukunft
sich zu verpflichten, sie nicht wieder zuzulassen, da ließ Bismarck alle Rück¬
sichten fahren. Er war, beunruhigt durch den Lärm in Frankreich, am Abend
des 12. Juli von Varzin nach langer heißer Fahrt in Berlin eingetroffen, um
"ach Ems zum König zu eilen, der dort gänzlich ohne diplomatischen Beirat
war, aber sehr aufgebracht über die französische "Insolenz." deren Zweck, ihn
..voAe- <M ooüw herauszufordern." er sehr wohl durchschaute. Der großen
Hitze wegen unterbrach Bismarck seine Reise, sandte den Grafen Eulenburg
"ach Ems voraus und erwartete nähere Nachrichten. Da traf, als er am
13- Juli in seinem Hause mit Moltke und Roon bei Tische saß. nachmittags
sechs Uhr eine lange Depesche ein, in der ihm der Legationsrat Abeken aus¬
führlich über die Verhandlungen zwischen dem König und Benedetti berichtete
und ihm anheimgab, ob die neue Forderung Benedettis und ihre Zurück¬
weisung sogleich, sowohl den Gesandten als der Presse mitgeteilt werden sollte.
Die drei Männer hatten den geradezu niederschlagenden Eindruck, die Zurück¬
weisung sei nach so manchen Zugeständnissen nicht unbedingt genug, sie ließe
Raum zu der Meinung, der König werde sich doch mit Frankreich vertragen,
die Dreistigkeit der französischen Politik also doch einen Erfolg erfechten. Da
fragte Graf Bismarck Moltke. ob er sich unbedingt auf die Armee verlassen
könne, und als Moltke sagte: "Wir haben niemals ein besseres Werkzeug
gehabt, als in diesem Augenblick," da setzte er sich auf ein paar Minuten an
einen Seitentisch, strich die Depesche bis auf wenige, das rein Thatsächliche ent¬
haltende Sätze zusammen und las sie dann den beiden andern^Herren vor.
"So hat das einen andern Klang - bemerkte Moltke -. vorher klang es
wie eine Chamade. jetzt wie eine Fanfare als Antwort auf eine Heraus¬
forderung." So war es. Die wenigen scharfen Sätze thaten Deutschland und
der Welt kund, daß die Zumutung rundweg abgewiesen, und die dein König
zugedachte Demütigung auf Frankreich zurückgefallen sei. Es war jetzt mit
einem Schlage vor die bittre Wahl gestellt, diese Demütigung hinzunehmen


von Hohenzollern eifrig gefördert, „im Interesse Deutschlands," wie er sagte,
d. h. wohl: er wollte Spanien dem französischen Einfluß möglichst entziehen
und dort einen Fürsten auf den Thron bringen, der das vermöchte, wenn er
auch von Spanien keine Hilfe erwartete. Daß die Franzosen die ungeheure
Thorheit begehen würden, um dieser spanischen Sache willen in diesem Augen¬
blick, wo jenes Kriegsbündnis noch gar nicht fest abgeschlossen war, den Krieg
zu beginnen, das hat Bismarck nicht vorausgesetzt. Wenn er den Krieg durchaus
herbeiführen wollte, so brauchte er nur etwa Baden in den Norddeutschen Bund
aufzunehmen, und das hatte er eben im März 1870 abgelehnt.

Aber als die Thorheit nun doch geschah, als Graf Benedetti in Ems am
13- Juli, nachdem Prinz Leopold bereits verzichtet hatte, dem König die un¬
ziemliche Forderung stellte, dem Kaiser Napoleon schriftlich sein Bedauern über
diese Bewerbung auszusprechen. also Abbitte zu leisten, und auch sür die Zukunft
sich zu verpflichten, sie nicht wieder zuzulassen, da ließ Bismarck alle Rück¬
sichten fahren. Er war, beunruhigt durch den Lärm in Frankreich, am Abend
des 12. Juli von Varzin nach langer heißer Fahrt in Berlin eingetroffen, um
»ach Ems zum König zu eilen, der dort gänzlich ohne diplomatischen Beirat
war, aber sehr aufgebracht über die französische „Insolenz." deren Zweck, ihn
..voAe- <M ooüw herauszufordern." er sehr wohl durchschaute. Der großen
Hitze wegen unterbrach Bismarck seine Reise, sandte den Grafen Eulenburg
"ach Ems voraus und erwartete nähere Nachrichten. Da traf, als er am
13- Juli in seinem Hause mit Moltke und Roon bei Tische saß. nachmittags
sechs Uhr eine lange Depesche ein, in der ihm der Legationsrat Abeken aus¬
führlich über die Verhandlungen zwischen dem König und Benedetti berichtete
und ihm anheimgab, ob die neue Forderung Benedettis und ihre Zurück¬
weisung sogleich, sowohl den Gesandten als der Presse mitgeteilt werden sollte.
Die drei Männer hatten den geradezu niederschlagenden Eindruck, die Zurück¬
weisung sei nach so manchen Zugeständnissen nicht unbedingt genug, sie ließe
Raum zu der Meinung, der König werde sich doch mit Frankreich vertragen,
die Dreistigkeit der französischen Politik also doch einen Erfolg erfechten. Da
fragte Graf Bismarck Moltke. ob er sich unbedingt auf die Armee verlassen
könne, und als Moltke sagte: „Wir haben niemals ein besseres Werkzeug
gehabt, als in diesem Augenblick," da setzte er sich auf ein paar Minuten an
einen Seitentisch, strich die Depesche bis auf wenige, das rein Thatsächliche ent¬
haltende Sätze zusammen und las sie dann den beiden andern^Herren vor.
"So hat das einen andern Klang - bemerkte Moltke -. vorher klang es
wie eine Chamade. jetzt wie eine Fanfare als Antwort auf eine Heraus¬
forderung." So war es. Die wenigen scharfen Sätze thaten Deutschland und
der Welt kund, daß die Zumutung rundweg abgewiesen, und die dein König
zugedachte Demütigung auf Frankreich zurückgefallen sei. Es war jetzt mit
einem Schlage vor die bittre Wahl gestellt, diese Demütigung hinzunehmen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/680>, abgerufen am 24.07.2024.