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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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spüre" im öchnee

hube nur alle paar Jahre einmal heimlich einen Schimmer von meinem Verlobten
erhnscheu können -- wie zum Beispiel hente, wo wir uns in dem Hnnse meines
alten Kindermädchens trafen. Zuletzt, als ich ihn sah --

War das nicht in Kopenhagen? fragte der Leutnant mit einem Lächeln.

Ja -- woher wissen Sie denn das? entgegnete Harriet und wurde dunkelrot.

Ich weiß es nicht, ich habe es nur erraten -- ich habe nämlich eine Photo¬
graphie gesehen, und --

Harriet sah ihn fragend an, verstand ihn nicht, sagte dann aber, ohne eine
nähere Erklärung abzuwarten:

Dann hätten wir also nichts weiter zu bereden -- ich danke Ihnen noch
einmal!

Ach, mir noch einen Augenblick, mein gnädiges Fräulein! bat der Lentnnnt.
Wollen Sie mir eine Frage gestatten -- ja, ich weiß eigentlich nicht, wie ich sie
formuliren soll --, aber vor neun Jahren, als Sie erst fünfzehn Jahre alt waren
waren Sie damals wirklich so sicher, daß Ihre Gefühle vorhalten würden --,
oder richtiger gesagt: Sie waren damals wohl selber fest davon überzeugt, aber
Sie waren doch nur ein halbes Kind, und --

Ach ja! unterbrach ihn Harriet, in gewisser Hinsicht. Aber Sie vergessen,
daß das Gefühlsleben eines jungen Mädchens lange vorher entwickelt sein kaun,
ehe ihr Verstand es ist, und außerdem -- ja, es klingt wohl sonderbar, so etwas
Zu sagen --, aber in unsrer Familie lieben die Frauen nur einmal oder nie!

Jetzt war die Reihe, verlegen zu werden, an dem Leutnants er sah nieder,
bewegte den einen Fuß, als glätte er eine Falte im Teppich, nahm sich aber zu¬
sammen und sagte:

So darf es nicht weiter gehen, gnädiges Fräulein. Diesem unnatürlichen
Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Herrn Vater soll und muß ein Ende ge¬
macht werden -- glauben Sie mir: dabei werden sich alle Teile am besten
stehen.

Ja, wenn ich mündig werde und mich verheirate, dann --

Nein, vorher, mein gnädiges Fräulein! Wenn Sie mir erlauben Wollen,
"ut Ihrem Herrn Vater zu reden --

Er läßt sich nicht zur Vernunft reden.

Doch, das thut er, verlassen Sie sich auf mich!

Sie sagen das mit einer solchen Bestimmtheit!

Ja, ich bin auch ganz sicher.

Gut! Ich will Ihnen glauben! Thun Sie, was Sie für recht halten! --
Und vielen Dank!

Harriet reichte ihm die Hand und ging.

Am Abend, als der Jägermeister und der Leutnant allein beisammen saßen,
begann dieser:

Ich habe viel über das nachgedacht, was wir die letzte Nacht besprochen
haben.

Der Jägermeister sah unsicher auf. Die letzte Nacht? .....- Ach so, über Als!

Ja ja, auch an den habe ich gedacht -- jetzt weiß ich, weshalb er fort¬
gelaufen ist!

Hat Harriet --?

Der Leutnant nickte.

In, ich war natürlich zu heftig, das gebe ich zu -- das Ganze war ja nur
eine Kinderei! Sie hat ihn auch schon längst vergessen, und er ist weit weg, Gott


spüre» im öchnee

hube nur alle paar Jahre einmal heimlich einen Schimmer von meinem Verlobten
erhnscheu können — wie zum Beispiel hente, wo wir uns in dem Hnnse meines
alten Kindermädchens trafen. Zuletzt, als ich ihn sah —

War das nicht in Kopenhagen? fragte der Leutnant mit einem Lächeln.

Ja — woher wissen Sie denn das? entgegnete Harriet und wurde dunkelrot.

Ich weiß es nicht, ich habe es nur erraten — ich habe nämlich eine Photo¬
graphie gesehen, und —

Harriet sah ihn fragend an, verstand ihn nicht, sagte dann aber, ohne eine
nähere Erklärung abzuwarten:

Dann hätten wir also nichts weiter zu bereden — ich danke Ihnen noch
einmal!

Ach, mir noch einen Augenblick, mein gnädiges Fräulein! bat der Lentnnnt.
Wollen Sie mir eine Frage gestatten — ja, ich weiß eigentlich nicht, wie ich sie
formuliren soll —, aber vor neun Jahren, als Sie erst fünfzehn Jahre alt waren
waren Sie damals wirklich so sicher, daß Ihre Gefühle vorhalten würden —,
oder richtiger gesagt: Sie waren damals wohl selber fest davon überzeugt, aber
Sie waren doch nur ein halbes Kind, und —

Ach ja! unterbrach ihn Harriet, in gewisser Hinsicht. Aber Sie vergessen,
daß das Gefühlsleben eines jungen Mädchens lange vorher entwickelt sein kaun,
ehe ihr Verstand es ist, und außerdem — ja, es klingt wohl sonderbar, so etwas
Zu sagen —, aber in unsrer Familie lieben die Frauen nur einmal oder nie!

Jetzt war die Reihe, verlegen zu werden, an dem Leutnants er sah nieder,
bewegte den einen Fuß, als glätte er eine Falte im Teppich, nahm sich aber zu¬
sammen und sagte:

So darf es nicht weiter gehen, gnädiges Fräulein. Diesem unnatürlichen
Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Herrn Vater soll und muß ein Ende ge¬
macht werden — glauben Sie mir: dabei werden sich alle Teile am besten
stehen.

Ja, wenn ich mündig werde und mich verheirate, dann —

Nein, vorher, mein gnädiges Fräulein! Wenn Sie mir erlauben Wollen,
"ut Ihrem Herrn Vater zu reden —

Er läßt sich nicht zur Vernunft reden.

Doch, das thut er, verlassen Sie sich auf mich!

Sie sagen das mit einer solchen Bestimmtheit!

Ja, ich bin auch ganz sicher.

Gut! Ich will Ihnen glauben! Thun Sie, was Sie für recht halten! —
Und vielen Dank!

Harriet reichte ihm die Hand und ging.

Am Abend, als der Jägermeister und der Leutnant allein beisammen saßen,
begann dieser:

Ich habe viel über das nachgedacht, was wir die letzte Nacht besprochen
haben.

Der Jägermeister sah unsicher auf. Die letzte Nacht? .....- Ach so, über Als!

Ja ja, auch an den habe ich gedacht — jetzt weiß ich, weshalb er fort¬
gelaufen ist!

Hat Harriet —?

Der Leutnant nickte.

In, ich war natürlich zu heftig, das gebe ich zu — das Ganze war ja nur
eine Kinderei! Sie hat ihn auch schon längst vergessen, und er ist weit weg, Gott


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[0664] spüre» im öchnee hube nur alle paar Jahre einmal heimlich einen Schimmer von meinem Verlobten erhnscheu können — wie zum Beispiel hente, wo wir uns in dem Hnnse meines alten Kindermädchens trafen. Zuletzt, als ich ihn sah — War das nicht in Kopenhagen? fragte der Leutnant mit einem Lächeln. Ja — woher wissen Sie denn das? entgegnete Harriet und wurde dunkelrot. Ich weiß es nicht, ich habe es nur erraten — ich habe nämlich eine Photo¬ graphie gesehen, und — Harriet sah ihn fragend an, verstand ihn nicht, sagte dann aber, ohne eine nähere Erklärung abzuwarten: Dann hätten wir also nichts weiter zu bereden — ich danke Ihnen noch einmal! Ach, mir noch einen Augenblick, mein gnädiges Fräulein! bat der Lentnnnt. Wollen Sie mir eine Frage gestatten — ja, ich weiß eigentlich nicht, wie ich sie formuliren soll —, aber vor neun Jahren, als Sie erst fünfzehn Jahre alt waren waren Sie damals wirklich so sicher, daß Ihre Gefühle vorhalten würden —, oder richtiger gesagt: Sie waren damals wohl selber fest davon überzeugt, aber Sie waren doch nur ein halbes Kind, und — Ach ja! unterbrach ihn Harriet, in gewisser Hinsicht. Aber Sie vergessen, daß das Gefühlsleben eines jungen Mädchens lange vorher entwickelt sein kaun, ehe ihr Verstand es ist, und außerdem — ja, es klingt wohl sonderbar, so etwas Zu sagen —, aber in unsrer Familie lieben die Frauen nur einmal oder nie! Jetzt war die Reihe, verlegen zu werden, an dem Leutnants er sah nieder, bewegte den einen Fuß, als glätte er eine Falte im Teppich, nahm sich aber zu¬ sammen und sagte: So darf es nicht weiter gehen, gnädiges Fräulein. Diesem unnatürlichen Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Herrn Vater soll und muß ein Ende ge¬ macht werden — glauben Sie mir: dabei werden sich alle Teile am besten stehen. Ja, wenn ich mündig werde und mich verheirate, dann — Nein, vorher, mein gnädiges Fräulein! Wenn Sie mir erlauben Wollen, "ut Ihrem Herrn Vater zu reden — Er läßt sich nicht zur Vernunft reden. Doch, das thut er, verlassen Sie sich auf mich! Sie sagen das mit einer solchen Bestimmtheit! Ja, ich bin auch ganz sicher. Gut! Ich will Ihnen glauben! Thun Sie, was Sie für recht halten! — Und vielen Dank! Harriet reichte ihm die Hand und ging. Am Abend, als der Jägermeister und der Leutnant allein beisammen saßen, begann dieser: Ich habe viel über das nachgedacht, was wir die letzte Nacht besprochen haben. Der Jägermeister sah unsicher auf. Die letzte Nacht? .....- Ach so, über Als! Ja ja, auch an den habe ich gedacht — jetzt weiß ich, weshalb er fort¬ gelaufen ist! Hat Harriet —? Der Leutnant nickte. In, ich war natürlich zu heftig, das gebe ich zu — das Ganze war ja nur eine Kinderei! Sie hat ihn auch schon längst vergessen, und er ist weit weg, Gott

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/664>, abgerufen am 12.12.2024.