Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Interessengemeinschaft zwischen Agrariern und Arbeitern

enbefreiung keinen Zweifel zu. Auch Meitzen. der von vielen für den best...
Kenner der preußischen Agrarverhültnisse gehalten wird, ist der Meinung, daß
die Herren- oder Rittergüter im Osten, allgemein genommen, zu groß seien.
In andern Teilen des Reiches, in Nordwestdeutschland namentlich, wiegt die
normale Große vor. es liegt also auch aus der Gegenwart ein Vorbild zur
Befolgung vor. Mit der bessern Besitzverteilung düngt es zusammen. daß in
diesen Gegenden die Kreditnvt der Gutsherren weder so allgemein, noch so
intensiv ist. Wenn auch von dort her die Klagen der Landwirtschaft immer
lauter und drängender werden, so ist das ein Grund mehr sür das Getreide-
'nonopol als das einzige Mittel, dem Prcisuotstand abzuhelfen. Es steht eben
fest, daß große und kleine Landwirte bei der jetzigen Preisbewegung der Brot¬
frucht nicht bestehen können, sei es im Osten oder Westen, im Norden oder
Süden Deutschlands; das gilt von allen Landwirten, deren Betneb so groß
ist, daß sie verkaufen, von Bauern und Herren. Wer von ihnen besonders
"intelligent" wirtschaftet, mag durchkommen, aber alle menschlichen Einrich¬
tungen können nur auf die Durchschnittsleistung gegründet werden.

Auch die finanzielle Seite seines Monopolvorschlages scheint uns Kühn
nicht umfassend genug dargelegt zu haben. Er meint zwar an einer Stelle,
es stecke ..ein sehr großes Geschäft im Monopol." wie der Kaufmann sagen
würde, und ausführlicher geht er ans den Gegenstand an einer andern Stelle
"in. wo er von der Befugnis der Getreideverkäufer spricht, ihr Geld stehen zu
lassen, und davou. daß die Kasfenstelleu von der landwirtschaftlichen Bevölke¬
rung und für sie Einlagen anzunehmen hätten, die nach einer gewissen Karenz¬
zeit Sparkassenzinsen trügen. ..Auf diese Weise beschafft sich das Monopol
nicht nur selbst Betriebskapital und durch den Zinsgewinn Einnahmen, es
leitet auch eine Entwicklung ein. deren Vorzüge man mit Recht an Frankreich
gerühmt hat. Ein großer Teil der Bevölkerung wird als Staatsglaubiger
unmittelbar und mit der eignen Wirtschaft an der Staatswirtschaft beteiligt
sein, und es werden das bei uns vorwiegend nicht die sein, die sich zur Ruhe
gesetzt haben, sondern die Nciushalter. die am rüstigsten und segensreichsten
schaffen. Wer erwägt, welche Summen die Sozialdemokratie durch Arbeiter-
s-rvschen anbringt, und daß die im Durchschnitt zwanzig Pfennige riethe über¬
schreitenden Marken der Alters- und Invalidenversicherung nach sechs Jahren
ein Kapital von achtzig Millionen bilden, wird mit dem Verfasser die Hoffnung
wier. daß die finanziellen Opfer des Monopols nicht groß sein werden. Das
Monopol hat ja auch noch andre Einnahmen, es mag sich sogar auf die Dauer
selbst ernähren und sogar Überschüsse bringen." Aber, so einlemhtend auch
diese Ausführungen, so überzeugend die Hoffnungen sind, die Kühn daran
knüpft - wir hoffen auf noch mehr so ist doch die negative Wirkungnoch wichtiger, die das Getreidemonopol haben würde: dadurch, daß der Ge¬
treidehandel verstaatlicht würde, wäre allein seine sonst unabwendbare Mono-


Grenzlwten IV I8!>"
Die Interessengemeinschaft zwischen Agrariern und Arbeitern

enbefreiung keinen Zweifel zu. Auch Meitzen. der von vielen für den best...
Kenner der preußischen Agrarverhültnisse gehalten wird, ist der Meinung, daß
die Herren- oder Rittergüter im Osten, allgemein genommen, zu groß seien.
In andern Teilen des Reiches, in Nordwestdeutschland namentlich, wiegt die
normale Große vor. es liegt also auch aus der Gegenwart ein Vorbild zur
Befolgung vor. Mit der bessern Besitzverteilung düngt es zusammen. daß in
diesen Gegenden die Kreditnvt der Gutsherren weder so allgemein, noch so
intensiv ist. Wenn auch von dort her die Klagen der Landwirtschaft immer
lauter und drängender werden, so ist das ein Grund mehr sür das Getreide-
'nonopol als das einzige Mittel, dem Prcisuotstand abzuhelfen. Es steht eben
fest, daß große und kleine Landwirte bei der jetzigen Preisbewegung der Brot¬
frucht nicht bestehen können, sei es im Osten oder Westen, im Norden oder
Süden Deutschlands; das gilt von allen Landwirten, deren Betneb so groß
ist, daß sie verkaufen, von Bauern und Herren. Wer von ihnen besonders
«intelligent" wirtschaftet, mag durchkommen, aber alle menschlichen Einrich¬
tungen können nur auf die Durchschnittsleistung gegründet werden.

Auch die finanzielle Seite seines Monopolvorschlages scheint uns Kühn
nicht umfassend genug dargelegt zu haben. Er meint zwar an einer Stelle,
es stecke ..ein sehr großes Geschäft im Monopol." wie der Kaufmann sagen
würde, und ausführlicher geht er ans den Gegenstand an einer andern Stelle
«in. wo er von der Befugnis der Getreideverkäufer spricht, ihr Geld stehen zu
lassen, und davou. daß die Kasfenstelleu von der landwirtschaftlichen Bevölke¬
rung und für sie Einlagen anzunehmen hätten, die nach einer gewissen Karenz¬
zeit Sparkassenzinsen trügen. ..Auf diese Weise beschafft sich das Monopol
nicht nur selbst Betriebskapital und durch den Zinsgewinn Einnahmen, es
leitet auch eine Entwicklung ein. deren Vorzüge man mit Recht an Frankreich
gerühmt hat. Ein großer Teil der Bevölkerung wird als Staatsglaubiger
unmittelbar und mit der eignen Wirtschaft an der Staatswirtschaft beteiligt
sein, und es werden das bei uns vorwiegend nicht die sein, die sich zur Ruhe
gesetzt haben, sondern die Nciushalter. die am rüstigsten und segensreichsten
schaffen. Wer erwägt, welche Summen die Sozialdemokratie durch Arbeiter-
s-rvschen anbringt, und daß die im Durchschnitt zwanzig Pfennige riethe über¬
schreitenden Marken der Alters- und Invalidenversicherung nach sechs Jahren
ein Kapital von achtzig Millionen bilden, wird mit dem Verfasser die Hoffnung
wier. daß die finanziellen Opfer des Monopols nicht groß sein werden. Das
Monopol hat ja auch noch andre Einnahmen, es mag sich sogar auf die Dauer
selbst ernähren und sogar Überschüsse bringen." Aber, so einlemhtend auch
diese Ausführungen, so überzeugend die Hoffnungen sind, die Kühn daran
knüpft - wir hoffen auf noch mehr so ist doch die negative Wirkungnoch wichtiger, die das Getreidemonopol haben würde: dadurch, daß der Ge¬
treidehandel verstaatlicht würde, wäre allein seine sonst unabwendbare Mono-


Grenzlwten IV I8!>«
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0636" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/229585"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Interessengemeinschaft zwischen Agrariern und Arbeitern</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2110" prev="#ID_2109"> enbefreiung keinen Zweifel zu. Auch Meitzen. der von vielen für den best...<lb/>
Kenner der preußischen Agrarverhültnisse gehalten wird, ist der Meinung, daß<lb/>
die Herren- oder Rittergüter im Osten, allgemein genommen, zu groß seien.<lb/>
In andern Teilen des Reiches, in Nordwestdeutschland namentlich, wiegt die<lb/>
normale Große vor. es liegt also auch aus der Gegenwart ein Vorbild zur<lb/>
Befolgung vor. Mit der bessern Besitzverteilung düngt es zusammen. daß in<lb/>
diesen Gegenden die Kreditnvt der Gutsherren weder so allgemein, noch so<lb/>
intensiv ist. Wenn auch von dort her die Klagen der Landwirtschaft immer<lb/>
lauter und drängender werden, so ist das ein Grund mehr sür das Getreide-<lb/>
'nonopol als das einzige Mittel, dem Prcisuotstand abzuhelfen. Es steht eben<lb/>
fest, daß große und kleine Landwirte bei der jetzigen Preisbewegung der Brot¬<lb/>
frucht nicht bestehen können, sei es im Osten oder Westen, im Norden oder<lb/>
Süden Deutschlands; das gilt von allen Landwirten, deren Betneb so groß<lb/>
ist, daß sie verkaufen, von Bauern und Herren. Wer von ihnen besonders<lb/>
«intelligent" wirtschaftet, mag durchkommen, aber alle menschlichen Einrich¬<lb/>
tungen können nur auf die Durchschnittsleistung gegründet werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2111" next="#ID_2112"> Auch die finanzielle Seite seines Monopolvorschlages scheint uns Kühn<lb/>
nicht umfassend genug dargelegt zu haben. Er meint zwar an einer Stelle,<lb/>
es stecke ..ein sehr großes Geschäft im Monopol." wie der Kaufmann sagen<lb/>
würde, und ausführlicher geht er ans den Gegenstand an einer andern Stelle<lb/>
«in. wo er von der Befugnis der Getreideverkäufer spricht, ihr Geld stehen zu<lb/>
lassen, und davou. daß die Kasfenstelleu von der landwirtschaftlichen Bevölke¬<lb/>
rung und für sie Einlagen anzunehmen hätten, die nach einer gewissen Karenz¬<lb/>
zeit Sparkassenzinsen trügen. ..Auf diese Weise beschafft sich das Monopol<lb/>
nicht nur selbst Betriebskapital und durch den Zinsgewinn Einnahmen, es<lb/>
leitet auch eine Entwicklung ein. deren Vorzüge man mit Recht an Frankreich<lb/>
gerühmt hat. Ein großer Teil der Bevölkerung wird als Staatsglaubiger<lb/>
unmittelbar und mit der eignen Wirtschaft an der Staatswirtschaft beteiligt<lb/>
sein, und es werden das bei uns vorwiegend nicht die sein, die sich zur Ruhe<lb/>
gesetzt haben, sondern die Nciushalter. die am rüstigsten und segensreichsten<lb/>
schaffen. Wer erwägt, welche Summen die Sozialdemokratie durch Arbeiter-<lb/>
s-rvschen anbringt, und daß die im Durchschnitt zwanzig Pfennige riethe über¬<lb/>
schreitenden Marken der Alters- und Invalidenversicherung nach sechs Jahren<lb/>
ein Kapital von achtzig Millionen bilden, wird mit dem Verfasser die Hoffnung<lb/>
wier. daß die finanziellen Opfer des Monopols nicht groß sein werden. Das<lb/>
Monopol hat ja auch noch andre Einnahmen, es mag sich sogar auf die Dauer<lb/>
selbst ernähren und sogar Überschüsse bringen." Aber, so einlemhtend auch<lb/>
diese Ausführungen, so überzeugend die Hoffnungen sind, die Kühn daran<lb/>
knüpft - wir hoffen auf noch mehr so ist doch die negative Wirkungnoch wichtiger, die das Getreidemonopol haben würde: dadurch, daß der Ge¬<lb/>
treidehandel verstaatlicht würde, wäre allein seine sonst unabwendbare Mono-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzlwten IV I8!&gt;«</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0636] Die Interessengemeinschaft zwischen Agrariern und Arbeitern enbefreiung keinen Zweifel zu. Auch Meitzen. der von vielen für den best... Kenner der preußischen Agrarverhültnisse gehalten wird, ist der Meinung, daß die Herren- oder Rittergüter im Osten, allgemein genommen, zu groß seien. In andern Teilen des Reiches, in Nordwestdeutschland namentlich, wiegt die normale Große vor. es liegt also auch aus der Gegenwart ein Vorbild zur Befolgung vor. Mit der bessern Besitzverteilung düngt es zusammen. daß in diesen Gegenden die Kreditnvt der Gutsherren weder so allgemein, noch so intensiv ist. Wenn auch von dort her die Klagen der Landwirtschaft immer lauter und drängender werden, so ist das ein Grund mehr sür das Getreide- 'nonopol als das einzige Mittel, dem Prcisuotstand abzuhelfen. Es steht eben fest, daß große und kleine Landwirte bei der jetzigen Preisbewegung der Brot¬ frucht nicht bestehen können, sei es im Osten oder Westen, im Norden oder Süden Deutschlands; das gilt von allen Landwirten, deren Betneb so groß ist, daß sie verkaufen, von Bauern und Herren. Wer von ihnen besonders «intelligent" wirtschaftet, mag durchkommen, aber alle menschlichen Einrich¬ tungen können nur auf die Durchschnittsleistung gegründet werden. Auch die finanzielle Seite seines Monopolvorschlages scheint uns Kühn nicht umfassend genug dargelegt zu haben. Er meint zwar an einer Stelle, es stecke ..ein sehr großes Geschäft im Monopol." wie der Kaufmann sagen würde, und ausführlicher geht er ans den Gegenstand an einer andern Stelle «in. wo er von der Befugnis der Getreideverkäufer spricht, ihr Geld stehen zu lassen, und davou. daß die Kasfenstelleu von der landwirtschaftlichen Bevölke¬ rung und für sie Einlagen anzunehmen hätten, die nach einer gewissen Karenz¬ zeit Sparkassenzinsen trügen. ..Auf diese Weise beschafft sich das Monopol nicht nur selbst Betriebskapital und durch den Zinsgewinn Einnahmen, es leitet auch eine Entwicklung ein. deren Vorzüge man mit Recht an Frankreich gerühmt hat. Ein großer Teil der Bevölkerung wird als Staatsglaubiger unmittelbar und mit der eignen Wirtschaft an der Staatswirtschaft beteiligt sein, und es werden das bei uns vorwiegend nicht die sein, die sich zur Ruhe gesetzt haben, sondern die Nciushalter. die am rüstigsten und segensreichsten schaffen. Wer erwägt, welche Summen die Sozialdemokratie durch Arbeiter- s-rvschen anbringt, und daß die im Durchschnitt zwanzig Pfennige riethe über¬ schreitenden Marken der Alters- und Invalidenversicherung nach sechs Jahren ein Kapital von achtzig Millionen bilden, wird mit dem Verfasser die Hoffnung wier. daß die finanziellen Opfer des Monopols nicht groß sein werden. Das Monopol hat ja auch noch andre Einnahmen, es mag sich sogar auf die Dauer selbst ernähren und sogar Überschüsse bringen." Aber, so einlemhtend auch diese Ausführungen, so überzeugend die Hoffnungen sind, die Kühn daran knüpft - wir hoffen auf noch mehr so ist doch die negative Wirkungnoch wichtiger, die das Getreidemonopol haben würde: dadurch, daß der Ge¬ treidehandel verstaatlicht würde, wäre allein seine sonst unabwendbare Mono- Grenzlwten IV I8!>«

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/636
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 57, 1898, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341867_228947/636>, abgerufen am 24.07.2024.