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Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

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Spuren im Schnee

Noch freilich fehlt uns manches, das nötig ist zur vollen Freiheit. Noch sind
unsre Schiffe in fremden Meeren von englischen Kohlenstcitioneu abhängig, weil wir
keine eignen haben. Ein berühmter deutscher Professor mag ja die deutsche Flotte
nur für einen Sport halten. Es ist richtig, die alten Römer waren keine See¬
fahrer und fürchteten sich vor den sächsischen Seeräubern, die mit allen Winden
zu segeln wußten. Doch unser Blick reicht ein wenig über das enge Becken des
Mittelmeeres hinaus, und der Deutsche, der im Auslande für das Vaterland wirkt
und schafft und aus eigner Anschauung die Bedeutung der See kennt, denkt anders
als der berühmte Gelehrte.

Was Deutschland braucht, sind Kohlenstationen über die ganze Erde hin, und
neben den Stationen ein Netz von deutschen Kabeln, das sie mit unsern Kolonien
und dem Mntterlnnde verbindet. Man fängt jetzt in Deutschland an, sich mit dem
Gedanken eigner Kohlenstationen zu befreunden. Aber Hand in Hand mit der Er¬
werbung dieser wichtigen Außenposten sollte auch der Ausbau eigner Kabellinien
gehen. Gegenwärtig hat England fast ein Kabelmonopol und verdankt einen nicht
.geringen Teil seiner herrschenden Stellung dem Besitze seines ausgedehnten Netzes
elektrischer Drahte. Von welcher Bedeutung die Kontrolle der Kabel in politischer
Beziehung sei" kann und muß, ist offenkundig für jeden, der denken kann.

Wenn Deutschland seine Schiffe selbst mit den nötigen Kohlen versehen kann
und sich auch im Nachrichtendienste nicht mehr auf das Wohlwollen mißgünstiger
Nachbarn angewiesen sieht, erst dann ist es England gegenüber wirklich frei. Es
ist eine kühne Forderung, und sie verlangt Opfer. Aber wir sind trotz England
groß geworden, und trotz England und ohne England wollen wir auch noch größer
werden.




Spuren im Schnee
Soxhus Bauditz Gine Winternovelle vo" Mathilde Mann Autorisirte Übersetzung von
(Schluß)

etzt wußte das Wetter, was es wollte: es war Schneesturm geworden.
Die Flocken jagten herunter, daß Himmel und Erde in einander über¬
gingen; man konnte keine drei Schritte weit sehen, und bald waren
Wege, Gräben und Äcker nicht mehr von einander zu unterscheiden.

Nachdem sie dreiviertel Stunden gefahren waren, erklärte der
Kutscher, daß er in der Gegend nicht bekannt sei -- er sei aus dem
Süden --, und daß er sich "gewiß" verirrt habe; aber man könne sich ja in dem
nächsten Hause erkundigen. Ja, aber wo war eins? Es war auch nicht eine mensch¬
liche Wohnung zu erblicken, wie man auch auf dem ganzen Wege niemand begegnete.

Halten Sie einmal einen Augenblick, rief der Leutnant und sprang auf den
Weg hinab. Hier ist ja die frische Spur eines Schlittens -- er ist nach der


Spuren im Schnee

Noch freilich fehlt uns manches, das nötig ist zur vollen Freiheit. Noch sind
unsre Schiffe in fremden Meeren von englischen Kohlenstcitioneu abhängig, weil wir
keine eignen haben. Ein berühmter deutscher Professor mag ja die deutsche Flotte
nur für einen Sport halten. Es ist richtig, die alten Römer waren keine See¬
fahrer und fürchteten sich vor den sächsischen Seeräubern, die mit allen Winden
zu segeln wußten. Doch unser Blick reicht ein wenig über das enge Becken des
Mittelmeeres hinaus, und der Deutsche, der im Auslande für das Vaterland wirkt
und schafft und aus eigner Anschauung die Bedeutung der See kennt, denkt anders
als der berühmte Gelehrte.

Was Deutschland braucht, sind Kohlenstationen über die ganze Erde hin, und
neben den Stationen ein Netz von deutschen Kabeln, das sie mit unsern Kolonien
und dem Mntterlnnde verbindet. Man fängt jetzt in Deutschland an, sich mit dem
Gedanken eigner Kohlenstationen zu befreunden. Aber Hand in Hand mit der Er¬
werbung dieser wichtigen Außenposten sollte auch der Ausbau eigner Kabellinien
gehen. Gegenwärtig hat England fast ein Kabelmonopol und verdankt einen nicht
.geringen Teil seiner herrschenden Stellung dem Besitze seines ausgedehnten Netzes
elektrischer Drahte. Von welcher Bedeutung die Kontrolle der Kabel in politischer
Beziehung sei» kann und muß, ist offenkundig für jeden, der denken kann.

Wenn Deutschland seine Schiffe selbst mit den nötigen Kohlen versehen kann
und sich auch im Nachrichtendienste nicht mehr auf das Wohlwollen mißgünstiger
Nachbarn angewiesen sieht, erst dann ist es England gegenüber wirklich frei. Es
ist eine kühne Forderung, und sie verlangt Opfer. Aber wir sind trotz England
groß geworden, und trotz England und ohne England wollen wir auch noch größer
werden.




Spuren im Schnee
Soxhus Bauditz Gine Winternovelle vo» Mathilde Mann Autorisirte Übersetzung von
(Schluß)

etzt wußte das Wetter, was es wollte: es war Schneesturm geworden.
Die Flocken jagten herunter, daß Himmel und Erde in einander über¬
gingen; man konnte keine drei Schritte weit sehen, und bald waren
Wege, Gräben und Äcker nicht mehr von einander zu unterscheiden.

Nachdem sie dreiviertel Stunden gefahren waren, erklärte der
Kutscher, daß er in der Gegend nicht bekannt sei — er sei aus dem
Süden —, und daß er sich „gewiß" verirrt habe; aber man könne sich ja in dem
nächsten Hause erkundigen. Ja, aber wo war eins? Es war auch nicht eine mensch¬
liche Wohnung zu erblicken, wie man auch auf dem ganzen Wege niemand begegnete.

Halten Sie einmal einen Augenblick, rief der Leutnant und sprang auf den
Weg hinab. Hier ist ja die frische Spur eines Schlittens — er ist nach der


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[0659] Spuren im Schnee Noch freilich fehlt uns manches, das nötig ist zur vollen Freiheit. Noch sind unsre Schiffe in fremden Meeren von englischen Kohlenstcitioneu abhängig, weil wir keine eignen haben. Ein berühmter deutscher Professor mag ja die deutsche Flotte nur für einen Sport halten. Es ist richtig, die alten Römer waren keine See¬ fahrer und fürchteten sich vor den sächsischen Seeräubern, die mit allen Winden zu segeln wußten. Doch unser Blick reicht ein wenig über das enge Becken des Mittelmeeres hinaus, und der Deutsche, der im Auslande für das Vaterland wirkt und schafft und aus eigner Anschauung die Bedeutung der See kennt, denkt anders als der berühmte Gelehrte. Was Deutschland braucht, sind Kohlenstationen über die ganze Erde hin, und neben den Stationen ein Netz von deutschen Kabeln, das sie mit unsern Kolonien und dem Mntterlnnde verbindet. Man fängt jetzt in Deutschland an, sich mit dem Gedanken eigner Kohlenstationen zu befreunden. Aber Hand in Hand mit der Er¬ werbung dieser wichtigen Außenposten sollte auch der Ausbau eigner Kabellinien gehen. Gegenwärtig hat England fast ein Kabelmonopol und verdankt einen nicht .geringen Teil seiner herrschenden Stellung dem Besitze seines ausgedehnten Netzes elektrischer Drahte. Von welcher Bedeutung die Kontrolle der Kabel in politischer Beziehung sei» kann und muß, ist offenkundig für jeden, der denken kann. Wenn Deutschland seine Schiffe selbst mit den nötigen Kohlen versehen kann und sich auch im Nachrichtendienste nicht mehr auf das Wohlwollen mißgünstiger Nachbarn angewiesen sieht, erst dann ist es England gegenüber wirklich frei. Es ist eine kühne Forderung, und sie verlangt Opfer. Aber wir sind trotz England groß geworden, und trotz England und ohne England wollen wir auch noch größer werden. Spuren im Schnee Soxhus Bauditz Gine Winternovelle vo» Mathilde Mann Autorisirte Übersetzung von (Schluß) etzt wußte das Wetter, was es wollte: es war Schneesturm geworden. Die Flocken jagten herunter, daß Himmel und Erde in einander über¬ gingen; man konnte keine drei Schritte weit sehen, und bald waren Wege, Gräben und Äcker nicht mehr von einander zu unterscheiden. Nachdem sie dreiviertel Stunden gefahren waren, erklärte der Kutscher, daß er in der Gegend nicht bekannt sei — er sei aus dem Süden —, und daß er sich „gewiß" verirrt habe; aber man könne sich ja in dem nächsten Hause erkundigen. Ja, aber wo war eins? Es war auch nicht eine mensch¬ liche Wohnung zu erblicken, wie man auch auf dem ganzen Wege niemand begegnete. Halten Sie einmal einen Augenblick, rief der Leutnant und sprang auf den Weg hinab. Hier ist ja die frische Spur eines Schlittens — er ist nach der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/659>, abgerufen am 12.12.2024.